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ERNÄHRUNG/009: Ernährungssicherheit dank Würmern, Termiten und Mikroben (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 24. Oktober 2012

Umwelt: Ernährungssicherheit dank Würmern, Termiten und Mikroben - Experten fordern Schutz der Böden

von Manipadma Jena


Kleinbauern kehren zu organischen Düngemitteln zurück - Bild: © Manipadma Jena/IPS

Kleinbauern kehren zu organischen Düngemitteln zurück
Bild: © Manipadma Jena/IPS

Hyderabad, Indien, 24. Oktober (IPS) - Würmer und Termiten sind nicht gerade die Lieblingstiere der Menschen. Doch zusammen mit Flechten und Mikroben tragen sie entscheidend zur Ernährungssicherheit der Weltbevölkerung bei. Darauf haben Teilnehmer der letzten UN-Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über biologische Vielfalt (CBD) im indischen Hyderabad hingewiesen.

"Würmer, Termiten, Flechten und Bodenmikroben sind die eigentlichen Helden der Nahrungsmittelproduktion. Ohne diese Arten würde die Artenvielfalt der Böden zugrunde gehen und die Nahrungsmittelproduktion zusammenbrechen", sagte Julia Marton-Lefèvre, Generaldirektorin der Weltnaturschutzbundes (IUCN), im IPS-Gespräch.

"In dieser Zeit der erbitterten Konkurrenz um politische Aufmerksamkeit und Ressourcen lässt sich die Landverödung nur schwerlich als Thema verkaufen, das dringend zum Handeln zwingt", so Marton-Lefèvre. "Sie bedroht jedoch die Nahrungsmittelproduktion und Artenvielfalt der kommenden Jahrzehnte und betrifft 1,5 Milliarden (arme) Menschen."

Der Schutz der ökologischen Fundamente, die die Nahrungsmittelproduktion stützen, werde angesichts der Herausforderung, bis 2050 eine Weltbevölkerung von sieben Milliarden Menschen ernähren zu müssen, die zentrale Aufgabe sein, heißt es in einer in Hyderabad veröffentlichten Studie des UN-Umweltprogramms (UNEP) 'Avoiding Future Famines: Strengthening the Ecological Basis of Food Security through Sustainable Food System'.

"Böden sind keine leeren Behälter, wie moderne Landwirte meinen. Land ist ein lebender Organismus", sagte die renommierte indische Umweltschützerin Vandana Shiva. Erdwürmer seien in der Lage, Dämme zu bauen, den Sauerstoffgehalt der Böden um 30 Prozent zu steigern und die Wasserrückhaltekapazitäten um 40 Prozent zu erhöhen und somit das Leben in den Böden zu gewährleisten.


Gefördert, was zerstört

"Doch leider schätzen wir ineffiziente Systeme wie chemikalienintensive Monokulturen höher ein und vergessen den Wert und die Leistung der Böden, die alles hervorbringen, was die Menschheit braucht. Wir schalten die natürliche Anbaumethode aus, die uns Getreide, Feuerholz und Viehfutter liefert", sagte Shiva gegenüber IPS. Die indische Regierung gebe Milliarden Dollar für chemischen Dünger aus und ignoriere die Tatsache, dass die Lösung von Hunger und Armut in der Aufrechterhaltung der Artenvielfalt liege, die durch die chemische Landwirtschaft zerstört werde.

"Die Landdegradierung wurde durch eine verfehlte Investitionspolitik verursacht. Nun müssen wir unsere Sicht auf das Land verändern", sagte Luc Gnacadja, Exekutivsekretär der UN-Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung.

Auf der CBD-Vertragsstaatenkonferenz vom 8. bis 19. Oktober hatten sich die Industriestaaten bereit erklärt, die Hilfen für die Entwicklungsländer zum Schutz der Biodiversität bis 2015 auf zehn Milliarden US-Dollar jährlich zu verdoppeln, damit diese die bis 2020 international vereinbarten Artenvielfaltsziele erreichen können.

Auf der Konferenz in Hyderabad wurden vor allem höhere Investitionen für den Schutz der Artenvielfalt in Meeren und Küstengebieten beschlossen. Doch nach Ansicht von Experten ist es wichtig, mehr für die Artenvielfalt der Böden und der Landwirtschaft zu tun. Schließlich gehe es um die Gewährleistung der Ernährungssicherheit.

"Im letzten Jahrhundert wurden in vielen Ländern 70 bis 80 Prozent der Wälder für die Landwirtschaft gerodet. Wir müssen diesen Trend nun umkehren und sicherstellen, dass wir die Landwirtschaft in einer Weise revitalisieren, dass die Böden gesunden können", betonte Gnacadja.


Grenzen der Ausbeutung erreicht

"Die Ära der scheinbar ewigen Produktivität, die auf einer Maximierung der Inputs wie Dünger und Pestizide beruht, die Übernutzung der Frischwasservorräte und die mit der Mechanisierung der Landwirtschaft in Verbindung gebrachten Fortschritte haben eine Grenze erreicht, wenn dies nicht schon längst der Fall war", sagte UNEP-Exekutivdirektor Achim Steiner. "Die Welt braucht eine grüne Revolution - das G großgeschrieben."

Wissenschaftler weisen darauf hin, dass Artenreichtum und Variabilität von Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen für eine nachhaltige Funktionsweise des Ökosystems entscheidend sind. Um ein Beispiel zu nennen: So interagieren verschiedene Bodenorganismen mit den Wurzeln von Pflanzen und Bäumen und stellen somit den Nährstoffkreislauf sicher.

"Der Umwelt kommt in der Diskussion über Ernährungssicherheit meist eine untergeordnete Rolle zu", sagte der UNEP-Chefwissenschaftler Joseph Alcamo. "Bisher sind es allein die Forscher, die die Lage realistisch einschätzen und zeigen, dass die ökologische Grundlage des Ernährungssystems nicht nur angegriffen ist, sondern regelrecht ausgehöhlt wurde."

"Derzeit verschwinden jedes Jahr zwölf Millionen Hektar Land, auf dem 20 Millionen Tonnen Getreide angebaut werden könnten", so Marton-Lefèvre. Es sei kein Zufall, dass Artensterben, Klimawandel und der sinkende Stickstoff- und Phosphatgehalt der Böden mit Landnutzungspraktiken verbunden seien.

"Um eine landdegrationsneutrale Welt zu schaffen, bedarf es eines Paradigmenwechsels, sagte Gnacadja. Die Degradierung von Land müsse verhindert werden. Sollte dies nicht möglich sein, müsse als Ausgleich ebenso viel Land wieder instand gesetzt werden - "idealerweise in der gleichen Umgebung, der gleichen Gemeinschaft und im gleichen Ökosystem". (Ende/IPS/kb/2012)


Links:

http://www.cbd.int/
http://www.google.de/search?q=voiding+Future+Famines%3A+Strengthening+the+Ecological+Basis+of+Food+Security+through+Sustainable+Food+System&rls=com.microsoft:de:IE-SearchBox&ie=UTF-8&oe=UTF-8&sourceid=ie7&rlz=1I7GGLL_de&redir_esc=&ei=mb-HUMqtFY2PswbX0YDQAg
http://www.ipsnews.net/2012/10/worms-termites-microbes-offer-food-security/

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IPS-Tagesdienst vom 24. Oktober 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Oktober 2012