Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INTERNATIONALES

KLIMA/007: Germanwatch kommentiert den Abschlussbericht der UN-Beratungsgruppe zu Klimafinanzierung (GW)


Germanwatch e. V.
KlimaKompakt Spezial Nr. 46 / 5.11.10

Maßnahmen mit Potenzial

Germanwatch kommentiert den heute veröffentlichten Abschlussbericht der UN-Beratungsgruppe zu Klimafinanzierung


Eines der konkreten Ergebnisse der letztjährigen Klimakonferenz von Kopenhagen war die Einberufung einer hochrangigen Beratungsgruppe zu Klimafinanzierung, der so genannten "High-level Advisory Group on Climate Change Financing" (AGF), durch den UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Das in der (nicht formal angenommenen) Kopenhagen-Vereinbarung enthaltene Mandat für diese Gruppe sollte Beiträge möglicher Finanzierungsquellen - einschließlich alternativer Finanzquellen - zu untersuchen. Dies hatte zum Ziel, bis 2020 100 Milliarden US$ an jährlicher Klimafinanzierung für Entwicklungsländer aus den Industrieländern zu mobilisieren.[1] Die AGF, der hochrangige Experten aus dem Finanzsektor und der Wissenschaft wie auch Staats- und Regierungschefs angehörten, hat sich im Jahr 2010 mehrmals getroffen und nun ihren Abschlussbericht vorgelegt.

Mit diesem KlimaKompakt-Spezial kommentiert Germanwatch den am 5.11. in New York veröffentlichten Bericht der AGF durch eine Übersetzung der Zusammenfassung und Bewertung von dessen zentralen Aspekten.[2]

Während der Gesamtbericht der AGF und die begleitenden Studien eine Fülle an technischen Informationen zu der Rolle und dem Potenzial verschiedener Finanzierungsansätze beinhalten, muss die Zusammenfassung des Berichts als politisch ausgehandeltes Dokument betrachtet werden, dessen Finalisierung Gegenstand intensiver und kontroverser Debatten unter den Mitgliedern und mit vielen Regierungen weltweit war.


Begrenzte Ambition des AGF-Mandats

Die Zusammenfassung zeigt, dass sich die AGF relativ eng an ihr durch den Generalsekretär gegebenes Mandat gehalten hat. Dieses ist in sich strittig. Die zusätzlichen Kosten einer angemessenen Antwort auf den Klimawandel in den Entwicklungsländern, sowohl der Emissionsminderung als auch der Anpassung an die Klimafolgen, werden durchaus auf über 100 Mrd. US$ im nächsten Jahrzehnt geschätzt. Der Gesamt-Investitionsbedarf liegt eher in der drei- bis vierfachen Größenordnung.[3] (Andererseits gibt es Zweifel, ob konkrete Bedarfspläne in dieser Größenordnung vorgelegt werden.) Nichtsdestotrotz gab Kopenhagen erstmalig das Mandat auf höchster politischer Ebene, über eine Klimafinanzierung in dreistelliger Größenordnung überhaupt konkret nachzudenken.
In dieser Hinsicht ist es zwar nicht überraschend, aber doch enttäuschend, dass die Zusammenfassung des AGF-Berichts in keinster Weise darauf hinweist, dass die Instrumente auch mehr als 100 Mrd. US$ erbringen könnten, obwohl dies die technischen Analysen deutlich zeigen. Gleichzeitig lässt sich aber aus der Zusammenfassung implizit herauslesen, dass sie auf konservativen Annahmen basiert und diese natürlich auch ambitionierter gestaltet werden könnten. So ist der Referenzpreis von 20 bis 25 US$ pro Tonne CO2-Äquivalent durchaus als relativ moderat einzustufen [4], in der Vergangenheit sind im EU-Emissionshandel bereits solche Preise erreicht worden. Allerdings werden auch die Reduktionsziele des Kopenhagen-Akkords als Grundlage genommen, die keineswegs vereinbar mit dem in Kopenhagen vereinbarten 2°-Limit sind. Ein höheres Preissignal ist also so oder so notwendig und würde dann zu deutlich höheren Mittelflüssen führen. Zudem ist beispielsweise eine Allokation für Klimafinanzierung in der Höhe von 25 bis 50% im Bereich internationaler Verkehr eher ein moderater Ansatz, der aber gleichzeitig den Regierungen implizit die Option anbietet, den Rest der Erlöse zum Beispiel für nationale Klimamaßnahmen oder für die Haushaltskonsolidierung zu nutzen. Das heißt, die 100 Milliarden sind mit durchaus konservativen Annahmen erreichbar, aber es ist auch mehr möglich.


Priorisierung von Maßnahmen

Die AGF hat davon abgesehen, einzelne Instrumente explizit zu empfehlen, der Bericht stellt in dem Sinne keine Rangliste auf. Eine Begrenzung auf ein Instrument zu vermeiden, ist aus Gründen der Risikostreuung auch sinnvoll, da jedes Instrument andere Implikationen und auch Beschränkungen hat. Allerdings benötigt die Politik für die nächsten Schritte eine klarere Richtung.
Die Tatsache allerdings, dass bestimmte Instrumente, die im Bericht untersucht werden, in der Zusammenfassung gar nicht erwähnt werden (z.B. die Sonderziehungsrechte beim IWF oder Strafzölle), führt zu einer impliziten Hierarchie. Neben der Erwähnung der Auktionierung von Emissionserlaubnissen in Industrieländern, wie Deutschland sie bereits zur Klimafinanzierung nutzt, ist hier besonders begrüßenswert, dass die Option des internationalen Verkehrs, also die Bepreisung von internationalem Schiffs- und Flugverkehr, explizit Erwähnung findet.
Germanwatch sieht hier ein großes Potenzial, um gleichzeitig zusätzliche Mittel in zweistelliger Milliardenhöhe zu generieren und ökonomische Anreize für die Emissionsvermeidung zu setzen. Das System sollte so ausgestaltet werden, dass die zum Teil berechtigten Bedenken von kleineren Entwicklungsländern wie den Inselstaaten bezüglich ökonomisch kontraproduktiver Auswirkungen aufgegriffen werden. Doch verschiedenste Modelle zeigen, dass dies erstens möglich ist, und zweitens die Auswirkungen vernachlässigbar gering sein werden.[5]

Gerade für den Personenflugverkehr gilt, dass dies nur den reicheren Teil der Weltbevölkerung betreffen würde und so auch nicht mit Armutsbekämpfungszielen in Konflikt käme. Zudem bietet dies politisch einen guten Ansatzpunkt zu den am wenigsten entwickelten Ländern (Least Developed Countries, LDC), die sich selbst für die Einführung einer Abgabe zur Anpassungsfinanzierung im Personenflugverkehr ausgesprochen haben.[6] Hier sollte sich die EU aktiv mit progressiveren Entwicklungsländern um Modelle bemühen, die den Bedenken Rechnung tragen.
Positiv hervorzuheben ist ferner, dass sich am Ende die von einigen AGF-Mitgliedern (insbesondere der USA) favorisierte Ablehnung der Finanztransaktionssteuer nicht durchgesetzt hat. Sie wird in der Zusammenfassung Möglichkeit erwähnt, allerdings mit dem Hinweis, dass eine globale Umsetzung wegen unterschiedlicher Einschätzungen schwierig werden könnte. Nichtsdestotrotz kann man daraus eine implizite Unterstützung für Deutschland und die EU herauslesen, hier auch ohne Beteiligung der USA voranzugehen. Diese vorsichtige Einschätzung der AGF gibt es auch zu der Option der Umnutzung der Subventionen für fossile Energieträger, die sich aus dem Ziel der G20-Staaten ergibt, diese mittelfristig auf Null zu fahren. Denn diese bietet Spielraum, Teile der frei werdenden Mittel für die internationale Klimafinanzierung zu nutzen.
Erbringen diese Instrumente Finanzmittel, die dann direkt in die nationalen Haushalte oder in internationale Fonds fließen, sind sie als öffentliche Mittel einzustufen. Ansonsten wird deutlich, dass die AGF mittelfristig den Spielraum für zusätzliche Mittel aus dem Haushalt ohne innovative Finanzinstrumente als gering einschätzt, langfristig den nationalen Budget-Beiträgen aber weiterhin eine große Bedeutung beimisst.

Wenn also die AGF von der expliziten Empfehlung einzelner Maßnahmen oder Maßnahmenbündel, wie sie im Gesamtbericht untersucht werden, absieht, so lässt sich implizit doch ein vielversprechendes Maßnahmenbündel aus nationalen und internationalen Ansätzen ableiten, die bei entsprechendem politischen Willen die notwendigen Ressourcen von 100 Milliarden US$ und mehr generieren können.


Was passiert mit dem internationalen Waldschutz?

Unklar ist in der Zusammenfassung, wie die AGF die Finanzierung des Waldschutzes in Entwicklungsländern (Reduced Emissions from Deforestation and Degradation, REDD+) sieht - zweifelsohne ein klima- (und biodiversitäts)politischen Schlüsselbereich. Nur an einer Stelle (unter Mittelverwendung) wird darauf kurz eingegangen. Germanwatch ist der Ansicht, dass ein Ansatz, REDD+ in den Emissionshandel einzubeziehen, kontraproduktiv wäre und auch die Berechnungen der AGF konterkarieren würde. Zwar schätzen viele Experten die Emissionsvermeidungskosten von REDD+ als relativ gering ein, was grundsätzlich positiv ist. Der Einbezug in den Markt und z.B. die Verknüpfung mit dem europäischen Emissionshandel, würde aber dazu führen, dass hier die CO2-Preise weiter sinken würden, und sie liegen bereits jetzt deutlich unter den 20 bis 25 US$, die von der AGF als Referenz genommen werden. Damit würden quasi direkt die Wettbewerbsfähigkeit von Kohlekraftwerken in Deutschland bzw. Europa erhöht, was wiederum klimapolitisch äußerst kontraproduktiv wäre. REDD+ sollte daher durch öffentliche Mittel - z.B. aus den erwähnten innovativen Finanzierungsinstrumenten - finanziert werden. Zudem besteht die Gefahr, dass eine Optimierung alleine aus Sicht des CO2-Preises negative Auswirkungen auf die Biodiversität zur Folge hätte (und damit wiederum jüngst bei der UN-Biodiversitätskonferenz erreichte Vereinbarungen konterkarieren würde). Außerdem werden vor 2020 - und um diesen Zeitraum geht es hier - in kaum einem Land die Rahmenbedingungen so sein, dass ein funktionierender, seriöser Markt aufgebaut werden könnte.
Das heißt, es muss nach Wegen gesucht werden, wie die öffentlichen Mittel so eingesetzt werden, dass REDD+ im Einklang mit Biodiversitätsschutz und ohne Einbezug in den CO2-Markt realisiert wird.


Schnelle Mobilisierung von Mitteln notwendig

Positiv ist, dass die Zusammenfassung sehr deutlich sagt, dass zumindest einige der Instrumente zur Steigerung der Klimafinanzierung relativ schnell Anwendung finden könnten. Um das in der Kopenhagen-Vereinbarung beschlossene Ziel zu erreichen, den globalen Temperaturanstieg auf unter 2°C gegenüber vorindustriellem Niveau zu begrenzen, muss es bereits in diesem Jahrzehnt gelingen, den globalen Wachstumstrend an Emissionen umzukehren. Jeder Ansatz, der erst gegen 2020 zu einem substanziellen Aufwuchs der Klimafinanzierung führt, ist in dieser Hinsicht zum Scheitern verurteilt. Die AGF betont, dass gerade die Beiträge aus öffentlichen Mitteln - zumindest theoretisch - relativ schnell erhöht werden könnten, da sie keiner neuen Instrumente bedürfen. Sie könnten also gerade die Lücke füllen, bis innovative internationale Instrumente eingeführt sind.
Deutschland hat allerdings mit der relativ kurzfristigen Einführung der Luftverkehrssteuer auch gezeigt, dass man relativ schnell zusätzliche Finanzen aus diesem Sektor generieren kann, mit - bisher noch - dem Nachteil, dass diese im Haushalt nicht zu einem Aufwuchs der Klimamittel genutzt werden. Dies sollte geändert werden. Angesichts der Dramatik des Klimaproblems und aber auch der Chance einer weltweiten energiepolitischen Transformation, sollte hierfür der politische Wille möglich sein.


Welche Institutionenstruktur zur Mittelverwendung?

Es war kein expliziter Auftrag der AGF, sich über die institutionelle Struktur der Klimafinanzierung Gedanken zu machen, weshalb nur sehr vage Formulierungen in der Zusammenfassung zu finden sind. Insgesamt legt sie einen nicht überraschenden Fokus auf das System der UN-Organisationen, die multilateralen Entwicklungsbanken und die bilaterale Kooperation. Die Referenz zu dem Potenzial eines neuen großen Klimafonds - lange von den Entwicklungsländern und in Kopenhagen dann auf Ebene der Staats- und Regierungschefs gefordert - ist wichtig. Kritisch zu sehen ist allerdings, dass andere existierende Fonds unter UNFCCC, insbesondere der rechtlich in Deutschland sitzende Anpassungsfonds unter dem Kyoto-Protokoll, in keinster Weise Erwähnung finden. Bei letzterem ist gerade auch der innovative Ansatz des direkten Zugangs für Entwicklungsländer eine zentrale Innovation. Mit dem direkten Zugang verbindet sich auch die Hoffnung eines stärker auf die Bedürfnisse der Entwicklungsländer ausgerichteten und effizienteren Systems. Denn mit den Entwicklungsbanken und auch den UN-Organisationen gibt es durchaus eine große Unzufriedenheit. Der AGF-Bericht hätte dies auch dadurch aufgreifen können, indem er die potenzielle Rolle nationaler Finanzierungsinstitutionen in Entwicklungsländern (ein wichtiges Element im Anpassungsfonds) angesprochen hätte.


Mehr Geld durch multilaterale Entwicklungsbanken? Aber Vorsicht bei der Umsetzung!

Der AGF-Bericht hebt relativ deutlich das Multiplikationspotenzial durch eine Stärkung der multilateralen Entwicklungsbanken, wie Weltbank, Asiatische Entwicklungsbank etc., hervor. Mit jedem eingezahlten Dollar könnten 3 bis 4 Dollar zusätzlicher Investitionen generiert werden. Dieses Hebungspotenzial hat sicherlich dort eine große Bedeutung, wo es um Rahmenbedingungen geht, die privatwirtschaftliche Investitionen - insbesondere für den Klimaschutz - in Schwellenländern attraktiv machen. Hier kann es gerade für notwendige, großangelegte Transformationsprogramme eine Schlüsselrolle spielen. Im Hinblick auf die Anpassung an den Klimawandel für die Ärmsten, kommt das Instrument hingegen kaum in Frage und würde zudem die Gefahr neuer Verschuldung aufwerfen. Die Anpassung der ärmsten Länder sollte schon deshalb über Zuschüsse finanziert werden. So elegant das Instrument in der Theorie ist, so sollte doch auch die fundierte Kritik an der Rolle der multilateralen, auch der regionalen Entwicklungsbanken nicht übersehen werden. Soziale und ökologische Standards werden bei vielen Investitionen nicht befriedigend eingehalten. Die Entwicklungsbanken sollten daher ganz klar der energiewirtschaftlichen Transformation hin zu Erneuerbaren Energien, Energieeffizienz und intelligenten Netzen die Priorität geben. Implizit lässt sich auch eine Fokussierung auf die Emissionsvermeidung in den Schwellenländern ablesen.


Wie geht es weiter?

Was sind nun die nächsten Schritte, was wird mit dem Bericht passieren? Ban Ki Moon hat als UN-Generalsekretär und als Auftraggeber die Verantwortung, den Bericht den Regierungen zugänglich zu machen. Dies wird erst einmal eher über den allgemeinen UN-Prozess passieren, als durch die UN-Klimaverhandlungen. Da die AGF nicht durch ein Mandat der Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention gegründet wurde - die Kopenhagen-Vereinbarung wurde ja nicht offiziell von allen Ländern angenommen - gibt es zunächst keinen formalen Prozess dazu unter UNFCCC. Allerdings können natürlich einzelne Länder diesen anmahnen.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist es allerdings von übergeordneter Bedeutung, dass die Staats- und Regierungschefs den Bericht mit dem Ziel aufgreifen, ihn als Grundlage für konkrete Entscheidungen zu nutzen. Die G20 sollte im Jahr 2011 gemeinsam einen Fokus auf die Etablierung innovativer Finanzinstrumente - insbesondere in Bezug auf den internationalen Schiff- und Flugverkehr, die Finanztransaktionssteuer und einen größeren Handlungsrahmen der Entwicklungsbanken mit klarem Fokus auf Klimainvestitionen - legen. Dies sollte mit einer Verpflichtung verbunden werden, einen entsprechenden Finanzierungsmechanismus bei der COP17 in Südafrika im Dezember 2011 zu beschließen.. Dies kann im Rahmen eines neuen Klimaabkommens oder notfalls auch als Baustein für ein später verabschiedetes Abkommen geschehen. Dies wäre auch der Ort, um klarer die Frage zu beantworten, welche Maßnahmen mit der Klimafinanzierung umgesetzt werden sollen. Ohne eine verlässliche Langfristfinanzierung wird es kein internationales Klimaabkommen geben. Ohne innovative Finanzierungsinstrumente wird es - zumindest solange die Budgetkrise der Industrieländer bestehen bleibt - wohl keine verlässliche Langfristfinanzierung geben.
Es ist nun zentral, dass verschiedene Staaten und Staatengruppen Teile des Berichtes oder den ganzen Bericht in den offiziellen UN-Verhandlungsprozess einführen. Ein Beschluss über einen mit einem erheblichen - wenn auch zunächst vermutlich nicht ausreichenden - Geldfluss ausgestattet, würde die Relevanz des UNFCCC-Prozesses stark steigern. Diese Stärkung des UN-Prozesses sollte für alle Regierungen eine zentrale Bedeutung haben, die weder an der Chaosoption (ungebremster Klimawandel) noch an der Hegemonieoption (wenige Staaten bestimmen alleine, wo es entlang geht) Interesse haben. Für die EU, für die ein funktionierender Multilateralismus und eine Bekämpfung des Klimawandels Kerninteressen sind, sollte dies eine Priorität der kommenden Monate sein.

Angesichts der Finanzierungsnotwendigkeiten für andere globale Güter - die Beschlüsse der Biodiversitätskonferenz kürzlich in Nagoya haben ja auch finanzielle Implikationen - ist auch ein denkbares Szenario, dass Teile des Finanzmechanismus dann beim Rio+20-Gipfel im Mai 2012 in Rio de Janeiro auf höchster politischer Ebene beschlossen werden. Ein vorher im Rahmen von UNFCCC beschlossener Mechanismus könnte so angelegt sein, dass er hier weiterentwickelt werden könnte - etwa durch zusätzliche Finanzquellen oder Aufgaben. Falls eine Einigung bei UNFCCC scheitert, könnte die Rio+20-Konferenz auch eine Rückfallebene werden.
Im Grunde bietet das in der Zusammenfassung des AGF-Berichts angedeutete Maßnahmenbündel eine Perspektive für eine Gesamtfinanzierungsstrategie für die internationale Politik zu nachhaltiger Entwicklung, und müsste nur an einigen Stellschrauben nach oben justiert werden. Die deutsche Bundesregierung sollte, auch wegen ihrer weltpolitischen Verantwortung durch den gerade gewonnenen Sitz im UN-Sicherheitsrat, diesen Prozess nun aktiv mit anderen Ländern politisch vorantreiben.


Zusammenfassung des Berichts der AGF

Die Herausforderung und die Reaktion

Mit dem Anstieg der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre auf ein Besorgnis erregendes Niveau und der immer größer werdenden Herausforderung der Anpassung an die Klimafolgen, ist der Handlungsbedarf zu Klimawandel dringender denn je. Klimafinanzierung ist ein Schlüssel zu den notwendigen Maßnahmen, wird aber nur einen fundamentalen Unterschied machen, wenn sie mit einem weiteren, zwischen den Regierungen vereinbarten Maßnahmenprogramm verknüpft ist. Diese Maßnahmen sind das Fundament für die Transformation unserer Volkswirtschaften und für eine klimasichere Zukunft.

Bei der UN-Konferenz zu Klimawandel in Kopenhagen 2009, haben die politischen Führungskräfte ihren starken politischen Willen bekräftigt, umgehend den Klimawandel im Einklang mit dem Prinzip der gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortlichkeiten und entsprechenden Fähigkeiten, zu bekämpfen. Neue und zusätzliche, vorhersagbare und angemessene Finanzierung, genauso wie ein verbesserter Zugang, müssen den Entwicklungsländern bereitgestellt werden - in Einklang mit den relevanten Bestimmungen der UN-Klimarahmenkonvention. Im Kontext ernsthafter Emissionsvermeidungsmaßnahmen und Transparenz bei der Umsetzung, haben sich die Industrieländer zu dem Ziel verpflichtet, gemeinsam jährlich 100 Milliarden US$ im Jahr 2020 zu mobilisieren, um die Bedürfnisse der Entwicklungsländer aufzugreifen.

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen hat die hochrangige Beratungsgruppe zu Klimafinanzierung (High-level Advisory Group on Climate Change Financing, AGF) im Februar 2010 gegründet. Entsprechend seiner Aufgabenbeschreibung hat die Beratungsgruppe zu dem Ziel, 100 Milliarden US$ im Jahr 2020 zu mobilisieren, gearbeitet.

Die AGF kam zu dem Schluss, dass es zwar eine Herausforderung, aber machbar ist, dieses Ziel zu erreichen. Die Finanzierung wird aus einem breiten Spektrum an Quellen, öffentlichen und privaten, bilateralen und multilateralen als auch alternativen Finanzquellen bestehen müssen, um dadurch existierende Quellen und private Finanzflüsse zu erhöhen. Zuschüsse und hoch-konzessionäre Kredite sind zentral für die Anpassung [an die Klimafolgen] in den verletzlichsten Entwicklungsländern, wie die am wenigsten entwickelten Länder (LDCs), die kleinen, sich entwickelnden Inselstaaten und Afrika.

Starke Ziele nationaler Emissionsminderungen und die Einführung neuer öffentlicher Instrumente basierend auf der Bepreisung von CO2, sind Schlüssel für die Mobilisierung der Klimafinanzierung, sowohl der öffentlichen wie auch der privaten. Instrumente auf Basis der CO2-Bepreisung sind besonders attraktiv, da sie sowohl Finanzen erbringen als auch Anreize für Klimaschutzmaßnahmen setzen.

Angesichts der Komplexität der Analyse und der Diversität der involvierten Mitglieder der AGF gab es logischerweise unterschiedliche Perspektiven, zum Beispiel hinsichtlich der Frage, ob und wie Finanzmittel als Brutto- oder Nettobeträge gemessen werden sollten. Dies spiegelt sich in dem Bericht wider.


Mögliche Quellen

Die AGF hat mögliche Finanzierungsquellen identifiziert und diese auf der Basis von in ihrem Arbeitsauftrag enthaltenen Kriterien analysiert. Die AGF hat sich auch mit Fragen der Kombination von Instrumenten, einschließlich von Überschneidungen und Interaktionen, beschäftigt. Die Erlöspotentiale der Instrumente können nicht notwendigerweise einfach addiert werden, zum Beispiel auf Grund von Nebenwirkungen und dem potenziell abnehmenden politischen Willen, vielfältige Quellen zu mobilisieren.

Die AGF hat ebenso festgestellt, dass sich die Schlüsselelemente der Finanzflüsse gegenseitig verstärken würden. Eine sorgfältige und kluge Verwendung öffentlicher Mittel in Kombination mit privaten Geldern kann tatsächlich transformative Investitionen generieren.

Die AGF betont die Wichtigkeit eines CO2-Preises in der Höhe von 20 bis 25 US$ pro Tonne CO2-Äquivalent im Jahr 2020 als ein Schlüsselelement, um die 100 Milliarden US$ pro Jahr aufzubringen. Je höher der CO2-Preis, desto steiler ist der Anstieg der verfügbaren Ressourcen, und umso mehr verstärken sich die verschiedenen Maßnahmen gegenseitig.

Die tatsächlichen Schätzungen des Erlöspotenzials im Jahr 2020 für neue öffentliche Instrumente, reagieren sehr sensibel auf die vielen Annahmen, insbesondere den CO2-Preis und den Anteil der für internationale Klimazwecke bereitgestellten Finanzmittel. Auf Basis eines Preises von 20 bis 25 US$ pro Tonne CO2-Äquivalent, könnte die Versteigerung von Emissionserlaubnissen in Industrieländern mit einer Zweckbindung von bis zu 10 Prozent der Gesamterlöse für internationale Klimafinanzierung potenziell um die 30 Milliarden US$ erbringen. Ohne die zu lösenden Schwierigkeiten, insbesondere hinsichtlich der nationalen Souveränität und den Auswirkungen auf Entwicklungsländer, zu unterschätzen, könnten etwa 10 Milliarden US$ durch eine CO2-Bepreisung des internationalen Verkehrs generiert werden, basierend auf der Annahme, dass es keine Netto-Belastung der Entwicklungsländer geben würde und dass 25 bis 50 Prozent der Gesamterlöse genutzt würden. Gleichzeitig könnten sie dazu beitragen, das durch die Treibhausgasemissionen entstehende Marktversagen zu korrigieren und dadurch die Effizienz unserer Volkswirtschaften zu erhöhen. Bis zu 10 Milliarden US$ könnten aus anderen Instrumenten mobilisiert werden, wie zum Beispiel der Umschichtung von Subventionen für fossile Energien in Industrieländern oder eine Art der Finanztransaktionssteuer in den Ländern, auch wenn unterschiedliche Ansichten es erschweren werden, diese weltweit umzusetzen.

Internationale private Investitionsflüsse sind essenziell für den Übergang zu einer kohlenstoffarmen und klimaresilienten Zukunft. Ein CO2-Preis von 20 bis 25 US$ könnte etwa 100 bis 200 Milliarden US$ an privaten Bruttokapitalflüssen generieren. Aufbauend auf von manchen Mitgliedern der AGF vorgeschlagenen Methoden, die im Bericht auch erklärt werden, könnten solche Bruttoflüsse zu Nettoinvestitionen im Bereich von 10 bis 20 Milliarden US$ führen. 30 bis 50 Milliarden US$ könnten jährlich durch erhöhte Flüsse im Kohlenstoffmarkt erbracht werden. Basierend auf von manchen Mitgliedern der AGF vorgeschlagenen Methoden, könnten Kohlenstoffmarktflüsse in dieser Größenordnung etwa 10 Milliarden US$ an Nettotransfers erbringen.

Die multilateralen Entwicklungsbanken [MDBs] können in enger Zusammenarbeit mit dem UN-System eine gewichtige Multiplikationswirkung entfalten und zusätzliche grüne Investitionen anstoßen. Für jede 10 Milliarden US$ an eingezahltem Kapital, können die MDBs 30 bis 40 Milliarden US$ Bruttoflüsse und deutlich mehr durch das Anstoßen privater Investitionen generieren.

Aufbauend auf von manchen Mitgliedern der AGF vorgeschlagenen Methoden, könnten die Nettoflüsse der MDBs 11 Milliarden US$ erreichen. Die Kapazität der MDBs sollte im Laufe des nächsten Jahrzehnts durch zusätzliche Ressourcen gestärkt werden.

Direkte Beiträge aus nationalen Haushalten auf Basis existierender öffentlicher Finanzquellen, wie einheimische Einnahmen, könnten weiterhin eine wichtige Rolle spielen, wenn Regierungen es vorziehen, diese direkten Zahlungen zu erhöhen, bevor sie neue Instrumente einführen. Die politische Akzeptanz solcher Quellen, wird von den nationalen Umständen und der einheimischen fiskalischen Situation abhängen, die derzeit viele Industrieländer unter extremen Druck setzt. Jedoch erwartet die AGF, dass direkte Beiträge aus nationalen Haushalten langfristig eine Schlüsselrolle spielen werden.

Mehrere der untersuchten Quellen könnten relativ schnell umgesetzt werden, insbesondere die nationalen Haushaltsbeiträge. Für die private Finanzierung werden die Investitionsflüsse von einem Mix aus Regierungspolitiken und der Verfügbarkeit von Risikoteilungsinstrumenten abhängen. Vertrauen in die Politiken und Instrumente könnte relativ schnell aufgebaut werden, während andere möglicherweise mehr Zeit für die Umsetzung brauchen werden.


Sinnvolle Verwendung

Die Glaubwürdigkeit der Industrie- wie der Entwicklungsländer hinsichtlich der Generierung und der Verwendung von Mitteln, wird deutlich erhöht, wenn in der nächsten Dekade das Vertrauen besteht, dass die Ressourcen sinnvoll verwendet werden, schnell zugänglich sind und Ergebnisse produzieren. Die Finanzierung von Anpassung sollte für die verletzlichsten Länder priorisiert werden, wie die am wenigsten entwickelten Länder [LDCs], die kleinen Inseln und Afrika. Die Zerstörung der Regenwälder zu stoppen und umzukehren ist dringlich und eine kosteneffektive Vermeidungslösung.

Die regionalen Entwicklungsbanken, die Weltbank, die UN-Organisationen, andere multilaterale Institutionen und koordinierte, bilaterale Programme werden entscheidend dafür sein, national angemessene Klimamaßnahmen deutlich auszuweiten, z.B. durch regionale oder thematische Fenster im Kontext des "Copenhagen Green Fund", wie etwa ein möglicher "Africa Green Fund".


Schlussfolgerungen

Dieser Bericht wird dem UN-Generalsekretär überreicht, der die AGF einberufen hat. Es ist nun die Aufgabe der Entscheidungsträger auf der ganzen Welt, von der Analyse zur Unterstützung von Klimamaßnahmen Gebrauch zu machen. Die AGF hat herausgefunden, dass es zwar eine Herausforderung ist, die 100 Milliarden US$ pro Jahr zu erbringen, aber es ist möglich. Jetzt ist die Zeit, Entscheidungen zu fällen.

Autoren: Sven Harmeling, Christoph Bals, Anja Esch, Katrin Enting, Kristin Gerber
Redaktion: Katrin Fillies


[1] Der Kopenhagen-Akkord findet sich unter http://unfccc.int/home/items/5262.php

[2] Die Zusammenfassung, der Gesamtbericht sowie eine Liste der Mitglieder der AGF finden sich unter
http://www.un.org/wcm/content/site/climatechange/pages/financeadvisorygroup/pid/13300

[3] Siehe z.B. den Weltentwicklungsbericht der Weltbank, 2009, S. 260,
http://siteresources.worldbank.org/INTWDR2010/Resources/5287678-1226014527953/Chapter-6.pdf

[4] Im Gesamtbericht werden Szenarien für drei CO2-Preise analysiert: 15, 25 und 50 US$

[5] WWF, 2010: Bunker Finance: a brief for the High-Level Advisory Group on Climate Change Financing.
http://assets.panda.org/downloads/wwf_agf_briefing_on_bunker_finance_june_2010_2.pdf

[6] LDCs, 2008: International Air Passenger Adaptation Levy (IAPAL).
http://unfccc.int/resource/docs/2009/awglca5/eng/misc01.pdf


*


Quelle:
KlimaKompakt Spezial Nr. 46 / 5.11.10
Herausgeber:
Germanwatch e.V.
Dr. Werner-Schuster-Haus
Kaiserstr. 201
53113 Bonn
Tel.: 0228/60492-0, Fax: 0228/60492-19
E-mail: klimakompakt@germanwatch.org
Internet: http://www.germanwatch.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. November 2010