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GENTECHNIK/010: Indien - Gesetz soll zivilgesellschaftlichen Widerstand gegen Genbananen brechen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. Juni 2013

Indien: Auf dem Weg zur 'Genbananenrepublik' - Gesetz soll zivilgesellschaftlichen Widerstand brechen

von Ranjit Devraj



Neu-Delhi, 17. Juni (IPS) - In Indien ist es Umwelt- und Ernährungssicherheitsaktivisten bislang erfolgreich gelungen, die Einführung von genetisch manipulierten Saaten und Nahrungspflanzen zu verhindern. Doch mit Hilfe eines Gesetzes soll ihr Widerstand nun gebrochen werden.

Der von der Indischen Biotechnologieregulierungsbehörde (BRAI) im April eingebrachte Entwurf sieht vor, die Genehmigungsverfahren für Biotechnologie- und Agrobusiness-Projekte in dem südasiatischen Agrarland zu erleichtern. 70 Prozent der 1,1 Milliarden Inder sind in der Landwirtschaft tätig.

"Der Widerstand der Bevölkerung gegen die Einführung von Genfood ist das Ergebnis der von den zivilgesellschaftlichen Gruppen organisierten Aufklärungskampagnen", erläuterte Devinder Sharma vom Forum für Biotechnologie und Ernährungssicherheit. "Derzeit gehen wir gegen Pläne zur Einführung australischer Genbananen vor."

Sollte das BRAI-Gesetz gebilligt werden, müssen sich die Organisatoren solcher Aufklärungskampagnen auf harte Strafen gefasst machen. Sharma zufolge werden alle, "die ohne Beweise oder bar jeder wissenschaftlicher Grundlage irreführende Informationen über die Sicherheit von Organismen und Produkten öffentlich verbreiten", mit Gefängnisstrafen und Bußgeldern rechnen müssen.

Suman Sahai leitet die 'Gen-Kampagne', eine Organisation, die sich für den Schutz genetischer Ressourcen und indigenen Wissens einsetzt. Wie sie kritisiert, wurde die Gesetzesvorlage ins Parlament eingebracht, ohne die vielen weltweit gesammelten Warnungen vor den Sicherheitsrisiken von Gen-Nahrungsmitteln zu berücksichtigen.


Magenschleimhautentzündungen bei Schweinen

Derzeit befassen sich indische Aktivisten mit einem neuen Bericht von Judy Carmen, Wissenschaftlerin an der 'Flinders University' im australischen Adelaide, der unlängst im 'Organic Systems Journal' veröffentlicht wurde. Demnach wurden bei Schweinen, die mit Genmais und Gensoja gefüttert worden sind, Magenschleimhautentzündungen festgestellt.

"Das neue Gesetz dient nicht der Regulierung, sondern den Interessen der Nahrungsmittelkonzerne, die in Indien riskante Technologien einführen wollen, die die Rechte der Bauern und Verbraucher missachten", sagte Sahai. "Es ermächtigt die Behörden, jeden Widerstand gegen die Gentechnologie zu ersticken und Kritiker zu kriminalisieren."

Im letzten Monat haben führende Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wie die 'Initiative für Gesundheit und gesellschaftliche Gleichheit, 'Azadi Bachao Andolan' und die Kampagne zur Rettung der Honigbienen gegen die Einführung von Genbananen in Indien protestiert. Diese Gruppen wollen ein Abkommen zwischen der Technologie-Universität in Queensland (QUT) und der indischen Biotechnologiebehörde zum Anbau von Genbananen in Indien rückgängig machen.

Nach Ansicht von Vandana Shiva, Leiterin der Artenschutzorganisation 'Navdanya' und eine der vehementesten Genkritiker des südasiatischen Landes, gefährden solche Experimente, durch die ganz allmählich diverse Pflanzenarten durch einige wenige patentierte Monokulturen ersetzt werden, die Biodiversität, Saatgutsouveränität, indigenes Wissen und die öffentliche Gesundheit des Subkontinents. Sie sieht "einflussreiche Männer an entfernten Orten, die von dem Artenreichtum auf unseren Feldern keine Ahnung haben", am Werk, die den Bananenanbau in Indien mit Hilfe von Patenten kontrollieren wollten. Indien produziert und konsumiert jährlich 30 Millionen Tonnen Bananen.

Ausgerechnet Indiens Nationales Bananenforschungszentrum NRCB, das das Erbgut von mehr als 200 Arten der krummen Frucht bewahrt, ist Partner des Genbananenprojekts. Weitere Partner sind das indische Gartenbau- Forschungsinstitut, das Bhabha-Atomforschungszentrum (BARC) und die Landwirtschaftliche Universität von Tamil Nadu.


Genbananen für die Armen

Angesichts eines solchen offiziellen Aufgebots fürchten die Gegner, dass Genbananen ihren Weg in die staatlich geführten Ernährungsprogramme finden. "Es besteht die Gefahr, dass Genbananen Bestandteil der Nahrungsmittel werden könnten, die im Rahmen des Kinderentwicklungs- und des Mittagessenprogramms ausgegeben werden", warnte Shiva.

Indiens Integriertes Kinderentwicklungsprogramm ICDS, das weltgrößte für frühkindliche Integration, existiert seit 1975. Es erreicht inzwischen 4,8 Millionen werdende und stillende Mütter und mehr als 23 Millionen Kinder unter sechs Jahren. Bananen sind integraler Bestandteil der Mahlzeiten, die in 40.000 Armenküchen ausgegeben werden.

James Dale vom QUT hat in einem Interview mit australischen Medien das Genexperiment als Chance begrüßt, die Müttersterblichkeit in Indien infolge von Eisenmangel zu verringern.

Untersuchungen des Internationalen Instituts für Bevölkerungswissenschaften in Mumbai zufolge sind in Indien mehr als die Hälfte aller Frauen und mehr als 55 Prozent aller schwangeren Frauen anämisch. Ein Viertel aller Fälle, in denen Frauen an den Folgen von Schwangerschaft oder Geburt sterben, wird auf Komplikationen infolge von Anämie zurückgeführt.


Mit Genbananen gegen Eisenmangel

Am 9. Mai 2012 hatte Dale in einem Interview mit dem australischen Rundfunk erklärt, dass weitere Teile der indischen Bevölkerung Vegetarier seien und die ausreichende Zufuhr von Eisen auf natürlichem Wege nicht gewährleistet werden könnte. "Indien ist der weltgrößte Hersteller von Bananen, von denen jedoch keine ausgeführt werden; alle werden im Land selbst konsumiert. So ist es nur vernünftig, den Eisengehalt in Bananen zu erhöhen und die armen Subsistenzbauern mit ihnen zu versorgen."

In dem Interview schloss Dale Risiken für die indischen Bananenarten aus, da die Genbananen steril und somit nicht in der Lage seien, sich weiter zu verbreiten. Doch Shiva zufolge verwenden australische Wissenschaftler ein Virus, das Bananen als Promotoren verwendet und über einen horizontalen Gentransfer verbreiteten könnte.

"Bei allen genetischen Mutationen spielen Gene von Bakterien und Viren eine Rolle, und Untersuchungen haben gezeigt, dass Gennahrungsmittel schwerwiegende Gesundheitsprobleme verursachen können", sagte sie und fügte hinzu, dass es alternative Methoden der Eisenversorgung gebe, zumal Indien der weltgrößte Obst- und Nahrungsmittelproduzent ist. "Nahrungsmittel wie Gelbwurz, Lotusstängel, Kokosnuss, Mango und Amarant enthalten Eisen. Es besteht also kein Bedarf, Bananen, die in Indien heilige Pflanzen sind, genetisch zu modifizieren", sagte Shiva.

Shiva zufolge versuchen Nahrungsmittelkonzerne mit vereinten Kräften wichtige Nahrungspflanzen in deren Herkunftsländern unter ihre Kontrolle zu bringen. "Wir haben gesehen, wie Genmais in Mexiko eingeführt wurde, und es gab den Versuch, Gen-Auberginen in Indien einzuführen."

Im Februar 2010 hatte der damalige Umweltminister Jairam Ramesh das Auberginenprojekt mit einem Moratorium zum Erliegen gebracht. Die Entscheidung galt als ein wichtiger Schritt, die Einführung von Gensaatgut und -nahrungsmitteln in Indien zu verhindern.

"Sollte das neue Gesetz das Parlament passieren, wäre es nur noch eine Frage der Zeit, bis sich Indien in eine Genbananenrepublik verwandeln wird ", warnte Devinder Sharma. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.downtoearth.org.in/content/pawars-daughter-panel-will-examine-biotechnology-bill
http://occupymonsanto360.org/blog/tag/judy-carman/
http://www.nrcb.res.in/
http://www.ipsnews.net/2013/06/india-goes-bananas-over-gm-crops/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 17. Juni 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juni 2013