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KLIMA/016: REDD-Programm zur Reduktion der Entwaldung - Beitrag zum Klimaschutz oder Risiko (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2010


REDD auf der Überholspur?
Während die Klimaverhandlungen immer schleppender verlaufen, werden anderenorts Fakten geschaffen

Von Wolfgang Kuhlmann


Die Entwaldung verringern und gleichzeitig zum Klimaschutz beitragen: unter dem Kürzel REDD (Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation) hat sich die Idee in kurzer Zeit einen festen Platz in den internationalen Klimaverhandlungen erobert. Weltbank, UN-Organisationen und bilaterale Initiativen beteiligen sich an dem Versuch, sie in die Praxis umzusetzen. Doch bei Naturschutz und den Rechten traditioneller Waldbewohner scheint man sich bestenfalls auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner zu einigen.

Unter den richtigen Rahmenbedingungen kann ein Programm zur Verringerung von Waldverlust und -degradierung nicht nur einen Beitrag zum Klimaschutz, sondern auch zum Erhalt von biologischer Vielfalt und zur Stärkung der Land- und Nutzungsrechte traditioneller Waldbewohner leisten. Allerdings gibt es Befürchtungen, dass REDD von den Verursachern des Klimawandels dazu genutzt wird, die notwendigen Veränderungen im eigenen Land heraus zu zögern, während im Süden traditionelle Land- und Nutzungsrechte weiter eingeschränkt werden. Je nach Rahmenbedingungen kann REDD im schlimmsten Fall dazu führen, dass Holzeinschlag und die Umwandlung in Plantagen stärker gefördert werden als der Schutz und die Wiederherstellung natürlicher Wälder.


REDD und die internationalen Klimaverhandlungen

Die Forderung nach Ausgleichszahlungen für Länder des Südens, die ihre Wälder schützen und Entwaldung verhindern, ist mindestens so alt wie der gesamte Rio-Prozess. 1992 scheiterte die Entwicklung einer Wälderkonvention nicht zuletzt an der Frage, wer bereit ist, für den Schutz der Wälder zu zahlen. Das gleiche gilt für die weitgehend ergebnislosen Folgeprozesse IPF, IFF und UNFF [1].

Erst als die Rolle der Wälder als Kohlenstoffspeicher und ihr Beitrag zur Verminderung des Klimawandels thematisiert wurde, entstand eine neue Dynamik. Auf der 11. Vertragsstaatenkonferenz der Klima-Rahmenkonvention (COP 11: 2005) stellte die "Koalition der Regenwaldländer" ein Instrument zur Verminderung von Emissionen aus Entwaldung und Degradierung von Wäldern vor. Mit der wissenschaftlichen und technischen Beratung wurde die SBSTA (Subsidiary Body for Scientific and Technological Advice) der Klimarahmenkonvention beauftragt. Zwei Jahre später, auf der 13. Vertragsstaatenkonferenz in Bali, bescheinigte SBSTA, dass REDD das Potential habe, ein wichtiges Instrument zur Minderung von Klimaveränderungen zu werden.

In der Folge wurde REDD in den Bali Action Plan aufgenommen und um die Themenfelder Schutz von Wäldern, ihre nachhaltige Nutzung und die Erhöhung von Kohlenstoffbeständen in Wälder ergänzt (dies wird unter REDD+ zusammengefasst). Viele hatten für die COP 15 (2009) bereits mit substantiellen Ergebnissen gerechnet, doch im Verhandlungsdebakel vom Kopenhagen gerieten auch die Beratungen über REDD ins Stocken. Im vorliegenden Textentwurf fehlen konkrete Ziele für die Verringerung von Entwaldung ebenso wie verbindliche Finanzierungszusagen. Auch die Sicherheitsklauseln (Safeguards) bleiben schwach, und Entwicklungsländer wehren sich dagegen, dass deren Einhaltung überprüft wird. Neben dem Verweis auf nationale Gesetze und internationale Vereinbarungen werden Probleme mit der Dauerhaftigkeit von Walderhalt (Permanence) und der Verlagerungen von Entwaldung (Leakage) gerade einmal angesprochen. Ebenso wie konkrete Ziele für die Verringerung der Entwaldung fehlt eine deutliche Priorität für die Erhaltung artenreicher Naturwälder gegenüber Aufforstungen.


Bi- und multilaterale Unterstützung für einen schnellen Start von REDD

Zwar gilt der Verhandlungsprozess zu REDD als relativ weit fortgeschritten, so dass bereits für Kopenhagen mit einem Ergebnis gerechnet wurde. Angesichts der mittlerweile zu beobachtenden Verhandlungsmüdigkeit ist aber noch lange nicht sicher, ob im Dezember in Cancun wesentliche Fortschritte bei der Vorbereitung eines Klimaregimes für die Zeit nach Ablauf des Kioto-Protokolls erzielt werden.

Während die Verhandlungen über Referenzwerte, Safeguards und Kontrollmechanismen nur schwer vorankommen, werden an anderer Stelle Fakten geschaffen. Bereits kurz nach Verabschiedung des Bali Action Plan (2007) begannen die Weltbank, UNOrganisationen und bilaterale Initiativen damit, Gelder für einen schnellen Start von REDD bereit zu stellen. In den Jahren bis 2012 sollen tropische und subtropische Länder auf REDD vorbereitet werden. Da in dieser Phase jeder seine eigenen Spielregeln aufstellen kann, droht die Gefahr, dass in der Praxis Maßstäbe geschaffen werden, die später - sprich: in den internationalen Verhandlungen - kaum noch nach oben zu korrigieren sind.

Zehn Geberländer haben mittlerweile fast vier Milliarden Dollar für die Fast Start Periode bis 2012 zugesagt.


Forest Carbon Partnership Facility (FCPF)

Die 2008 von der Weltbank eingerichtete Forest Carbon Partnership Facility (FCPF) will tropische und subtropische Länder in einem zweistufigen Programm auf die Umsetzung von REDD+ vorbereiten:

• Mit dem Readiness Mechanism sollen die Voraussetzungen für die Beteiligung an einem REDD+ Mechanismus geschaffen werden.

• Mit dem Carbon Finance Mechanism soll eine kleine Zahl von Staaten bei der Umsetzung von Pilotprojekten unterstützt werden, mit der ein System ergebnisabhängiger Zahlungen für REDD+ Emissionsminderungen erprobt werden soll. Hierfür stehen bereits 72 Mio. Dollar zur Verfügung, obwohl der Bereich noch nicht operativ ist.

Um am Readiness Mechanism teilnehmen zu können, mussten die bisher 37 interessierten Länder Readiness Proposal Idea Notes (R-PINs) vorlegen, die Informationen über den Waldsektor des Landes und eine erste Übersicht über die Voraussetzungen und Schwierigkeiten bei der Beteiligung an REDD enthalten. Bereits hierbei wurde deutlich, dass zivilgesellschaftliche Akteure in den meisten Fällen nur unzureichend oder gar nicht beteiligt wurden.

Trotz dieser Schwächen wurden alle R-PINs angenommen und die Länder aufgefordert, einen Readiness Preparation Proposal (R-PP) auszuarbeiten. Bisher wurden bzw. werden 24 Staaten dabei mit jeweils 200.000 Dollar unterstützt.

Unter Beteiligung aller Interessengruppen soll in dem R-PP eine Strategie zur Verminderung von Waldverlust und die Grundzüge eines nationalen Berichts- und Kontrollsystems (MRV) skizziert werden. Die sich daraus ergebenden weiteren Schritte, um "REDD ready" zu werden, finanziert die Weltbank in derzeit 20 Ländern mit jeweils 3,4 Mio. Dollar [2].

Mittlerweile wird immer deutlicher, dass FCPF die Sicherheitsklauseln (Safeguards) der Weltbank weniger als Hilfe, sondern mehr als Hindernis betrachtet, das einem schnellen Mittelabfl uss im Wege stehen könnte. Bereits im Oktober 2009 wurde im Aufsichtsgremium des FCPF der Vorschlag gemacht, nicht länger "sicherzustellen", dass die Safeguards der Weltbank bei der Umsetzung von RPPs eingehalten werden. Stattdessen wollte man darüber nur noch "in einen Dialog treten".

Im Juni 2010 ging FCPF noch einen Schritt weiter und empfahl, dass jeder "Umsetzungspartner" (z.B. regionale Entwicklungsbanken und bilaterale Programme) seine eigenen Standards anwendet und man sich später auf gemeinsame Mindeststandards einigt. Bei der Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner drohen die Rechte indigener Völker als erstes auf der Strecke zu bleiben.


Deutschland: Kein Geld für den Klimaschutz

Unmittelbar vor dem Klimagipfel in Kopenhagen hatte Kanzlerin Merkel noch 1,26 Milliarden Euro für den Klimaschutz zugesagt. Je 420 Mio. Euro sollten in den Jahren 2010 bis 2012 zusätzlich aufgebracht werden, um Entwicklungsländer bei der Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen. Nach den Haushaltverhandlungen im März 2010 blieben davon nur noch drei mal 70 Mio. Euro übrig - jetzt werden wohl auch die den Sparmaßnahmen zum Opfer fallen. Der Haushaltstitel "Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern" soll für die kommenden zwei Jahre auf null gesetzt werden.

Was das für die in Oslo zugesagten 350 Mio. Euro für REDD+ Projekte bis 2012 bedeutet, ist noch offen. Zusätzlich werden diese Mittel aber wohl kaum sein.

Während sich Deutschland zunehmend aus der Finanzierung der Fast Start Periode für REDD zurückzieht, werden bei der Entwicklung von nationalen REDD-Strategien und der Durchführung von Demonstrationsprojekten Fakten geschaffen. Wenn in dieser kritischen Phase auf Safeguards verzichtet wird, die den Schutz biologischer Vielfalt, die umfassende Beteiligung aller Interessengruppen und die Stärkung der Land- und Nutzungsrechte indigener Völker und traditioneller Waldbewohner sicher stellen, so besteht die Gefahr, dass sich dies auch in den weiteren internationalen Verhandlungen wiederspiegeln wird

Der Autor ist Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz (ARA) und Koordinator einer europäischen Arbeitsgruppe zu Wald und Klima (Grundtvig Lernpartnerschaft).


[1] Intergovernmental Panel on Forests (IPF) 1995-1997, Intergovernmental Forum on Forests (IFF) 1997-2000, United Nations Forum on Forests (UNFF) seit 2000

[2] die Länder sind Äthiopien, Bolivien, Costa Rica, Demokratische Republik Kongo, Gabun, Ghana, Guyana, Kamerun, Kenia, Kolumbien, Laos, Liberia, Madagascar, Mexiko, Nepal, Panama, Papua Neuguinea, Paraguay, Peru und Vietnam.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2010, S. 26-27
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. November 2010