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ARTENRAUB/040: Südafrika - Atlantik-Langusten unter Klimastress - Fischerinnen-Initiative alarmiert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. Dezember 2011

Südafrika:
Atlantik-Langusten unter Klimastress - Fischerinnen-Initiative ist alarmiert

von Lee Middleton


Ocean View, Südafrika, 14. Dezember (IPS) - In der Atlantik-Fischergemeinde Ocean View, rund 40 Kilometer von Kapstadt entfernt, beobachten Langustenfischerinnen mit Besorgnis, dass sie in der Fangsaison zwischen Juni und November immer weniger der geschätzten Krustentiere in ihren Ringnetzen haben. Sie fordern von der zuständigen Behörde eine Verlängerung der Fangsaison mit ihren streng kontrollierten Quoten.

Die im Verband südafrikanischer Fischerinnen (SAFWA) organisierten Frauen halten den Klimawandel, veränderte Wassertemperaturen, schweren Seegang und eine Verschiebung der Reproduktionsphase der Langusten für die Ursache ihrer geringeren Fänge. Auch die Qualität der Tiere habe sich verändert. Sie seien noch nicht ausgereift und ließen sich schlechter verkaufen, klagen sie.

In Ocean View leben überwiegend so genannte Farbige (Coulered People), die die rassistische Apartheid-Regierung in den 60er Jahren zwangsweise umgesiedelt hatte. Sie ernähren sich vom Fischfang, und der war zunächst reine Männersache - bis 1999 Sahra Luyt die südafrikanische Vereinigung der Fischerfrauen gründete.

20 Jahre lang war sie zusammen mit ihrem Mann im Auftrag eines Unternehmens zum Langustenfang aufs Meer gefahren, bevor sie beschloss, ihre Kolleginnen in einer eigenen Gruppe zu organisieren. Inzwischen zählt SAFWA um die 70 Mitglieder im Alter zwischen 28 und 52 Jahren. Anfangsschwierigkeiten mit der männlichen Konkurrenz sind inzwischen behoben. "Wir haben uns durchgesetzt", berichtete Luyt.


Rückgang der Langustenbestände

Die Frauen fahren mit eigenen Motorbooten und Ringnetzen aufs Meer und fischen in Küstennähe nach Langusten. Pro Saison dürfen gewerbsmäßige Fischer und Fischerinnen 600 bis 800 Kilogramm der Krustentiere fangen. Ein lebendes Exemplar bringt pro Kilo umgerechnet bis zu 20 US-Dollar ein. In Restaurants zahlt man für ein Kilo Languste 60 Dollar.

Doch die Fänge fallen in den letzten Jahren weniger reichlich aus. "Auch an früher ergiebigen Stellen finden wir heute nur noch wenige Tiere", berichtete Luyt. "Zudem schlägt das Wetter oft in Sturm um, so dass wir abbrechen und schleunigst an Land zurückkehren müssen."

Die Fischereibehörde MRM hat die Bitte der Fischerinnen um eine Verlängerung der Fangsaison für Langusten abgelehnt. "Es besteht kein Zweifel an den ökologischen Veränderungen, die wir hier beobachten", erklärte MRM-Direktor Johann Augustyn. "Doch ein Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und dem Fischbestand lässt sich noch nicht ausreichend beweisen."


Afrikas Wissenschaft im Rückstand

In zahlreiche internationale Studien wie die, die Eward Allison vom 'World Fish Center', einem unabhängigen Forschungsinstitut, 2009 leitete, ist es gelungen, die Auswirkungen des Klimawandels auf die Fischerei weltweit nachzuweisen und Präventivmaßnahmen für die Bewirtschaftung der Meeresressourcen zu fordern. Doch für Afrika fehlen derartige Untersuchungen.

"Hier ist die Wissenschaft einfach noch nicht so weit, wir müssen sie erst aufbauen", bestätigt Tabeth Chiuta, Regionaldirektorin des Zentrums. "Wir sind auf globale Einschätzungen angewiesen, und die lassen sich nicht auf die Beobachtungen der lokalen Fischerfrauen reduzieren. Auch das Überfischen könnte ein Grund für den von den Fischerinnen beobachteten Rückgang der Fänge sein."

Doch den zehn Millionen afrikanischen Familien, die wie die Fischerfrauen von Ocean View vom Fischfang leben, läuft die Zeit davon. Sie können nicht darauf warten, bis die Wissenschaft auf ihrem Kontinent aufgeholt hat. "In Afrika sind 15 Prozent der arbeitenden Bevölkerung in der Fischwirtschaft beschäftigt", betonte Chiuta.


Nachhaltige Bestandserhaltung angemahnt

Auch Kim Prochazka, Leiterin der Forschungsabteilung von MRM, erkennt die aktuelle Brisanz des Problems. "Was wir auf dem gesamten Kontinent brauchen, sind pragmatische Ansätze wie eine nachhaltige Bestandserhaltung und ein insgesamt verbessertes Ökosystem sowie den Aufbau von Fischzuchten, um einem drohenden Nahrungsmittelmangel vorzubeugen", sagte sie.

Inzwischen haben Wissenschaftler des MRM festgestellt, dass der Bestand an Langusten an der Westküste so klein ist wie nie zuvor und keine Verbesserung in Sicht ist. Seitdem der Langustenfang in großem Umfang begonnen hat, sind von deren Bestand noch ganze 3,5 Prozent übrig geblieben. "Hauptursache ist die Ausplünderung der Vorkommen, und die kann nicht dem Klimawandel angelasten werden. Dafür sind wir selbst verantwortlich", stellte Prochazka fest.

Diese Erkenntnis ist für die Fischerin Rita Francke, die in Ocean View als allein stehende Mutter drei Kinder durchbringen muss, wenig hilfreich. Nach Jahren ohne regelmäßige Arbeit hatte ihr Sahra Luyt das Fischen beigebracht. Jetzt macht sie sich Sorgen um ihre Zukunft: "Wenn die Fischerei nichts mehr einbringt, werde ich mich nach einem anderen Job umsehen müssen. Vielleicht arbeite ich dann als Putzfrau." (Ende/IPS/mp/2011)


Links:
http://www.worldfishcenter.org
http://www.thecommonwealth.org
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=106195

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Dezember 2011