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KLIMA/005: Geo-Engineering für den bedrängten Planeten - Forschungsmoratorium gefordert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. Oktober 2010

Klima: Geo-Engineering für den bedrängten Planeten - Moratorium gefordert

Von Stephen Leahy


Nagoya, Japan, 26. Oktober (IPS) - Teilnehmer der zehnten Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über biologische Vielfalt (CBD) haben in Japan ein Forschungsmoratorium für Geo-Engineering verlangt. Sie fürchten die Folgen der technischen Eingriffe in natürliche Kreisläufe. Um etwa die Folgen des Klimawandels abzumildern, wollen Wissenschaftler große Spiegel im Weltall installieren, die die Sonnenstrahlen von der Erde ablenken.

Auf dem Treffen in Nagoya äußerten sich vor allem Vertreter asiatischer und afrikanischer Staaten besorgt über mögliche negative Folgen des Geo-Engineering. Ihre Forderung, Experimente in dem Bereich bis auf Weiteres einzustellen, wird von Nichtregierungsorganisationen unterstützt. Kanada gehört hingegen zu den Ländern, die ein solches Moratorium strikt ablehnen.

Wissenschaftler haben unter anderem vor, kaltes Meerwasser aus der Tiefe durch vertikale Rohre an die Oberfläche zu pumpen, große Mengen an Schwefelpartikeln in die Stratosphäre zu befördern, um das Sonnenlicht fernzuhalten sowie zur Förderung der Wolkenbildung Salzwasser in die Atmosphäre zu sprühen.

Im Wesentlichen konzentrieren sich die Forschungen darauf, die Sonneneinstrahlung und die Kohlenstoffabscheidung zu beeinflussen. Indem CO2 aus der Atmosphäre abgezogen wird, soll die Konzentration von klimaschädigenden Treibhausgasen reduziert werden. Eine andere Möglichkeit des CO2-Abbaus ist die Düngung von Oberflächenwasser mit Eisen oder Stickstoff, um das Wachstum von Phytoplankton anzuregen, das Kohlendioxid in den Tiefen der Ozeane speichern kann.


Geo-Engineering als 'Plan B'

"Einige Verfechter dieser Technologien halten es für einfacher, 'die Sonne in Schach zu halten', als Menschen dazu zu bewegen, mit Bussen zu fahren", sagte Pat Mooney, der Exekutivdirektor der internationalen Umweltorganisation ETC mit Sitz in Kanada. "Politiker in reichen Ländern sehen Geo-Engineering als 'Plan B'. Damit müssen sie keine radikalen Entscheidungen zur Reduzierung der Klimagase treffen", meinte er im Gespräch mit IPS. Die Industriestaaten seien damit rasch aus dem Schneider, wenn es um den Ausgleich für ihre Klimaschulden gehe.

ETC stellte auf der Konferenz in Nagoya einen neuen Bericht mit dem Titel 'Geopiracy: The Case Against Geoengineering' vor. Darin wird die Frage gestellt, wer überhaupt das Recht hat, das "globale Thermostat" einzustellen. "Entwicklungsländer haben verstanden, dass sie den Industriestaaten, die an der Begrenzung ihrer eigenen CO2-Emissionen gescheitert sind, nicht trauen können", sagte Mooney.

Zugleich hob er hervor, dass die möglichen Auswirkungen von Geo-Engineering-Versuchen auf das globale Wettersystem nicht einzuschätzen sind. Der Umweltschützer forderte daher, die Experimente unter freiem Himmel erst dann wieder aufzunehmen, wenn auf internationaler Ebene ausführlich über die zu erwartenden Folgen für Artenvielfalt, Gesellschaft und Wirtschaft diskutiert worden ist.

Geo-Engineering beschäftigt aber längst nicht nur Wissenschaftler, sondern hat auch kommerzielle Interessen geweckt. IPS hatte 2007 exklusiv darüber berichtet, dass das US-Unternehmen Planktos Inc. nahe der als Naturpark geschützten ecuadorianischen Galápagos-Inseln Hundert Tonnen Eisenstaub ins Meer kippen wollte. Eine Einwilligung der Regierung in Quito hatte die Firma nicht eingeholt.

Planktos wollte damit nachweisen, dass der Eisenstaub Kohlendioxid binden kann, und hoffte auf einen lukrativen Handel mit CO2-Zertifikaten. Das Projekt wurde jedoch gestoppt, und das Unternehmen brach seine Forschungen in dem Feld ab.

Im folgenden Jahr beschlossen die Unterzeichnerstaaten der UN-Artenschutzkonvention ein Moratorium für alle weiteren Versuche zur Meeresdüngung. In diesem Jahr schlug der wissenschaftlich-technische Ausschuss der Konvention einen Stopp aller klimabezogenen Geo-Engineering-Projekte vor.


Unterstützung von Gelehrten der 'Royal Society'

Da die Staatengemeinschaft bisher jedoch zu keiner Einigung über die Reduzierung der CO2-Emissionen kam, erwachte das Interesse von Wissenschaft und Politik am Geo-Engineering aufs Neue. Selbst die angesehene britische Gelehrtengesellschaft 'Royal Society' unterstützt inzwischen derartige Experimente.

"Wir sind gegen ein Moratorium, weil wir die wissenschaftlichen Forschungen nicht beschränken wollen", sagte der Klimawissenschaftler John Shepherd von der Universität Southampton, einem Fellow der Royal Society. Da sich die Folgen des Klimawandels zu verschärfen drohten, müsse die Wissenschaft mit ihren Forschungen Hilfe leisten können, betonte Shepherd, der im vergangenen Jahr einen Bericht zu dem Thema verfasst hatte.

In dem von Royal Society veröffentlichten Report zieht der Wissenschaftler das Fazit, dass der Einsatz neuer Technologien zur Reduzierung der Erderwärmung notwendig werde, wenn andere Bemühungen im Kampf gegen die CO2-Emissionen scheiterten. In einem Interview wies Shepherd allerdings auch darauf hin, dass eine Umsetzung von Geo-Engineering-Methoden zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht wäre. Im November will sich die Royal Society auf einem Symposium in London weiter mit dem Thema auseinander setzen.

Schwefelpartikel ins Weltall zu schicken, sei wesentlich kostengünstiger als den CO2-Ausstoß zu reduzieren, erklärte Clive Hamilton vom Zentrum für angewandte Philosophie der Nationalen Universität von Australien. Kein Land spreche sich zurzeit offen für Geo-Engineering aus, schrieb Hamilton, aus dessen Feder auch das kürzliche erschienene Buch 'Requiem for a Species' über die Folgen des Klimawandels stammt.

Die neuen Forschungsansätze machten jedoch eine Anhebung der Mineralölsteuern überflüssig und erlaubten noch mehr ungebremstes Wachstum, meinte er. Die Konsumenten seien zudem nicht dazu gezwungen, ihre Lebensgewohnheiten zu ändern. (Ende/IPS/ck/2010)


Links:
http://www.cbd.int/cop10/
http://www.etcgroup.org/en/node/5217
http://royalsociety.org/Geoengineering-taking-control-of-our-planets- climate/speakers/
http://www.clivehamilton.net.au/cms/index.php
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=53288

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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Oktober 2010