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ARTENRAUB/037: Indien - Ungewöhnliche Krokodilschwemme, Papierindustrie schädigt Öko-Balance (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. Dezember 2011

Indien: Ungewöhnliche Krokodilschwemme - Papierindustrie schädigt Öko-Balance

von Malini Shankar


Dandeli, Indien, 8. Dezember (IPS) - Giftige Abwässer aus einer Papierfabrik an der Westküste Indiens ziehen viele Krokodile an und zerstören damit das ökologische Gleichgewicht. Naturschützer warnen vor der irreparablen Schädigung eines der wenigen erhaltenen Gebiete mit großer Biodiversität.

In den Kalinadi-Fluss, der sich durch die dichten, immergrünen Regenwälder im Westghats-Gebirge schlängelt, leiten die 'West Coast Paper Mills' ungeklärte Abwässer ein. Dadurch werden viele Krokodile aus den Sümpfen angezogen, die nun den fünf Kilometer langen Flussabschnitt nahe der Fabrik bevölkern.

Die Forstbehörde führt zwar keine regelmäßigen Zählungen der Krokodile in der Region durch. Forstwart Sunil Pawar, der für den Erhalt des Waldes im Dandeli-Anshi-Tigerreservat verantwortlich ist, geht jedoch davon aus, dass inzwischen mindestens 40 bis 60 Krokodile in einem Flussabschnitt zu finden sind, in dem sich früher höchstens 15 der Tiere aufhielten.

"Das Vorkommen so vieler Krokodile in einem relativ kleinen Teil des Flusses deutet darauf hin, dass das Wasser verschmutzt ist", erklärte der Umweltexperte T.V. Ramachandra vom Indischen Wissenschaftsinstitut (IIS) in Bangalore.


Krokodile können auf Dauer nicht im Kalinadi-Fluss überleben

Die aasfressenden Reptilien scheinen sich zunächst gut mit ihrem neuen Umfeld zu arrangieren. Die ungeklärten Abwässer werden aber in Kürze die Umgebung so sehr verseucht haben, dass keine Tiere mehr dort leben können.

"Krokodile brauchen ein ruhiges, sauberes Habitat, in dem sie genügend Insekten, Fische, Frösche, Vögel, Nager und größere Tiere als Beute finden", sagte der der führende indische Reptilienspezialist Rom Whitaker vom 'Madras Crocodile Bank Trust' IPS.

Der Geschäftsführer von 'West Coast Paper Mills', K.L. Chandak, verteidigte das Vorgehen seines Unternehmens: "Wir haben unsere Produktionstechnologie inzwischen so verändert, dass wesentlich weniger Abwässer in den Fluss geleitet werden." Die Anlage erfülle die Standards des zentralen Ausschusses für Schadstoffbekämpfung (CPCB) und ihres regionalen Ablegers im Bundesstaat Karnataka, betonte er.

Ein Vertreter des CPCB erklärte dagegen IPS, dass die Behörde lediglich Stichproben durchführe."In den vergangenen drei bis fünf Jahren haben wir keine Studie über die Umweltverschmutzung in Karnataka erstellt."

Untersuchungen ergaben, dass das Wasser des Kalinadi sauerstoffarm ist und hohe Werte an Kalzium, Magnesium, Natrium, Chlorid, Nitrat, Sulfat und anderen Schadstoffen aufweist. Die Verunreinigung des Wassers bedroht somit die gesamte Nahrungskette.

"Die Wasserverschmutzung ist nicht nur schlecht für Krokodile, sondern auch für die übrige Fauna und Flora, deren langfristiges Überleben gefährdet ist", erklärte Whitaker. Die Zerstörung des Habitats kann auch das Gleichgewicht zwischen Männchen und Weibchen der bedrohten Krokodilarten durcheinanderbringen.

Die Firma West Coast Paper Mills gilt Umweltschützern als ein beredtes Beispiel für das umstrittene indische Modell zur Wirtschaftsentwicklung. Experten kritisieren, dass neue Arbeitsplätze geschaffen werden, indem man Wälder abholzt, das Überleben von Tieren gefährdet und die natürlichen Ressourcen schmälert.

Teile der üppigen Regenwälder wie etwa in Dandeli fielen bereits in den fünfziger und sechziger Jahren der Axt zum Opfer. Dort wurden Bambusplantagen angelegt, die den Grundstoff für die Papierproduktion lieferten. Mittlerweile ist West Coast Paper Mills zwar auf Eukalyptusbäume umgestiegen, doch auch diese gefährden die lokalen Süßwasserquellen.


Behörden schauen tatenlos zu

Die Behörden sind gegen den Raubbau an der Umwelt in den wenigen noch erhaltenen artenreichen Gebieten Indiens bisher nicht eingeschritten. Aus einem IPS vorliegenden Bericht des Schadstoffkontrollausschusses von Karnataka 2011 geht hervor, dass die Belastung der Gewässer aufgrund verbesserter Produktions- und Abfallrecyclingmethoden zurückgegangen sei. Doch gibt es Untersuchungen, die genau das Gegenteil belegen.

Der Kalinadi-Fluss führt auch durch das neue Tigerschutzgebiet, das den Umweltschützern zufolge höchste Aufmerksamkeit seitens der Behörden verdient. Obwohl 1980 ein strenges Forstschutzgesetz und 1986 ein Umweltgesetz verabschiedet wurden, wurden keine Anstalten unternommen, die Industriebetriebe zu einem Standortwechsel zu verpflichten.

Die Papierindustrie bedroht auch die Lebensgrundlagen zahlreicher Menschen in Dandeli, die auf sauberes Flusswasser angewesen sind. (Ende/IPS/ck/2011)


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http://ces.iisc.ernet.in/
http://www.madrascrocodilebank.org/cms/
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Dezember 2011