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ARTENSCHUTZ/171: Letzte Chance für Sumatra-Nashörner (WWF magazin)


WWF magazin, Ausgabe 1/2015
WWF Deutschland - World Wide Fund For Nature

Letzte Chance für Sumatra-Nashörner

von Susanne Gotthardt, WWF


Nach jüngsten Schätzungen existieren nur noch etwa 100 Sumatra-Nashörner weltweit. Um die Art zu retten, verstärkt der WWF Schutzmaßnahmen und unterstützt auch die künstliche Befruchtung der Tiere.


Noch 1984 lebten mehrere Hundert Exemplare in der Wildnis. Heute gehört das Sumatra-Nashorn zu den Säugetierarten der Welt, die akut vom Aussterben bedroht sind. Die Aussichten sind düster.

Das liegt zum einen daran, dass das Sumatra-Nashorn ein ganz besonderes Tier ist, ein Relikt aus Urzeiten. Es ist die einzige Nashornart, die ein, wenn auch schütteres, Haarkleid trägt. Damit wird ihnen in ihrem tropischen Lebensraum schnell zu warm. Um sich abzukühlen, suhlen sich Sumatra-Nashörner gerne mehrere Stunden am Tag im Schlamm.

Zum anderen wurden die Tiere jahrhundertelang intensiv gejagt. Als einzige Nashornart Asiens besitzt das Sumatra-Nashorn zwei Hörner, die ihm zum Verhängnis wurden. Mittlerweile ist aber nicht mehr die Jagd die größte Bedrohung für Sumatra-Nashörner, sondern ihre viel zu kleine Population. An vielen Orten finden die Tiere keine Partner mehr, um sich fortzupflanzen. Nur noch drei Bestände mit höchstens einigen Dutzend Tieren sind auf Sumatra bekannt, ein kleineres Vorkommen gibt es noch auf Borneo.

Die Letzten ihrer Art

In Sabah, dem malaysischen Bundesstaat auf Borneo, hat man damit begonnen, alle Sumatra-Nashörner des Landes - insgesamt vermutlich höchstens zehn Tiere - einzufangen und im Borneo Rhino Sanctuary an der Ostküste freizulassen. Es ist ein Wildtiergehege und liegt innerhalb des Tabin-Wildreservats. Die Artenschützer hoffen, dass sie sich dort besser fortpflanzen als in freier Wildbahn. Inzwischen leben drei Tiere in dem Gehege: der Nashornbulle Tam und die beiden Nashornkühe Puntung und Iman. Die Suche nach weiteren Nashörnern läuft weiter, aber schon lange ist man auf keine Spuren mehr gestoßen. Noch schlimmer ist, dass alle drei Nashörner nur eingeschränkt fruchtbar sind. Besonders tragisch ist die Situation beim Nashornweibchen Iman, das erst im März 2014 eingefangen wurde. Anfangs gab es Anzeichen, dass es trächtig ist. Der WWF ermöglichte, dass Tierärzte des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) nach Sabah reisten, um das Tier zu untersuchen.

Doch was die weltweit renommierten Experten dank modernster Technik herausfanden, war erschreckend: Kein Fötus wuchs in der Nashorn-Dame, sondern ein riesiger Tumor. Eine traurige Nachricht, doch Experten warnen schon länger vor einem Problem. Isoliert lebende Sumatra-Nashörner werden häufig unfruchtbar. Daher wird das Aussterben der Sumatra-Nashörner wahrscheinlich nicht mehr allein durch den Schutz wild lebender Tiere verhindert werden können. Schon das Java-Nashorn ist trotz Schutzmaßnahmen auf dem asiatischen Festland ausgestorben.

Vielmehr ist eine Kombination aus dem Schutz stabiler Populationen in der Wildnis und einer Stützung der Bestände durch Nachzucht notwendig. Bei anderen fast ausgestorbenen Tierarten wie dem Wisent oder dem Przewalski-Pferd gelang es bereits, den Bestand durch ein internationales Zuchtprogramm wieder zu vermehren und Tiere erfolgreich auszuwildern. Die Erfahrung in Sabah zeigt, dass auch Sumatra-Nashörner ohne Schaden in der Wildnis gefangen, umgesiedelt und in menschlicher Obhut gehalten werden können.

Genpool für die Nashorn-Zucht

Allerdings ist bei den Sumatra-Nashörnern die eingeschränkte Fruchtbarkeit eine besondere Herausforderung. Mit der modernen Veterinärmedizin eröffnen sich aber neue Chancen, um ihr Aussterben noch zu verhindern.

Die Regierung in Sabah hat deshalb nicht nur dem Einfangen der letzten Nashörner zugestimmt, sondern auch die künstliche Befruchtung der beiden Weibchen erlaubt - auch wenn bei Iman wegen des Tumors eine Schwangerschaft eher unwahrscheinlich ist.

Sabahs Regierung ist außerdem einverstanden, die neuen Methoden moderner Reproduktionsmedizin zu nutzen. So werden von den Nashörnern Gewebeproben entnommen, um einen Genpool aufzubauen für den - hoffentlich nicht eintretenden - Fall, dass es nicht gelingen sollte, mit den vorhandenen Tieren Nachkommen zu züchten. Aus Gewebeproben lassen sich Stammzellen gewinnen, die für spätere künstliche Befruchtungen zur Verfügung stehen. Aus der 2014 in Sabah verstorbenen Nashorn-Dame Gelogob wurden zu diesem Zweck von Mitarbeitern des Leibniz-Instituts bereits Stammzellen gewonnen. Da es in Zoos weltweit kein einziges weibliches Sumatra-Nashorn mehr gibt, sollen befruchtete Eizellen eines Tages möglichst in eines der letzten Nashorn-Weibchen auf Sumatra eingesetzt werden.

Für eine Zusammenbringung und eine medizinische Betreuung der Tiere setzt sich der WWF auch in Indonesien ein, wo die meisten Sumatra-Nashörner leben. Der WWF Deutschland unterstützt deshalb den WWF Indonesien dabei, dass in den drei bekannten Nashorn-Gebieten auf Sumatra sowie in dem vom WWF 2013 auf Borneo (Kalimantan) neu entdeckten Vorkommen nicht nur die Größe der Populationen bestimmt wird (bisher gibt es nur Schätzungen), sondern auch deren Geschlechterzusammensetzung. Im Idealfall gelingt es, die Fortpflanzungsfähigkeit der Tiere zu ermitteln, um gegebenenfalls deren Vermehrung medizinisch zu unterstützen. Nach der Bestandsaufnahme empfiehlt der WWF, die Tiere ähnlich wie in Sabah in überwachbare Gebiete ("intensive management zones") zusammenzuziehen, um sie besser schützen zu können. Besonders alle isoliert lebenden Nashörner oder zu kleine Populationen (weniger als 15 Tiere) sollten eingefangen und ihre Fortpflanzung gezielt gefördert werden.

Die Politik muss handeln

Für diese länderübergreifende Artenrettung ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Naturschutzorganisationen, Forschungsinstitutionen wie dem IZW und Zoos erforderlich. Und die Unterstützung der indonesischen Regierung: Es muss politischer Konsens herrschen, diese Hilfen zuzulassen und ein Zuchtprogramm für Sumatra-Nashörner zu unterstützen. Deshalb drängt der WWF die politisch Verantwortlichen des Landes, rasch zu handeln. Denn nur wenn in den kommenden Jahren wieder ausreichend Jungtiere geboren werden, wird es auch künftig die außergewöhnlichen Sumatra-Nashörner auf unserer Erde geben.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Kuscheln ohne Folgen - Die Bestände des Sumatra-Nashorns sind mittlerweile so gering, dass Tiere in der Wildnis keinen Partner mehr zur Fortpflanzung finden. Zudem werden isoliert lebende Nashörner häufig unfruchtbar. Auf Borneo versucht man die Tiere nun in einem Reservat zu züchten. Doch die Zuchtversuche gestalten sich bislang schwierig. Artenschützer hoffen jetzt auf die moderne Reproduktionsmedizin.

Bittere Erkenntnis - Die Ultraschall-Untersuchung der Nashorn-Dame Iman ergab, dass statt eines Nashorn-Babys ein Tumor in ihrem Bauch heranwuchs.

Urvieh - Das bis zu 800 Kilogramm schwere Sumatra-Nashorn ist ein unangepasstes Lebewesen. Es trägt schon seit Urzeiten ein schütteres Haarkleid - trotz tropischer Temperaturen in seinem Lebensraum.

30 Nashörner - Gunung-Leuser-Nationalpark
30 Nashörner - Bukit-Barisan-Selatan-Nationalpark
30 Nashörner - Way-Kambas-Nationalpark
10 Nashörner - Sabah
05 Nashörner - Ostkalimantan

(Die Zahlen der Grafik geben ungefähre Schätzwerte wieder)

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Quelle:
WWF Magazin 1/2015, Seite 24 - 27
Herausgeber:
WWF Deutschland
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. April 2015

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