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LATEINAMERIKA/044: Peru - Mega-Energieprojekt mit Brasilien bedroht artenreiche Urwaldgebiete (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. Dezember 2010

Peru: Mega-Energieprojekt mit Brasilien bedroht artenreiche Urwaldgebiete

Von Milagros Salazar


Lima, 28. Dezember (IPS/IFEJ*) - Brasilien und Peru planen gemeinsam den Bau von fünf Wasserkraftwerken. Das bilaterale Energieabkommen erfordert aber nicht nur hohe Investitionen. Unabhängigen Experten zufolge wird auch der Preis für die Umwelt erheblich sein. Binnen 20 Jahren drohen demnach fast 15.000 Quadratkilometer intakter Urwald in Peru vernichtet zu werden.

Um die Kraftwerke zu errichten und die Stromübertragungsleitungen zu verlegen, müssten neue Straßen von insgesamt rund 1.000 Kilometern Länge durch den Amazonas-Dschungel verlegt werden, stellt der Ingenieur José Serra von der Umweltorganisation 'ProNaturaleza' in einer Studie fest.

Die beiden südamerikanischen Länder haben in ihrem im Juni geschlossenen Abkommen vereinbart, gemeinsam bis zu 7.400 Megawatt Strom zu produzieren. Unter anderem ist im Südosten das Inambari-Kraftwerk geplant. Damit würden die Departements Cusco, Madre de Dios und Puno am Rande des Amazonaswaldes zum fünftgrößten Stromproduzenten Lateinamerikas.

Neben dem Projekt 'Mainique 1' in Cusco sollen außerdem im zentralperuanischen Departement Junín die Kraftwerke 'Paquitzapango', Tambo 40' und 'Tambo 60' entstehen. Die Kosten werden auf 13,5 Milliarden bis 16,5 Milliarden US-Dollar geschätzt.

Serra warnt in seiner Studie jedoch davor, das die Vorhaben die artenreiche Flora und Fauna in der Region akut gefährden. Im Gebiet des geplanten Inambari-Stausees sind bedrohte Spezies wie das schwarze Rebhuhn und der Schwarztinamu zu finden.

"Die Auswirkungen auf das Amazonas-Ökosystem werden gravierend sein", erklärte der Ingenieur. Er wies auch auf die schweren Schäden hin, die bereits durch den Bau des 'Corredor Vial Interoceanico Sur' verursacht wurden. Dabei handelt es sich um eine Autobahn, die Peru mit Brasilien verbindet.


Naturschutzgebiet droht Schaden zu nehmen

Das Inambari-Projekt wird auch dem für seine Biodiversität bekannten Nationalpark Bajuaja-Sonene in Mitleidenschaft ziehen. Laut Serra bieten die Becken der Flüsse Inambari und Araza bisher zahlreichen Fischen ideale Laichgründe, die durch den Stausee zerstört würden. Die Menschen in der Region, die von dem Fisch lebten, würden damit nicht mehr genug Nahrung finden. In Peru sind bislang 1.000 Fischarten heimisch. Damit liegt das Land weltweit an fünfter Stelle. Laut der Studie sind allein im Fluss Madre de Dios etwa 600 Spezies zu finden.

Die Entwaldung würde zudem zu stärkeren Sedimentablagerungen im Stausee führen, erklärte Serra. Dadurch würde der Nährstoffgehalt des Wassers abnehmen, was eine Schädigung der verbleibenden Wälder zur Folge hätte. Die Zersetzung der ursprünglichen Vegetation in dem Stausee würde wiederum Treibhausgase wie Methan produzieren, das 20 Mal so intensiv sei wie Kohlendioxid. Wasserkraft als saubere Energie zu bezeichnen, sei daher unhaltbar, meinte der Experte. "Der Schlamm, der sich in ehemaligen Stauseen abgesetzt hat, enthält alle Arten von chemischen Schadstoffen, die eine tödliche Wirkung haben können", betonte Serra.

Der mit brasilianischem Kapital arbeitende Stromerzeuger 'Egasur', der das Inambari-Projekt verantwortet, registrierte bereits 139 Baum-, Strauch- und Grasarten in dem Gebiet. In der Trockenzeit wurden auch bis zu 50 Amphibien- und 203 Vogelspezies beobachtet. Außerdem kommen dort auch 25 mittlere und große Säugetierarten vor.

Mariano Castro von der Peruanischen Gesellschaft für Umweltrecht kritisierte, dass aus staatlicher Sicht allein die wirtschaftliche Dimension des Energieprojektes zähle. "Die hohen Kosten für die Umwelt werden dagegen nicht in Betracht gezogen. Dabei ist gerade der Schutz der Natur eine wichtige Voraussetzung für nachhaltige Investitionen."

Im Umkreis des Ene-Flusses, wo das Paquitzapango-Kraftwerk in Betrieb gehen soll, bangen auch die Ureinwohner vom Ashaninka-Volk um ihre Wohngebiete. 18 Gemeinden müssen umziehen, wenn das Gebiet geflutet wird. Der Biologe Ernesto Ráez vom Zentrum für nachhaltige Umweltentwicklung an der Universität Cayetano Heredia warnte auch vor einem Fischschwund in dem Gewässer.


Peru erstellte keine Umweltverträglichkeitsstudie

Die Regierung von Peru hätte vor der Unterzeichnung des Abkommens mit Brasilien eine Umweltverträglichkeitsstudie in Auftrag geben müssen, kritisierte Castro im Gespräch mit IPS. Es sei zudem ein schwerer Fehler gewesen, andere mit Umwelt- und Ureinwohnerfragen befasste Behörden nicht an dem Projekt beteiligt zu haben.

Castro und Serra stimmten darin überein, dass Peru keine neuen Wasserkraftwerke im Amazonas-Gebiet bräuchte, um seinen Energiebedarf zu decken. Das Land verfüge bereits jetzt über eine installierte Kapazität von mehr als 6.000 Megawatt. Bis 2020 wird sich die Nachfrage wahrscheinlich auf etwa 12.000 Megawatt verdoppeln. Nach Ansicht der Experten kann diese Strommenge aber ohne Schwierigkeiten mit Hilfe von Ressourcen im Gebiet der Anden-Kordilleren und in den Küstenregionen erzeugt werden. (Ende/IPS/ck/2010)

* Dieser Beitrag ist Teil einer Serie von IPS und der 'International Federation of Environmental Journalists' (IFEJ) zum Thema nachhaltige Entwicklung.


Links:
http://www.pronaturaleza.org/
http://www.spda.org.pe/
http://www.ifej.org
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=97207

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Dezember 2010