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ATOM/077: Bohunice A1 - Der vergessene Reaktorunfall in der Slowakei (Strahlentelex)


Strahlentelex mit ElektrosmogReport
Unabhängiger Informationsdienst zu Radioaktivität, Strahlung und Gesundheit
Nr. 734-735 / 31. Jahrgang, 3. August 2017 - ISSN 0931-4288

Atomkatastrophen
Bohunice A1
Der vergessene Reaktorunfall in der Slowakei

von Thomas Dersee


Neben Windscale/Sellafield, Harrisburg, Tschernobyl und Fukushima gab es noch eine weitere, weitestgehend unbeachtete Atomkatastrophe. Sie ereignete sich am 22. Februar 1977 im heute slowakischen Atomreaktor Bohunice A1. Darauf machte Manfred Kriener in der deutschen Ausgabe der Zeitschrift Le Monde diplomatique vom Juni 2017 aufmerksam.

Die Folgen dieses schweren Unfalls sind noch immer nicht bewältigt, Stilllegung und Abriss der Reaktorruine kommen nicht voran, schreibt Kriener. Es fehle an Fachleuten, an Geld, an Kenntnissen; die Atomwerker würden immer wieder von der Wirklichkeit überrascht.

Schuld an der Atomkatastrophe sei der Parteitag der Kommunistischen Partei 1977 gewesen, heißt es. Der Reaktor Bohunice A1 ist ein sogenannter Druckröhrenreaktor, bei dem die Brennelemente nicht zusammen in einem Druckbehälter, sondern einzeln in Röhren stecken. Er war kurz vor dem Unfall auf Minimalleistung zurückgefahren worden, um neues Brennmaterial zuzuladen. Die neuen Brennstäbe, die zur Trockenhaltung auf Silicagel liegen, wurden vor dem Beladen aus Zeitgründen nicht ordnungsgemäß davon gesäubert, denn pünktlich zum Parteitag sollte der Reaktor der Firma Skoda wieder im Volllastbetrieb laufen. Beutel platzten und verstopften die Zufuhr der Kühlflüssigkeit. Es kam zu Überhitzungen und zur teilweisen Kernschmelze, wird berichtet. Der Vorzeigereaktor, der die Unabhängigkeit vom großen Bruder Sowjetunion demonstrieren sollte, war nach viereinhalb Jahren, in denen er rund zwei Jahre lang Strom lieferte, ein strahlendes Milliardengrab geworden.

Am 12. Mai 1991 stürzte zudem ein Verladekran in sich zusammen, als die Arbeiter versuchten, noch bewegliche Brennstäbe aus dem teilweise geschmolzenen Reaktorkern zu entfernen. Dabei fielen hochradioaktive Trümmer und Brennmaterial in die Reaktorhalle und hochradioaktive Kühlflüssigkeit überschwemmte die Anlage und gelangte ins Grundwasser. Auch darüber wird bis heute geschwiegen.

Das Ende der Aufräumarbeiten war ursprünglich für 2033 versprochen worden. Inzwischen ist davon auszugehen, daß sich die Abrissarbeiten über das Jahr 2050 hinaus hinziehen werden.


Der Artikel ist auf der Website des Strahlentelex zu finden unter
http://www.strahlentelex.de/Stx_17_734-735_S10-11.pdf

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Quelle:
Strahlentelex mit ElektrosmogReport, August 2017, Seite 10 - 11
Herausgeber und Verlag:
Thomas Dersee, Strahlentelex
Waldstr. 49, 15566 Schöneiche bei Berlin
Tel.: 030/435 28 40, Fax: 030/64 32 91 67
E-Mail: Strahlentelex@t-online.de
Internet: www.strahlentelex.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Oktober 2017

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