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ASIEN/015: China - Grüne Mauer gegen Erosion und Klimawandel, Pflanzpflicht für alle über elf (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. September 2010

CHINA: Grüne Mauer gegen Erosion und Klimawandel - Pflanzpflicht für alle über elf

Von Mitch Moxley


Peking, 27. September (IPS) - China hat eine neue Mauer - die 'Grüne Mauer'. Mit einem Waldgürtel will die kommende Weltmacht nicht nur das Vordringen der Wüsten und Steppen, sondern auch den mitverschuldeten Klimawandel aufhalten. Wie so vieles in China ist auch dieses Vorhaben ein Riesenprojekt, von oben verordnet und mit ehrgeizigen Planzielen verknüpft. Kritiker wenden ein, dass alles Bäumepflanzen nicht ausreicht, die Klimasünden des Riesenreichs und seiner weiter expandierenden Wirtschaft auszugleichen.

Gleichzeitig mit dem Abschied von der kommunistischen Planwirtschaft und dem Beginn von Chinas Aufstieg zur Wirtschaftssupermacht fasste die Führung in Peking den ehrgeizigen Plan, mit Hilfe aller Bürger Milliarden Bäume zu pflanzen. 1978 wurde das Projekt gestartet, drei Jahre später verabschiedete der Volkskongress eine Resolution, die es zur Pflicht jedes Chinesen ab dem 11. Lebensjahr erklärte, jedes Jahr mindestens drei Bäume zu pflanzen. Das taten die Chinesen auch: 56 Milliarden Bäume waren es allein im vergangenen Jahrzehnt, und so konnte die Kommunistische Partei jetzt das Ziel für erreicht erklären, 20 Prozent des Staatsgebiets zu bewalden.


"Größtes Begrünungsprogramm"

In 40 Jahren sollen es über 42 Prozent sein, dann hätte China 400 Millionen Hektar Neuwald. Der ehemalige US-Vizepräsident und Nobelpreisträger Al Gore macht die Rechnung auf, dass China zweieinhalb Mal so viele Bäume im Jahr pflanzt wie der Rest der Welt zusammen. Das sei "das größte Begrünungsprogramm, das die Welt je gesehen hat".

Es ist Teil der Bemühungen Chinas, die Auswirkungen des Klimawandels abzufedern, den es selbst mit zu verantworten hat. 2007 überholte China die USA als größten Produzenten von Kohlenstoffen. Diese zweifelhafte Führungsposition wird die Volksrepublik kaum aufgeben, denn die Wirtschaft des Landes wächst weiter.

Zwar wird viel in saubere Technologie investiert und tausende umweltverpestende Fabriken sollen geschlossen werden, aber Kritiker werfen der Führung in Peking vor, die Reformen im Kriechgang anzugehen und sich nicht viel um internationale Standards zu scheren. Sie sehen die Aufforstung eher als Kosmetik.


Wüsten stoppen, Kohlenstoff absorbieren

Fürsprecher des Programms weisen hingegen auf das Erreichte hin. Die neuen Wälder hätten das Vordringen der Wüsten im Norden und Westen des Landes gestoppt. Zudem, sagen chinesische Experten, die neu angelegten schnell wachsenden Wälder absorbierten Kohlenstoff effizienter als alter, langsam wachsender Bestand. Davon hat China ohnehin nicht mehr viel.

Die Regierung nutzt die 'Grüne Mauer' zunehmend als Propagandainstrument, wenn es um ihre Anstrengungen im Kampf gegen den globalen Klimawandel geht. Jedes Jahr im Frühling brechen rund drei Millionen Parteimitglieder, Beamte und "vorbildliche Arbeiter" aufs Land auf und pflanzen in groß orchestrierten Kampagnen Setzlinge.

Im April dieses Jahres machte auch Staatspräsident Hu Jintao mit und pflanzte in Peking seine Bäume, begleitet von zwei Millionen Mitbürgern, wie die staatliche 'Volkszeitung' schrieb.


Auch neue Bäume brauchen knappes Wasser

Wald ist in den Augen vieler Kritiker nicht gleich Wald. In den neu angelegten Forsten lebten kaum Tiere, sagen sie und der Bestand sei von minderwertiger Qualität. Professor Jiang Gaoming, Botaniker an der chinesischen Akademie der Wissenschaften, weist auf den oft schwer zu deckenden Wasserbedarf der Bäume hin. Vielfach würden keine heimischen Baumarten gepflanzt, die aber für das Aufhalten der Wüsten wesentlich wichtiger seien.

Auch im Kampf gegen den Klimawandel könnten die neuen Bestände nicht erste Wahl sein, wie eine gemeinsame Studie von Wissenschaftlern der University of Oklahoma und der Fudan-Universität in Schanghai nahelegt. Wo alte Bestände durch neue ersetzt werden, so die Forscher, würden Kohlenstoffe schlechter gebunden. Das gelte auch für Aufforstungen auf Weideland: Der Boden speichere danach weniger Kohlenstoff, das Treibhausgas Methan werde ebenfalls schlechter aufgenommen.

Jiang Fengguo, Leiter einer Umweltstation in der Inneren Mongolei, sieht durchaus Erfolge im Kampf gegen die Wüste mithilfe der Grünen Mauer. Gleichzeitig macht er sich Gedanken über das biologische Gleichgewicht, inklusive der Auswirkungen auf die Tierwelt. Er ist sich nicht sicher, dass die 'Grüne Mauer' ausreicht. Auch mit dem Waldgürtel werde es Probleme geben, ist er überzeugt. "Die Landverödung ist nicht gebannt und die Zerstörung der Umwelt durch die Mauer nicht umgekehrt worden." (Ende/IPS/sv/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. September 2010