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KLIMA/166: Kohlenstoffmarkt - Game Over? (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2012
Landwirtschaft - Da ist der Wurm drin?!

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Kohlenstoffmarkt - Game Over?

von Eva Maria Filzmoser



Der Preis pro Tonne CO2 war noch nie so niedrig. Mangelnde Nachfrage für CO2 Zertifkate aufgrund der Wirtschaftskrise, mangelnde Qualität von Zertifikaten von Kohle- und Wasserkraftsprojekten und viel zu niedrige Klimaziele stellen in Frage, ob der Kohlenstoffmarkt überhaupt noch eine Rolle in der Klimapolitik spielt.

Anfang 2009 hat die EU beschlossen 20 Prozent der CO2 Emissionen bis 2020‍ ‍zu reduzieren. Um das zu erreichen wurde ein Emissionshandelssystem geschaffen, in dem Firmen CO2-Zertifikate erhielten, für die sie je eine Tonne CO2 ausstoßen dürfen. Es können auch bis zu einer bestimmten Anzahl Zertifkate von Emissionsreduktionssprojekten in Entwicklungsländern im Rahmen des sogenannten »Clean Development Mechanism (CDM)« gekauft werden. Für jede extra Tonne CO2 für die kein Zertifikat vorhanden ist, muss eine saftige Strafe gezahlt werden. Dies soll einen Anreiz schaffen, dass pro Jahr weniger CO2 ausgestoßen wird. An und für sich ein gutes System.

Wenn nun aber, wie in den letzten Jahren, die Wirtschaft zurück geht hat dies natürlich weniger Industriebetrieb und weniger Emissionen zur Folge. Das heißt für das Emissionshandelssystem, dass die beteiligten Firmen die gesetzten Ziele erreichen, ohne irgendetwas dafür tun zu müssen. Nachdem es nun keine Emissionensziele mehr zu erreichen gibt, ist auch die Nachfrage nach Emissionszertifikaten erheblich zurückgegangen. Auch der Markt hat reagiert und den Preis von Kohlenstoffzertifikaten von 20 bis 30 Euro pro Tonne CO2 auf 6,50 Euro pro Tonne CO2 im Januar 2012 angepasst. Für über 5.000 Emissionsreduktionsprojekte in der ganzen Welt, die darauf hoffen, dass die EU ihre Zertifikate kauft, sieht es schlecht aus.

Tausende von Firmen, die am Kohlenstoffhandel beteiligt sind, fordern nun lautstark, dass gehandelt werden muss, um den Kohlenstoffpreis zu retten. Die einfachste Möglichkeit ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage zu schaffen, ist die Klimaziele erheblich zu erhöhen. Dies wird nun nicht mehr nur von Wissenschaftern sondern auch von der Wirtschaft gefordert. Ob die internationale Politik dazu in der Lage ist diesen Forderungen nachzukommen, ist in der jetzigen Wirtschaftskrise jedoch zu bezweifeln.

Mangelnde Qualität, mangelndes Vertrauen

Der Kohlenstoffmarkt leidet nicht nur an zu wenig Nachfrage. Auch die Qualität der vorhandenen Zertifikate von internationalen CDM-Emissionsreduktionsprojekten ist mangelhaft. Eine Studie zur Integrität des CDM wurde kürzlich von der Europäischen Kommission veröffentlicht. Die Studie identifiziert Emissionsreduktionen von Wasserkraftwerken in Entwicklungsländern als äußerst problematisch, weil es Bedenken gibt, ob diese Projekte nicht auch ohne zusätzliche internationale Finanzierung gebaut werden. CDM Watch und viele andere Organisationen, die sich diese Projekte näher angesehen haben, kommen zu dem klaren Schluss, dass es viele Gründe gibt, dass diese Projekte auch ohne den CDM gebaut werden. Dies bedeutet, dass diese Projekte Zertifikate erzeugen, die in Wirklichkeit gar keine echten Emissionsreduktionen darstellen. Dennoch erlauben sie einem Käufer zum Beispiel in Deutschland pro Zertifikat eine weitere Tonne CO2 auszustoßen. Insgesamt erhöhen diese Projekte also den globalen Emissionsausstoß.

Dasselbe Problem betrifft Kohleprojekte, die für die Verwendung einer effizienteren Technologie Zertifikate bekommen. Diese »effizientere« Technologie würde aber ohnehin angewendet werden, denn Kraftwerksbesitzer wollen bei steigenden Kohlepreisen so effizient wie möglich bauen. Außerdem verlangen Regierungen in Indien und China - wo sich die Kohleprojekte befinden - von allen neuen Kohlekraftwerken, dass sie diese Technologie verwenden. Von technischen Details abgesehen, läuft das Resultat darauf hinaus, dass für jedes Zertifikat von Kohlekraftwerken in Indien und China eine zusätzliche Tonne CO2 ausgestoßen werden darf.

Dies ist signifikant, denn Zertifikate von Wasserkraftwerken werden bis 2020 fast ein Viertel aller Zertifikate ausmachen, und mehr als 40 Kohlekraftwerke warten auf die UN Zertifizierung, um bis 2020 mehrere Millionen Zertifikate auszustellen.

Angesichts des Kohlenstoffpreises ist es nicht nachvollziehbar, dass die EU hier nicht einschreitet und Nutzungseinschränkungen für Emissionsgutschriften mit wenig oder gar keiner ökologischen Integrität schafft.

Ungewisse Zukunft

Gleichzeitig tagt zur Zeit ein sogenanntes »CDM Politik-Dialog Panel« das vom CDM Exekutivrat ins Leben gerufen wurde, und zum Zweck hat, den CDM genau unter die Lupe zu nehmen. Dieses Panel wird bis September 2012 analysieren, welche Rolle der CDM nach 2012 spielen wird. Es bleibt abzuwarten, ob dieses Panel in der Lage ist, die lange Liste der CDM-Krankheiten zu behandeln.

Die EU kauft mit Abstand die Mehrheit der CDM Zertifikate. Daher ist die EU auch in der einzigartigen Position, die Richtung des CDM und die Entwicklung von alternativen oder ergänzenden Marktmechanismen zu beeinflussen. Qualitätsmaßnahmen, wie das Verbot von Zertifikaten von CDM Kohlekraftwerken, können nicht nur die Integritätsprobleme des CDM lösen. Sie würden auch den Kohlenstoffmarkt stabilisieren. Solange aber nicht enorme Schritte gemacht werden, um ambitionierte Klimaziele zu verabschieden, wird der Kohlenstoffmarkt einschließlich neuer Marktmechanismen keine Zukunft haben.

Die Autorin ist Projektkoordinatorin von CDM Watch beim Forum Umwelt und Entwicklung.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2012, Seite 38
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Mai 2012