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KLIMA/373: Pakistan - Gefahr durch Gletscherseen, Klimaanpassungsmaßnahmen für Gebirgsbewohner (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. Januar 2015

Pakistan: Gefahr durch Gletscherseen - Klimaanpassungsmaßnahmen für Gebirgsbewohner

von Saleem Shaikh und Sughra Tunio


Bild: © Saleem Shaikh/IPS

Arbeiter beim Bau eines Schutzwalls für die Talbewohner von Bindo Gol im Norden Pakistans
Bild: © Saleem Shaikh/IPS

Bindo Gol, Pakistan, 26. Januar (IPS) - Khaliq-ul Zaman, ein Bauer aus dem entlegenen Tal Bindo Gol in der nordpakistanischen Provinz Khyber Pakhtunkhwa, lebt seit langem unter dem Damoklesschwert einer Katastrophe.

Auf den ersten Blick erscheint das malerische Bergtal mit seinen fruchtbaren Böden und reichen Frischwasservorräten als idealer Ort zum Leben. Doch die Menschen vor Ort müssen stets damit rechnen, dass Gletscherseen über ihre Ufer treten und das Tal überschwemmen.

Das Problem führen Experten auf den Klimawandel zurück, der mit einem Anstieg der Temperaturen und stärkeren Regenfällen einhergeht. Im gebirgigen Norden Pakistans sind dadurch bedingte Erdrutsche, Überschwemmungen und Bodenerosion inzwischen häufig zu beobachten. Vielfach sind die Bewässerungskanäle verstopft, durch die das Wasser aus den Gebirgsflüssen auf die Felder gelangt.

"Für meine Familie ist alles schwieriger geworden", sagt Zaman, der bereits mehrfach mit dem Gedanken gespielt hat, die Landwirtschaft aufzugeben und sich in Chitral Arbeit zu suchen. Die Stadt liegt etwa 60 Kilometer entfernt.

Auch Azam Mir, der Weizen anbaut, ist in Sorge. Der ältere Mann, der in dem Dorf Drongah in Bindo Gol lebt, erinnert sich nur allzu gut an den verheerenden Erdrutsch 2008, durch den zwei der ältesten Bewässerungskanäle in der Region zerstört wurden. Viele Bauern mussten damals die Landwirtschaft aufgeben und in andere Dörfer umziehen. "Und diejenigen, die bleiben mussten, litten an Hunger und Krankheiten, die durch Wasser übertragen werden."

Doch dank einer öffentlich-privaten Partnerschaft, die Maßnahmen zur Klimaanpassung und -abmilderung fördert, dürfen die lokalen Gemeinschaften inzwischen wieder auf bessere Zeiten hoffen.


3.000 Gletscherseen

Die Pakistanische Meteorologiebehörde (PMD) hatte 2010 etwa 2.400 potenziell gefährliche Gletscherseen in den entlegensten Gebirgszonen ausgemacht. Inzwischen hat sich die Zahl auf mehr als 3.000 erhöht. Allein im Distrikt Chitral liegen 549 Gletscher, von denen 132 als 'gefährlich' eingestuft werden. Um das Leben und die Existenz von Millionen Menschen nicht aufs Spiel zu setzen, muss nach Ansicht von Experten unverzüglich gehandelt werden.

Zu den bislang erfolgreichsten Hilfsinitiativen gehört ein auf vier Jahre angelegtes Projekt, das vom UN-Anpassungsfonds, vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) und von der Regierung Pakistans mit 7,6 Millionen US-Dollar finanziert wird.

Das 2010 vereinbarte Projekt zielt vor allem darauf ab, Menschenleben zu schützen, Existenzen zu sichern, bestehende Bewässerungskanäle zu erhalten und Schutzdämme und andere Infrastrukturen zu bauen.

Es hat den Menschen am Ort bereits enorme Vorteile gebracht. So stellt es in mehr als zwölf Dörfern die ständige Zufuhr von Wasser für Haushalte und die Bewässerung der Felder sicher. "Wir haben vor, solche Infrastrukturmaßnahmen in weiteren zehn Ortschaften durchzuführen. Hunderte Familien im Tal werden davon profitieren", meint der Projektmanager Hamid Ahmed Mir.

Weiter entfernt, im Bagrot-Tal von Gilgit, einem Distrikt der an Khyber Pakhtunkhwa angrenzenden Provinz Gilgit-Baltistan, setzen Hilfsorganisationen ähnliche Programme um. Zahid Hussain, der für ein Klimaanpassungsprojekt in Bagrot arbeitet, berichtet, dass etwa 16.000 Bewohner von Gletscherseen und Sturzfluten bedroht sind. Wetteranomalien haben zudem im vergangenen Jahr bestehende Sanitär- und Bewässerungsanlagen beschädigt.

Bild: © Saleem Shaikh/IPS

Junger Hirte mit seiner Herde im nördlich gelegenen Bagrot-Tal
Bild: © Saleem Shaikh/IPS

Über das Bagrot-Tal, das etwa 800 Kilometer von der pakistanischen Hauptstadt Islamabad entfernt ist, sind zehn Dörfer verteilt, die ihren Wasserbedarf fast vollständig aus Flüssen decken, die in den Karakoram-Bergen entspringen, die Teil des Hindukuschs sind. Dort befinden sich die meisten Gletscher außerhalb der Polarregionen.

Talbewohner wie der Bauer Sajit Ali setzen ihre Hoffnungen in die Entwicklung von Infrastrukturen, die die Wasserversorgung gewährleisten und die Bevölkerung vor Überschwemmungen schützen können.

Um humanitären Krisen vorzubeugen, empfehlen Experten die Stärkung der Resilienz der Gemeinschaften, Aufklärungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen, den Aufbau von Kontrollstationen, die Entwicklung von Lageplänen und die Einführung von Frühwarnsystemen.

Wie Khalil Ahmed, der nationale Programm-Manager des Projekts, erläutert, werden die Bewohner der Regionen nun rechtzeitig vor bevorstehenden Überschwemmungen gewarnt. Die Familien hätten dadurch ausreichend Zeit, sich in sicherere Gebiete zu begeben.

In Bindo Gol und Bagrot wurden inzwischen mehr als 15 Notunterkünfte errichtet. Allein in den vergangenen 17 Monaten sind Pakistan sieben Mal Gletscherseen über die Ufer getreten. Dadurch wurden nicht nur Menschen vertrieben, sondern auch Ernten zerstört, wie der Klimaexperte Ghulam Rasul aus Islamabad berichtet. Ahmed zufolge konnten mindestens 16.000 Vertriebene auch Monate nach den Desastern noch immer nicht in ihre Dörfer zurückkehren.

Die Lage droht sich mit dem fortschreitenden Temperaturanstieg in den Gebirgszonen im Norden Pakistans weiter zu verschlimmern. (Ende/IPS/ck/2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/01/in-the-shadow-of-glacial-lakes-pakistans-mountain-communities-look-to-climate-adaptation/

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IPS-Tagesdienst vom 26. Januar 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Januar 2015


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