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ENERGIE/038: Bioenergie - als Alibi zu schade (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2012
Landwirtschaft - Da ist der Wurm drin?!

SCHWERPUNKT
Bioenergie - als Alibi zu schade

von László Maráz



Wie ehrlich wird die Debatte um die Energiewende und Rohstoffpolitik geführt? Blickt man auf die Veranstaltungen, Publikationen und Debatten der letzten Monate zurück, muss selbst bei Optimisten der Verdacht aufkommen, dass Biomasse im Wesentlichen für eine Fortsetzung unseres Lebensstils mit anderen Mitteln benutzt zu werden droht.

Neue Studien lösen einander ab und neue Zertifizierungssysteme schießen wie Pilze aus dem Boden. Viele Akteure propagieren Innovationen, mehr Effizienz und schwärmen von ungenutzten Potentialen. Doch eine Abkehr von unserem Lebensstil und Wachstumsfetischismus ist nicht zu beobachten. Dabei wäre nichts Geringeres als eine Umkehr dringender nötig als je zuvor, wenn wir die Erderwärmung auf maximal zwei Grad begrenzen wollen, ohne dafür andere Ziele zu opfern. Den Schutz der biologischen Vielfalt und das Recht der Menschen auf Ernährung, um nur zwei wichtige Beispiele zu nennen.


Biokerosin? Mehr Alibi als Lösung!

Am geplanten Einsatz von Biokerosin im Flugverkehr zeigt sich, welche Änderungen notwendig sind und mit welchen Maßnahmen nur geringe Wirkungen zu erzielen sind. Das Bundesumweltministerium (BMU) hatte Ende Februar zusammen mit dem Bundesverkehrsministerium zu einem Workshop eingeladen, an dem auch die Branchenvertreter teilnahmen. Biokraftstoffe werden nicht nur als Maßnahme gegen die steigenden Treibhausgasemissionen gesehen, sondern sie sollen auch als Ersatz für das knapper werdende fossile Kerosin entwickelt werden. Die Lufthansa hatte dazu auf der Strecke Hamburg-Frankfurt zahlreiche Flüge mit einem kleinen Anteil an Biokerosin durchgeführt und dabei eigenen Angaben nach etwas mehr als 1.100 Tonnen CO2-Emissionen eingespart, knapp eine Tonne pro Flug. Die Analyse des BMU zur aktuellen Situation zeigte, was das wert ist: Die CO2-Emissionen im Flugverkehr sind zwischen 1990 und 2009 um 94 Prozent angestiegen und haben damit Einsparungen beim PKW-Verkehr wieder zunichte gemacht. Auch die Prognosen einer Vervierfachung des Flugverkehrs zwischen 2009 und 2050 sind nicht gerade ermutigend für Klimaschützer. Damit musste allen klar sein, dass die von der Branche postulierten Ziele einer Halbierung der Emissionen keinesfalls erreichbar sind, wenn nicht drastische Änderungen erfolgen. Der Beitrag von Biokraftstoffen ist dabei praktisch vernachlässigbar, weil dadurch bestenfalls zwei Prozent der Emissionen vermieden werden könnten.

Als logische Konsequenz daraus müsste die Bundesregierung nun eigentlich die Verminderung des Flugverkehrs fordern. Doch die entsprechende Frage wurde von den Vertretern beider Ministerien einfach nicht beantwortet. Von einem Branchenvertreter war stattdessen nur die Aussage zu hören, dass man den Chinesen doch nicht das Fliegen verbieten könne. Und dies auf einer Veranstaltung, bei der es um Klimaschutz ging und bei der auch darüber informiert wurde, dass 40 Prozent des Weltflugverkehrs in Europa verursacht werden.

Vor diesem Hintergrund sind die Forderungen von Umweltverbänden, die den Einsatz von Biokerosin im Flugverkehr rundweg ablehnen, mehr als verständlich. Denn so sinnvoll es auch sein könnte, Biokraftstoffe im Rahmen einer ehrgeizigen Minderungsstrategie als zusätzliche Maßnahme einzusetzen, so kläglich mutet es an, wenn sich die Branche und politische Entscheidungsträger mit etwas Biokerosin im Tank noch länger vor der Verantwortung zu drücken versuchen.

Außerdem beanspruchen die Mengen an Jatrophaöl, die für die Herstellung großer Mengen Biokerosin benötigt würden, viel zu große Ackerflächen. Und da die Pflanze auf den kargen Ödlandstandorten kaum Erträge liefert, wäre die Konkurrenz zum Nahrungsmittelanbau unvermeidbar.

Oder wie Berry Nahdian Forqan, Exekutivdirektor der Indonesischen NGO WALHI, in seinem Vorwort zur Studie »Biokerosin - Take-Off in die falsche Richtung« [1] treffend beschreibt:

»Aber die Idee, dass der Einsatz von Biokerosin in der Luftfahrt ökologisch sein kann, ist ein gefährlicher Mythos. [...] Der einzige Lösungsansatz ist die Verringerung des Flugverkehrs, vor allem in Europa. Dies mag keine erfreuliche Botschaft für die Luftfahrtindustrie oder für Vielflieger sein, aber es wäre ein Segen für die ärmeren Menschen im Süden, die sowohl unter dem Klimawandel leiden, als auch vom Verlust an wertvollem Ackerland betroffen sind, das für die Produktion von Biosprit anstatt von Nahrungsmitteln benutzt wird.«

Holzverbrauch? Papiersparen als erster Schritt!

Nicht ganz so offensichtlich stellt sich die Situation bei einem anderen wichtigen Sektor der Biomasseverwendung dar. Dass es aber langsam knapp wird, lässt sich an den zunehmenden Spannungen zwischen den verschiedenen Holzverbrauchern ablesen. Sägewerke und Holzwerkstoffindustrie klagen schon lange über die einseitige Bevorzugung der energetischen Nutzung, bei der die Stromerzeugung über die das Erneuerbare Energien Gesetz gefördert wird. Doch auch die stoffliche Nutzung ist nur eine Art geringeres Übel. Denn schon bei der Herstellung von Spanplatten oder Zellstoff wird sehr viel Energie verbraucht. Und dass Holzverbrennung nicht nur die Treibhausgasemissionen verursacht, die für Ernte, Transport und Verarbeitung aufzuwenden sind, sondern dass die Wälder auch viele Jahrzehnte brauchen, um das CO2 wieder einzufangen, muss auch zu Abstrichen bei den Klimaschutzeffekten führen. Immerhin sind sich die meisten Akteure inzwischen einig, dass weniger Holz verbrannt werden sollte. Dass man insgesamt weniger Holz verbrauchen sollte, diese Forderung wird leider von den wenigsten Akteuren gestellt. Bei der Anhörung zur Waldstrategie im Deutschen Bundestag waren es nur Umweltverbände, die eine Einsparung, etwa beim Papierkonsum, gefordert haben.

Doch wenn die Halbierung des Papierverbrauches Wirklichkeit werden soll, die von den Organisationen gefordert wird, die die Papierwende unterstützen, müssen auch alle großen Umweltverbände dieses Ziel unterstützen. Bei über 240 Kilo Pro-Kopf-Verbrauch würde uns eine Halbierung des Verbrauches in Deutschland nur ein kleines Stück in Richtung Steinzeit führen. Genauer gesagt, ins Jahr 1975. Damals lag der Verbrauch bei etwa 125 Kilo und damit immer noch viel, viel höher als der globale Durchschnittsverbrauch, der heute bei 54 Kilo liegt. Immerhin wird heute jeder fünfte Baum für die Erzeugung von Papier und Pappe gefällt. Bei einer Einsparung der Hälfte könnten wir jeden 10. Baum wahlweise stehen lassen oder verbauen.

Der Autor ist Koordinator der Plattform »Nachhaltige Biomasse« und der AG Wald des Forums Umwelt und Entwicklung.

[1] http://milieudefensie.nl/publicaties/rapporten/biokerosene-take-off-in-thewrong-direction


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2012, Seite 22-23
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Mai 2012