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KLIMA/047: KlimaKompakt 69 - China und EU, neuer Schwung für Weltklimapolitik? (GW)


Germanwatch e. V.

KlimaKompakt Nr. 69 / 23. Dezember 2010


Nr. 69 / Dezember 2010

Aktuelle Entwicklungen nach Kopenhagen
China macht ernst mit Klimapolitik

Engere EU-China-Kooperation zu Klima bietet ökonomische Chancen auf beiden Seiten
Gemeinsamer Nutzen durch bilaterales Abkommen

Technologischer Wettbewerb als Motor des Klimaschutzes
Klimapolitik-Vorreiter profitieren durch Innovation


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China und EU: neuer Schwung für Weltklimapolitik?

Der Klimagipfel von Cancún hat einen Strategiewechsel eingeläutet. Auf der einen Seite wurde das vorangetrieben, was im Minimalkonsens mit mehr als 190 Staaten möglich ist. Andererseits wurden Prozesse initiiert, um deutlich darüber hinaus zu gehen. Da die USA sich in den nächsten Jahren nicht bewegen kann, schaut die ganze Welt nun auf die EU und China.

Die EU sollte endlich die Chancen erkennen, die eine Erhöhung ihrer Ambition auf das Ziel einer 30-prozentigen Treibhausgasreduktion bis 2020 sowie eine langfristige Weichenstellung hin zu einer "low carbon economy" mit sich bringt. Da Deutschland etwa 10 Prozent durch den Mauerfall geschenkt wurden, liegt das deutsche Ziel im Durchschnitt. Die Bundesrepublik könnte sogar durchaus leicht darüber hinaus gehen. 2011 stehen diese Entscheidungen auf der Agenda.

China hat trotz der Enttäuschung von Kopenhagen im Jahr 2010 zahlreiche klimapolitische Schritte unternommen. Hier steht im März 2011 der Beschluss über den nächsten Fünfjahresplan an. Gerade eine engere klimapolitische Kooperation zwischen EU und China kann einen Doppelmotor mit deutlich höherer Leistungskraft ermöglichen. Eine politische Absicherung privatwirtschaftlicher Kooperationen ist notwendig, um dieses Potenzial zu realisieren. Ob es um politische Rahmensetzungen, den Ausbau der Stromnetze, die Kooperation bei der Gestaltung von Niedrigemissions-Regionen und -städten geht: Die Möglichkeiten sind gewaltig. Es ist Zeit, diese mit zügigen Schritten zu nutzen. Mit besten Grüßen für die Weihnachtsfeiertage,

Christoph Bals


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Aktuelle Entwicklungen nach Kopenhagen

China macht ernst mit Klimapolitik

China hat im Jahr 2010 eine Reihe von klimapolitischen Maßnahmen ergriffen, um die eigenen Klimaziele umzusetzen.

Germanwatch dokumentiert Auszüge eines Artikels zur chinesischen Klimapolitik, der von einer Expertin des anerkannten World Resources Instiute (WRI) direkt vor Cancún verfasst wurde.

"China hatte sein Versprechen noch vor dem Klimagipfel in Kopenhagen durch eine Entscheidung des Staatsrates national verbindlich gemacht. Zusätzlich kündigte es an dass das 40-45% CO2-Intensitäts-Reduktionsziel in den 12. Fünfjahresplan aufgenommen wird, der im März 2011 vom Nationalen Volkskongress angenommen werden soll. Der Fünfjahresplan ist das zentrale Werkzeug der Politiksteuerung auf allen Regierungsebenen. [...] Im vergangenen Jahr hat China deutliche Fortschritte bei der nationalen Politikumsetzung gemacht. Zu den Hauptentwicklungen gehören:

- Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, um die Probleme von Neueinspeisungen in das nationale Netz anzugehen. Umzusetzen durch die Finanzierung eines größeren Ausbaus der Netze im ländlichen Raum und durch die Durchsetzung von finanziellen Strafen für Unternehmen, die den erneuerbaren Strom nicht wie vorgeschrieben beziehen.

- Einführung neuer Anforderungen für die Verbesserung der Energieeffizienz. Chinas Ziel für den 11. Fünfjahresplan (2006 bis Ende 2010) ist eine 20%-Reduktion der Energieintensität. Dieses Ziel hat sich als große Herausforderung herausgestellt, insbesondere durch Chinas massives Konjunkturprogramm nach dem globalen wirtschaftlichen Abschwung. Im Jahr 2010 hat die chinesische Regierung darauf reagiert, indem es die Anzahl der Unternehmen erhöhte, die strikte Energieeffizienzpläne zu befolgen haben; durch die Schließung von ineffizienten Kraftwerken und Fabriken; und durch neue Energieeffizienz-Ziele für die Lokalregierungen;

- Deutliche Verbesserungen beim energieeffizienten Verkehr, u. a. durch das weltgrößte Programm für Hochgeschwindigkeitszüge und den Neubau sowohl von U-Bahn- wie auch Schnellbuslinien in Dutzenden von Städten. Im nächsten Jahr wird es möglich sein, die 800 Meilen von Peking nach Shanghai mit dem Zug in vier Stunden oder 200 Meilen pro Stunde zurückzulegen, verglichen mit zwölf Stunden Fahrtzeit heute. Damit macht China den Bahnverkehr wettbewerbsfähig mit dem viel CO2-intensiveren Flugverkehr.

- Verbesserung der Energieeffizienz-Standards in verschiedenen Bereichen, von der Industrie über Gebäude bis zu Elektrogeräten. Die Setzung von Standards bekommt häufig nicht die gleiche Aufmerksamkeit wie die Kohlenstoffmärkte oder die internationalen Verhandlungen, ist aber das zentrale Werkzeug, um die Energieeffizienz zu verbessern und damit die Emissionen zu reduzieren.

- Investitionen in saubere Technologien. [...] Es wird erwartet, dass China bald die USA in der gesamten installierten Windenergiekapazität überholen wird.

- Prüfung neuer Politikoptionen, darunter auch CO2-Steuern und Emissionshandel. [...] China betrachtet jetzt auch neue, marktbasierte Mechanismen. Es wird erwartet, dass es erste Testversuche mit solchen neuen Instrumenten im Rahmen des 12. Fünfjahresplans (2011 bis Ende 2015) geben wird [...].

Quelle: Deborah Seligsohn: Report from Cancun: China's Climate Progress Since Copenhagen. World Resources Institute.
www.wri.org/stories/2010/11/report-cancun-chinas-climate-progress-copenhagen
(Übersetzung durch Germanwatch)


Engere EU-China-Kooperation zu Klima bietet ökonomische Chancen auf beiden Seiten

Gemeinsamer Nutzen durch bilaterales Abkommen

Für die EU und China, als den potenziellen Motoren einer progressiven Klimapolitik, bietet eine engere Kooperation ökonomische Chancen. Eine solche Zusammenarbeit ist bisher aber noch nicht ausreichend politisch untermauert. Gemeinsame politische Verpflichtungen als Teil einer strategischen Kooperation scheinen dabei notwendig und sinnvoll, um dem Privatsektor eine ausreichende Planungssicherheit zu geben.

Germanwatch dokumentiert Empfehlungen aus einem Forschungsbericht des Oxford Institute for Energy Studies, der gemeinsam mit chinesischen Wissenschaftlern entstanden ist und anhand des Beispiels Windenergie die Potenziale einer engeren Zusammenarbeit untersucht.

"Dieser Bericht zieht zwei zentrale Schlussfolgerungen. Die erste ist die, dass sowohl die chinesische Klimapolitik wie auch internationale Vereinbarungen (bilateral und multilateral) erfolgreich zum Technologietransfer europäischer Unternehmen beigetragen haben, die in der Herstellung von Windturbinen und in verwandten Sektoren aktiv sind. Das Ergebnis war ein Wachstum in der chinesischen Produktionskapazität im Windenergiebereich, mit der Folge von Kostensenkungen für Windenergietechnik und einer wachsenden Stromerzeugungskapazität, unterstützt durch den Clean Development Mechanism (CDM).

Die zweite Schlussfolgerung ist die, dass China seine Prioritäten im Windenergiesektor verändert - dies schafft neue Chancen für eine groß angelegte chinesisch-europäische Zusammenarbeit. [...]

Solch eine Kooperation könnte die chinesische Windenergiekapazität und -produktion signifikant erhöhen, und dadurch das erwartete Wachstum an CO2-Emissionen deutlich verringern. Europäische Unternehmen sind Marktführer in diesen Bereichen und interessiert an einer solchen Kooperation, vorausgesetzt die Bedingungen für eine solche Zusammenarbeit können vereinbart werden.

Hinsichtlich des chinesischen Beitrags für eine solche Art der Zusammenarbeit, empfiehlt der Bericht eine Reform der Konditionen für die Gewährung von Windpark Konzessionen und die Entscheidungen über eine finanzielle Unterstützung dafür. [...]

Zweitens scheint die existierende EU-China-Partnerschaft zu Klimawandel ideal, um Rahmenvereinbarungen über gemeinsame Verpflichtungen (Joint Commitment Framework Agreement, JCFA) zu schaffen. Auf der einen Seite würde sich die EU dazu verpflichten, China finanziell zu unterstützen und damit das Wachstum an Windenergiekapazität und -produktion in China zu befördern, entweder durch Emissionsausgleich oder durch so genannte "Nationally Appropriate Mitigation Actions (NAMAs)". [...] Auf der anderen Seite würde China zustimmen, die regulatorischen Rahmenbedingungen so anzupassen, dass sie ausländische Direktinvestitionen in Windparks ermöglichen würden. Im Bereich der Windenergie könnte die EU vereinbaren, Einspeisetarife für Windenergieparks finanziell zu unterstützen, wenn beim Betrieb Unternehmen aus der EU beteiligt wären. [...]

Die zentrale Schlussfolgerung ist, dass es viel Raum für eine Vereinbarung zum beiderseitigen Vorteil gibt. Europäische Akteure würden sich bereiterklären, finanzielle und technische Unterstützung zu gewähren, um die rapide Entwicklung von effizienten Windparks zu befördern - gleichzeitig mit dem notwendigen Ausbau der Netze und verbesserten Systemen zur Integration und Speicherung der wachsenden Anzahl von Windenergieanlagen. China würde sich bereiterklären, neue regulatorische Ansätze zu entwickeln, die die Zusammenarbeit mit europäischen Windpark-Entwicklern und Unternehmen im Bereich der Netze, die spezielle Expertise für Netze zur Bewältigung steigender Strommengen aus Windkraftwerken haben, erleichtern.

Über die Beförderung der Kooperation in China hinaus, soll dieser Vorschlag auch die Grundlage legen für eine Zusammenarbeit und Joint Ventures (oder Fusionen) zwischen europäischen und chinesischen Unternehmen im Windenergiebereich in anderen Ländern.

Schließlich ist es uns wichtig, die Argumente für Vereinbarungen gemeinsamer Verpflichtungen zu unterstreichen. Nichts auf dieser Liste an Vorschlägen kann nicht auch ohne solche politische Vereinbarungen umgesetzt werden. Was also könnte die Vereinbarung solcher gemeinsamer politischer Verpflichtungen über die bereits existierenden Vereinbarungen hinaus bringen, wie z.B. in der EU-China-Partnerschaft zu Klimawandel? Das Hauptziel ist es, eine zusätzliche Gewissheit für die relevanten Unternehmen des Privatsektors zu schaffen, dass die jeweiligen Regierungen vollständig hinter einem solchen Ansatz in der angestrebten Größenordnung stehen."

Quelle: "Addressing Large Developing Country Emissions The Case for Strategic Sino-European Collaboration under Joint Commitments", www.oxfordenergy.org/pdfs/EV53.pdf (Übersetzung durch Germanwatch)


Technologischer Wettbewerb als Motor des Klimaschutzes

Klimapolitik-Vorreiter profitieren durch Innovation

Deutschland hat nachweislich davon profitiert, dass es frühzeitig die Chancen der Erneuerbaren Energien erkannt und politisch gefördert hat. Auch China forciert Klimaschutz als Teil einer Wettbewerbsstrategie, um ökonomisch von der anstehenden Transformation zu profitieren.

Germanwatch dokumentiert zentrale Auszüge eines Artikels von Prof. Dr. Martin Jänicke, der im aktuellen Jahrbuch Ökologie 2011 erschienen ist.

"Klimapolitik findet heute auf zwei Ebenen statt: zum einen als internationale Politik, zum anderen als Industriepolitik im Wettbewerb um klimafreundliche Technologien. [...] Klimafreundliche Technologien erleben ein dynamisches Wachstum und der industriepolitische Wettbewerb um sie hat nicht nur alte Industrieländer, sondern auch die Schwellenländer erfasst. Das ist die positive Kehrseite der klimapolitischen Misere von Kopenhagen. Der Wettbewerb um Führungspositionen auf dem Weltmarkt klimafreundlicher Technologien ist derzeit der stärkere Motor des Klimaschutzes.

Es gibt somit nicht nur die dramatische Beschleunigung des Klimawandels mit ihren gewaltigen Gefahren, es gibt auch Beispiele einer forcierten Beschleunigung des technischen Wandels hin zu kohlenstoffarmen Produkten und Verfahren. [...] Man könnte nun meinen, dies seien technische Entwicklungen, die nur in hoch entwickelten Industrieländern möglich seien. Aber auch in China und Indien hat sich dergleichen ergeben. Mit ehrgeizigen Ausbauzielen löste China bei der Windenergie eine Dynamik aus, von der es geradezu überrollt wurde. [...] Die unerwartete Ausbaudynamik führte also zu ständig höheren Zielen für das gleiche Jahr 2020. [...] Angesichts jährlicher Wachstumsraten von über 100 % spricht einiges dafür, dass sogar das neueste "inoffizielle" Ziel von 150 GW übertroffen wird. [...]

Die Klimapolitik lebt von den Vorreitern und die Vorreiter leben von der Klimapolitik. Vorreiter ist ein Land mit einem bestimmten Zielniveau aber nur für eine bestimmte Zeit. Denn zu Innovationsprozessen im Zeichen der Globalisierung gehört, dass die Neuerungen von Wettbewerbern übernommen und weiter entwickelt werden. Es ist dies der Innovationswettbewerb, der gerade den politikgetriebenen Klimaschutz auszeichnet und vorantreibt. Länder wie China entwickeln inzwischen eine geradezu aggressive Wettbewerbsstrategie bei klimafreundlichen Technologien. Das setzt neue Maßstäbe, auch für Deutschland.

Es spricht deshalb vieles dafür, dass Deutschland seine klimapolitische Führungsrolle mit anspruchsvolleren Zielen neu definiert. Das ist auch durchaus möglich. Zum einen, weil die bisherige Klimapolitik vorhandene Möglichkeiten ungenutzt ließ. Zum anderen, weil Deutschland ja bereits die Erfahrung gemacht hat, dass und wie sich klimabezogene Innovationsprozesse beschleunigen lassen und welche ökonomischen Vorteile dies bietet. Anspruchsvollere Klimaziele sind zudem sinnvoll, weil die Beschleunigung des Klimawandels eine Verschärfung der internationalen Klimapolitik wahrscheinlich macht. Für die Unternehmen entstehen dadurch vielfache politische Risiken. Regierungen, welche die Unternehmen ihres Landes für diese Entwicklung fit machten, werden dies kaum bereuen müssen."

Quelle: "Das Innovationstempo in der Klimapolitik forcieren!", www.jahrbuch-oekologie.de/Jaenicke2011.pdf


Redaktion
Sven Harmeling (V.i.S.d.P.), Christoph Bals, Gerold Kier, Katrin Fillies

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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Dezember 2010