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LATEINAMERIKA/028: Jamaika - Highway in Feuchtgebiet, Bauprojekt löst Sturm der Empörung aus (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. November 2010

Jamaika: Highway in Feuchtgebiet - Bauprojekt löst Sturm der Empörung aus

Von Zadie Neufville


Kingston, 3. November (IPS) - Eine geplante Straße durch das geschützte Feuchtgebiet Palisadoes auf Jamaika hat Naturschützer in Aufruhr versetzt. Sie drohen der Regierung damit, vor Gericht zu ziehen, sollten keine Nachweise für Umweltverträglichkeit erbracht werden.

Wissenschaftler und Naturschützer werfen der für das Projekt zuständigen Nationalen Arbeitsagentur (NWA) und der Umweltbehörde (NEPA) vor, mögliche negative Folgen für die Umwelt außer acht zu lassen. In dem Gebiet sind schätzungsweise rund 300 Tier- und Pflanzenspezies heimisch, darunter sechs lokale Kakteenarten.

Die Öffentlichkeit empört sich über die Eile, mit der die Behörden das Bauvorhaben auf der 14 Kilometer langen Halbinsel Palisadoes vorantreiben wollen. Die neue Straße soll 2,5 Kilometer lang werden. Die Grüngruppen fordern eine Umweltverträglichkeitsstudie und ein Mitspracherecht für die Bevölkerung.

Die Halbinsel Palisadoes verbindet die Hauptstadt Kingston mit der historischen Stadt Port Royal und dem größten Flughafen der Karibikinsel. Vor drei Jahren wurde bereits eine Studie für ein ähnliches Projekt in dem Küstengebiet erstellt. Die Aktivisten verlangen jedoch eine neue Begutachtung, zumal bisher noch nicht einmal alle Einzelheiten der neuen Infrastrukturmaßnahme bekannt sind.


Raubbau an Mangroven und Wasserverschmutzung

In dem 13.000 Hektar großen Gebiet, durch das die Straße führen soll, liegen viele kleine Inseln, die bis Anfang des 20. Jahrhunderts von Wasser umgeben waren, sowie Mangrovenwälder. Der nationale Naturpark wird auch im Rahmen der internationalen Ramsar-Konvention über Feuchtgebiete geschützt.

Über die Jahrzehnte sind die Mangrovenwälder jedoch stark dezimiert worden. Die nahe gelegene Hauptstadt hat auch dafür gesorgt, dass das Wasser verschmutzt wurde und keine Fische mehr gefangen werden. Auch die Badestrände von Kingston können nicht mehr genutzt werden.

Die Wissenschaftler Mona Webber und Karl Aiken von der University of the West Indies sehen zwar auch Vorteile durch eine neue Straße. Dem Projekt stehen sie aber überwiegend skeptisch gegenüber. In einem gemeinsamen Artikel schrieben sie kürzlich: "Wir meinen, dass die Umweltschäden, die in diesem Gebiet angerichtet werden, beträchtlich sind."

Die Bauarbeiten begannen allerdings bereits vor etwa zwei Monaten. NWA und NEPA lehnen jegliche öffentlichen Diskussionen ab, obwohl das Projekt von dem 2008 präsentierten Entwurf erheblich abweicht. Ingenieure kritisierten zudem, dass sich die voraussichtlichen Kosten seitdem auf rund 65,7 Millionen US-Dollar verdoppelt hätten.

Umweltschützer warnten indes davor, dass der Straßenbau auch die Mangroven zerstören würde, die seit zwei Jahren zum Schutz der Sanddünen auf der Halbinsel nachgepflanzt werden. Die Hurrikane 'Ivan' 2004 und 'Dean' 2007 hatten zu starken Überschwemmungen geführt. Gefahr besteht auch für die Sandbank, die Kingston zum siebtgrößten natürlichen Hafen weltweit macht.

Verkehrsminister Michael Henry hatte zugesichert, dass das Projekt den Flughafen und die Infrastruktur im Hafen von Kingston schützen würde. Webber und Aiken befürchten hingegen vor allem größere Schäden an den Ökosystemen. Aiken rechnet damit, dass zahlreiche Insekten und Pilze vernichtet werden. Umweltaktivisten werfen den Projektverantwortlichen zudem vor, den Parkplatz für die Baufahrzeuge mitten in das Habitat der seltenen Kakteenart 'Opuntia Tuna' gelegt zu haben.

NWA-Direktor Patrick Wong versuchte die Projektgegner Anfang Oktober mit dem Versprechen zu beschwichtigen, dass statt der vorgesehenen vier nur noch zwei Spuren gebaut würden. Obgleich mehrere Sanddünen entfernt werden müssten, sehen die Verantwortlichen aber keine Veranlassung zu einer neuen Umweltstudie.

Das Palisadoes-Projekt ist Teil eines auf fünf Jahre angelegten Infrastrukturprogramms, das Straßen von einer Länge von mehr als 570 Kilometern wieder nutzbar machen soll. Finanziert werden die Arbeiten durch ein Darlehen in Höhe von 465 Dollar der Chinesischen Export-Importbank und eine Treibstoffsteuer von zehn Cent pro Liter. (Ende/IPS/ck/2010)


Links:
http://www.nepa.gov.jm/index.asp
http://www.ramsar.org/cda/en/ramsar-home/main/ramsar/1_4000_0__
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=53301

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. November 2010