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LATEINAMERIKA/024: Streit um teuren Anden-Tunnel - NGOs fordern Umweltgarantien (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. Oktober 2010

Südamerika:
Streit um teuren Anden-Tunnel - NGOs fordern Umweltgarantien

Von Marcela Valente


Buenos Aires, 7. Oktober (IPS) - Die Straße über den Andenpass Agua Negra, der auf einer Höhe von fast 4.800 Metern Argentinien mit Chile verbindet, ist nicht asphaltiert. Autos dürfen den Pass auch nur im Sommer auf der Südhalbkugel, zwischen Dezember und März, befahren. Den Rest des Jahres über toben hier oben Schneestürme. Aber auch im Sommer ist die Schotterstrecke für Fahrzeuge ohne Allradantrieb kaum zu empfehlen.

"Auf einigen Streckenabschnitten gibt es nur eine Spur, was sehr gefährlich ist, auch wegen des ständigen Steinschlags. Und die Reifen befinden sich immer in Gefahr", erklärt die Anwältin Silvia Villalonga von der nichtstaatlichen Stiftung unabhängiger Bürger in der im Nordwesten Argentiniens gelegenen Provinz San Juan.

Der wichtigste Grenzübergang zwischen Argentinien und Chile in der Andenregion ist der Tunnel 'Los Libertadores' (Die Befreier), der auf 2.200 Metern Höhe zwischen der westargentinischen Provinz Mendoza und der zentralchilenischen Region Valparaíso verläuft. Rund 2.500 LKW werden hier Tag für Tag gezählt. Schneestürme sorgen dafür, dass der Tunnel an rund 40 Tagen im Jahr ohne Vorankündigung geschlossen werden muss. Sowohl auf der argentinischen als auch auf der chilenischen Seite kommen dann jedes Mal Tausende LKW nicht von der Stelle.


Neues Tunnelprojekt soll regionalen Handel vorantreiben

Vor diesem Hintergrund entstand die Idee, bei Agua Negra einen Tunnel zu bauen, der die Anden durchquert. Während die Regierungen von Argentinien und Chile sich für das Projekt aussprechen, fordern Bürgerorganisationen Transparenz und Mitsprache. Anwältin Villalonga wägt ab: "Der Tunnel könnte für San Juan sehr nützlich sein. Dem müssen aber die Kosten gegenübergestellt werden."

Das Tunnelprojekt ist in einen größeren Zusammenhang eingebettet: Der sogenannte 'Korridor zwischen den Meeren' soll die am Pazifik gelegene nordchilenische Stadt Coquimbo mit der südostbrasilianischen Metropole Porto Alegre am Atlantik verbinden. Der 39. Gipfel des Gemeinsamen Marktes des Südens (MERCOSUR), der im August im argentinischen San Juan stattfand, signalisierte seine Unterstützung für das Agua Negra-Projekt. Die Staatschefs versprechen sich durch den Tunnel mehr Integration in Südamerika und eine deutliche Zunahme des Handels in Richtung Pazifikhäfen.

Nichtregierungsorganisationen kritisieren indes die mangelnde Bürgerbeteiligung - die Stiftung unabhängiger Bürger ist dabei keineswegs grundsätzlich gegen den Tunnel. Ganz im Sinne des kürzlich von Argentinien beschlossenen Gletscherschutzgesetzes müssten allerdings ökologische Aspekte berücksichtigt werden, fordern sie.

Bei den Gletschern handelt es sich um große Süßwasserspeicher. Sie sind gerade in der trockenen Andenregion wichtig, weil dort der Zugang zu Wasser oft schwierig ist. Mit einem Investitionsvolumen von rund 800 Millionen US-Dollar ist das Projekt zudem sehr teuer. Es wird mit einer Baudauer von vier Jahren ab 2014 gerechnet.


Empfindliches Ökosystem

Die Architektin Alicia Malmod von der Universidad Nacional de San Juan verspricht sich von dem Großprojekt eine Aufwertung der bislang vernachlässigten argentinischen Region, vor allem der Provinz San Juan. Der Tunnel werde den Menschen mehr Lebensqualität bringen, hofft sie.

Malmod ist sich aber auch der Gefahren für das empfindliche Ökosystem der Anden bewusst. Noch dazu ist das Gebiet erdbebengefährdet. Die Architektin fordert eine stärkere Einbindung der Bürger. Es ergebe sich außerdem die Chance, grundsätzlich über die Bergbauaktivitäten in der Region zu diskutieren, die sich in letzter Zeit zunehmend entfalteten, sagte sie.

In der Provinz San Juan sind 26 Bergbauprojekte registriert, die sich in unterschiedlichen Stadien befinden. Die meisten sind noch in der Erkundungsphase. Die Projekte sind mehrheitlich in der Nähe der argentinisch-chilenischen Grenze angesiedelt. Auf den größten Widerstand stößt das Bergbauvorhaben Pascua Lama des kanadischen Unternehmens Barrick Gold: Umweltschützer sehen mehrere Gletscher bedroht. (Ende/IPS/bs/2010)


Links:
http://www.tierramerica.info/nota.php?lang=esp&idnews=3737
http://www.iirsa.org/proyectos/Index.aspx
http://www.fucimineria.blogspot.com/
http://www.unsj.edu.ar/
http://www.iirsa.org/index.asp?CodIdioma=ESP
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=96575

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 7. Oktober 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Oktober 2010