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ATOM/039: Europäische AKWs fallen durch Stresstest (DNR EU)


Deutscher Naturschutzring (DNR)
Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände
EU-Koordination

EU-News - Donnerstag, 04. Oktober 2012 / Klima & Energie

Europäische AKWs fallen durch Stresstest



Fast alle 134 Reaktoren der 68 europäischen AKWs weisen Sicherheitsmängel auf. Dies geht aus dem Abschlussbericht des Stresstests der EU-Kommission hervor, den EU-Umweltkommissar Oettinger heute offiziell in Brüssel vorstellt.

Defizite bestehen besonders bei der Umsetzung der Leitlinien der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) für schwere Unfälle. Manche Staaten hatten noch nicht einmal die Sicherheitsstandards umgesetzt, die nach den Atomkatastrophen in Three Mile Island in den USA 1979 und in Tschernobyl 1986 vereinbart wurden. Verbesserungsbedarf herrscht auch bei der Kalkulation von Flut- und Erdbebenrisiken: zehn der insgesamt 134 Reaktoren haben gar keine seismischen Geräte installiert. In vier der Reaktoren wäre bei Stromausfall deren Kühlung maximal eine Stunde gesichert. Allerdings haben vier Länder zusätzliche Sicherheitssysteme unabhängig der Normalen installiert.

Nun sind Nachrüstungen in die Sicherheit der AKWs erforderlich. Diese werden die europäischen Energiekonzerne in den kommenden Jahren insgesamt zwischen zehn und 25 Milliarden Euro kosten. Bis Ende des Jahres sollen die Mitgliedstaaten Aktionspläne aufstellen, wie die Mängel behoben werden können. 2014 will die Kommission dann einen Bericht über die Verwirklichung vorlegen.

Der Abschlussbericht hat gezeigt, dass zu große Unterschiede zwischen den Sicherheitsstandards der einzelnen Länder bestehen. Da der Bericht die Mitgliedstaaten jedoch zu keinerlei Maßnahmen verpflichten kann, will die EU-Kommission in Zukunft ihre Befugnisse stärken, EU-weite Sicherheitsstandards erarbeiten und eine einheitliche Überwachung von AKWs unabhängig von nationalen Aufsehern durchsetzen.

Bei der Durchführung der Stresstests, die im Zuge der Atomkatastrophe in Fukushima in Angriff genommen wurden, stießen die Prüfer auf zum Teil erheblichen Widerstand der Betreiber. Das führte dazu, dass der Bericht nicht wie ursprünglich angekündigt im Sommer veröffentlicht wurde. Außerdem konnten nur 24 der insgesamt 68 AKWs besucht werden.

Oettinger zeigte sich mit der allgemeinen Situation zufrieden, mahnte aber, dass es keinen Spielraum für Nachlässigkeiten gäbe. Umweltschutzorganisationen und die Grünen kritisierten den Test von Anfang an als unzureichend, da er wichtige Punkte ausließ. Nicht überprüft wurden Evakuierungspläne oder die Verkettung von Naturkatastrophen, wie es beispielsweise mit der Flutwelle in Fukushima der Fall war. Auch die Risiken bei Flugzeugabstürzen waren nicht in den Tests enthalten. Überdies wurde nicht geprüft, wie die Anlagen auf Terrorangriffe vorbereitet sind. Dass jetzt Investitionen in Milliardenhöhe notwendig sind, würde zeigen, dass sich Atomkraft finanziell nicht mehr lohnen würde, und dass die besonders unsicheren AKWs in Europa abgeschaltet werden müssten.

Auf dem nächsten EU-Gipfel am 18. und 19. Oktober will die EU-Kommission den Staats- und Regierungschefs die Ergebnisse der Tests zur Verfügung stellen. Außerdem wird sie Empfehlungen aussprechen, wie die Sicherheit verbessert werden kann, bevor die Ergebnisse dann an die Öffentlichkeit gehen. [uk]

Unveröffentlichter Bericht
http://www.taz.de/fileadmin/static/pdf/stresstest.pdf

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Quelle:
EU-News, 04.10.2012
Deutscher Naturschutzring e.V. (DNR)
EU-Koordination
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E-Mail: eu-info@dnr.de
Internet: www.eu-koordination.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Oktober 2012