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KLIMA/298: Kuba - Klimawandel trifft Tabakindustrie (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. März 2014

Kuba: Klimawandel trifft Tabakindustrie

von Ivet González


Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Die Kubanerin Yamilé Venero zieht Tabakblätter auf Fäden auf, die dann zum Trocknen an Stäben befestigt werden
Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

San Juan y Martínez, 10. März (IPS) - Kurz vor dem Ende der Tabakernte hat die Bevölkerung von San Juan y Martínez ihre Hoffnungen auf eine phantastische Produktion begraben. Der kubanische Gemeindebezirk, der weltweit für seinen Spitzentabak bekannt ist, leidet unter den Folgen unerwarteter Niederschläge, die die Sommerzeit in der Region verkürzt haben.

"Das war ein schlechtes, ein rebellisches Jahr, wie wir hier sagen. Es gab sehr viel Regen, was dazu führt, dass die Pflanzen verrottet sind. Tabak braucht Sonne am Tag und Kälte bei Nacht", erläutert der 67-jährige Dámaso Rodríguez, der auf der Valle-Plantage in dem 180 Kilometer westlich von Havanna gelegenen Bezirk in der Provinz Pinar del Río arbeitet. "Sämtliche Abläufe der Tabakproduktion haben sich verzögert", fügt seine Kollegin Yamilé Venero hinzu.

"Es macht keinen Sinn, neuen Tabak zu pflanzen", sagt María Teresa Ventos. Die 54-Jährige kommt jedes Jahr nach San Juan y Martínez, um beim Auffädeln der Tabakblätter zu helfen. Die Tabakindustrie bietet vor allem Frauen alljährlich wiederkehrende Aushilfsjobs.

Seit dem Saisonbeginn im November ist sehr viel Regen auf Pinar del Río niedergegangen. Den Vorhersagen für 2013/2014 zufolge müsste die Provinz 70 Prozent der landesweit mit 26.400 Tonnen veranschlagten Tabakblätter liefern. Doch die klimatischen Anomalitäten haben San Juan y Martínez und dem Nachbarbezirk San Luis, die zusammen 86 Prozent des Tabaks für Havannas kostbarste und teuerste Zigarren produzieren, viel zu sehr zugesetzt.


Mehrfach nachgepflanzt

Lokalen Berichten zufolge verursachten die Niederschläge in Pinar del Río Verluste auf einer 813 Hektar großen Anbaufläche. Weitere 1.000 Hektar von insgesamt 15.000 Hektar, die im Tabakanbauplan der Provinz vorgesehen sind, wurden teilweise geschädigt. Viele Farmen sahen sich deshalb dazu gezwungen, bis zu drei Mal Tabak neu zu pflanzen.

Tabak ist nach Nickel und medizinischen Erzeugnissen Kubas drittwichtigstes Exportprodukt. Im letzten Jahr verdiente der karibische Inselstaat am Tabak 447 Millionen US-Dollar - acht Prozent mehr als im Vorjahr, als das anglo-kubanische Unternehmen 'Habanos S.A' 416 Millionen Dollar erwirtschaftete. Der Konzern ist der einzige Vertreiber kubanischer Zigarren und beliefert 160 Länder. Auch wenn er sein Hauptgeschäft mit Europa macht, sind die weltbekannten kubanischen 'puros' auch in Asien und Nahost gefragt.

Doch nicht nur die Sturmwolken über Pinar del Río im Westen des Landes wirkten sich negativ auf das diesjährige Geschäft aus. Die strengen Anti-Tabak-Gesetze in Europa und die seit einem halben Jahrhundert gegen Kuba verhängte US-Wirtschaftsblockade fordern ihr Tribut.

Um die niederschlagsbedingten Schäden zu kompensieren, haben die Menschen in Pinar die Pflanzsaison, die normalerweise im Januar endet, um 45 Tage verlängert. Dadurch verzögerten sich andere wichtige Abläufe. Zudem ging man dazu über, ebenfalls die qualitativ weniger hochwertigen Blätter abzuernten und zur Maximierung der Erträge mehrmals nachzupflanzen.

Auf der Valle-Plantage sind zwölf männliche Facharbeiter mit der Ernte der Tabakblätter beschäftigt, die in einer Scheune gesammelt werden. Dort ziehen zwölf Frauen die Blätter auf Fäden und befestigen sie zum Trocknen an Stangen, die an langen Reihen entlang der Dachschrägung der Scheune verlaufen.

"Auch wenn die Tabakqualität gelitten hat, gut ist sie allemal", meint Rodríguez. Den routinierten Tabakpflanzer beunruhigt die Entwicklung des Wetters. Es habe sich in den letzten drei Jahrzehnten spürbar verändert, betont er.

Das Zusammenspiel von Temperatur, Bodenbeschaffenheit und Feuchtigkeit in der Region Vuelta Abajo im Westen der Provinz gibt den handgedrehten Havanna-Zigarren den besonderen Geschmack und das Aroma. Bis zu ihrer Fertigstellung durchlaufen die 'Havannas' 190 verschiedene Arbeitsschritte. Schon Kubas Indigene hatten den Tabak vor der Ankunft der Kolonisatoren 1492 geraucht.

Nach Aussagen von Dayana Hernández und Aliet Achkienazi, Wissenschaftlerinnen am staatlichen Meteorologischen Institut, werden die Temperaturen im Verlauf dieses Jahrzehnts in dem Gebiet weiter steigen und damit die klimatischen Bedingungen verändern, die den kubanischen Zigarren ihren besonderen Geschmack und auch die geschützte Ursprungsbezeichnung (PDO) verleihen.


Auswirkungen zeigen sich in einigen Jahrzehnten

Die Untersuchung 'Auswirkung des Klimawandels auf den Tabakanbau im Gebiet von Pinar de Río, Kuba' konzentriert sich insbesondere auf die produktiven Provinzbezirke einschließlich San Juan y Martínez und San Luis. Auf der Grundlage künftiger Klimaszenarien rechnen die Autorinnen in einigen Jahrzehnten mit einem Rückgang der Ernten. Im Norden werden ihrer Ansicht nach die Temperaturen weitgehend stabil bleiben und die 25-Grad-Grenze nicht überschreiten.

Der Studie zufolge ließen sich Auswirkungen des Klimawandels durch eine nachhaltige Entwicklung der Tabakblätter abmildern. Hernández und Achkienazi zufolge wäre es wichtig, das gestörte Gleichgewicht der Niederschlagsmuster auf den Plantagen weiter zu untersuchen.

Francisco José Prieto ist Manager der Valle-Plantage. Er selbst besitzt ein 4,5 Hektar großes Areal, das schon sein Großvater bewirtschaftet hatte. Prieto hat seinen Tabak besonders früh ausgebracht und konnte dadurch bereits zum Zeitpunkt der Niederschläge die erste Ernte einfahren. "Ich musste nicht neu pflanzen", erläutert der Farmer gegenüber IPS, der zudem der Tomás-Valdés-Kredit- und Dienstleistungskooperative (CCS) vorsitzt, in der 50 Farmen in Vuelta Abajo zusammengeschlossen sind.

Die CCSs waren in den 1990er Jahren als freiwillige Vereinigungen von Kleinbauern geschaffen worden, die ihre Eigentumsrechte über ihr Land behalten haben und sich den kollektiven Zugang zu Technologien, Finanzmitteln und Hilfen beim Vertrieb ihrer Erzeugnisse sichern konnten.

Doch trotz aller Anstrengungen fürchtet Prieto, dass die Ernte nicht so gut sein wird wie letztes Jahr, als seine Farm fast 7.300 Kilo Tabak abgeworfen hatte. Ein Rekordergebnis, wie der Farmer sagt, der bodenschonende Techniken einsetzt und seinen Tabak nur einmal besprüht. Er berichtet, dass er auch Mais und Schwertbohnen anbaut, um die Bodenqualität zu verbessern. "Sie sorgen für Schatten, halten die Nährstoffe im Boden, die ansonsten vom Regen weggeschwemmt würden, und fungieren als Ökodünger."


Bevölkerung von jeder Ernte abhängig

Die 44.863 Menschen, die in San Juan y Martínez in einfachen Häusern auf großen Grundstücken verteilt leben, sind davon abhängig, dass jede einzelne Ernte ein Erfolg wird. "Wir erhalten feste Löhne und Produktivitätsboni", erläutert die Gewerkschaftsführerin Celeste Muñoz.

Laut Muñoz, die den Tabak seit 17 Jahren im Zentrum der Produktion, Selektion und Weiterverarbeitung zu Zigarren rollt, hat ihr Team aus 50 Frauen versucht, so viele Blätter wie möglich zu retten. Ob es nun am Klimawandel, am Dünger oder an der Tabaksorte liegt - was die Ernte letztendlich verringert hat, vermag sie nicht zu sagen. "Früher", versichert sie jedoch mit viel Nostalgie in ihrer Stimme, "konnten wir aus einer Ernte mehr als 46.000 Kilogramm Tabak gewinnen". (Ende/IPS/kb/2014)


Links:

http://www.ipsnoticias.net/2014/03/lluvias-destiempo-apagan-el-tabaco-cubano/
http://www.ipsnews.net/2014/03/untimely-rains-hit-cuban-tobacco-harvest/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 10. März 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. März 2014