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MEER/331: Müllkrise am Mittelmeer (WWF)


WWF Pressemitteilung - 7. Juni 2019

Müllkrise am Mittelmeer


Die Länder rund um das Mittelmeer scheitern daran, ihren Kunststoffmüll umweltverträglich zu entsorgen. So gelangen mehr als eine halbe Million Tonnen Plastik pro Jahr ins Mittelmeer, das entspricht 33.800 Plastikflaschen pro Minute. Dies geht aus einer aktuellen WWF-Analyse des WWF-Mittelmeerprogramms hervor.

Beliebte Reiseziele zählen zu den meistverschmutzten Gegenden. Die Hälfte des Plastikeintrags geht auf küstennahe Aktivitäten zurück. Anders als im offenen Ozean wird im Mittelmeer 80 Prozent des Plastikmülls innerhalb von 10 Jahren wieder angespült. Täglich sammeln sich fünf Kilogramm Kunststoffmüll pro Küstenkilometer an. Neben der türkischen Region Kilikien zählen zu den meistverschmutzen Küstenlinien beliebte Reiseziele wie Barcelona, Tel-Aviv, Valencia, die Bucht von Marseille und die Küste bei Venedig und dem Po-Delta. "Der Tourismus erhöht den Druck aufs Mittelmeer zusätzlich. Die kommunale Abfallentsorgung kann mit dem saisonal anwachsenden Müllaufkommen oft nicht mithalten. Während der Urlaubszeit steigt die Abfallbelastung des Mittelmeers in den Touristenregionen um bis zu 40 Prozent", sagt Bernhard Bauske, Experte für Plastikmüll des WWF Deutschland. Rund 200 Millionen Reisende besuchen die Küsten der Mittelmeerregion pro Jahr.

"Die Natur zahlt den höchsten Preis für die Verschmutzung des Mittelmeeres. Doch auch für die Wirtschaft wird die Plastikflut teuer", warnt Bernhard Bauske. Meeresmüll verursacht jährlich 641 Millionen Euro Kosten für Tourismus, Fischerei und maritime Wirtschaft. Gleichzeitig tragen Wirtschaftszweige wie der Seehandel und die Fischerei zur Misere bei: 20 Prozent des Kunststoffmülls im Mittelmeer sind verlorene Ladung oder Fischereigerät.

Plastikimporteur Türkei: Deutscher Plastikmüll bindet Recyclingkapazität

Der chinesische Importstopp für Plastikmüll hat zu Verschiebungen im globalen Handel mit Kunststoffabfällen geführt. Seit 2018 gehört die Türkei zu den zehn größten Plastikmüll-Importländern der Welt und nimmt steigende Müllmengen aus Großbritannien, Belgien und Deutschland auf. Über 50.000 Tonnen Kunststoffmüll hat Deutschland 2018 in die Türkei geschickt. "Ein Großteil der Recyclingkapazität in der Türkei wird für den importierten Plastikmüll eingesetzt, weil diese Abfälle besser sortiert sind als der lokal anfallende Müll. Im schlimmsten Fall besteht die Gefahr, dass Plastikmüll nicht umweltgerecht recycelt wird und so unkontrolliert in die Umwelt gelangt", so WWF-Experte Bauske. "Statt die Recyclinganlagen anderer Länder mit deutschem Plastikmüll zu verstopfen, sollte Deutschland andere Staaten noch intensiver dabei unterstützen, bessere Sammel- und Sortiersysteme zu etablieren."

Der WWF fordert Deutschland und die EU auf, sich noch intensiver als bisher für ein internationales UN-Abkommen gegen den Eintrag von Plastikmüll ins Meer einzusetzen, das auch die Grundlage für solch technische Zusammenarbeit weniger entwickelten Staatenlegt.

Die WWF-Analyse sieht die Ursache für die Verschmutzung des Mittelmeeres in einem mangelhaften System, das sich auf Versäumnisse bei Produzenten, Behörden und Verbrauchern stützt. Mehr als die Hälfte des im Mittelmeerraum produzierten Kunststoffs landet binnen einen Jahres in der Mülltonne. Der Hauptanteil endet auf der Deponie oder in der Verbrennungsanlage, nur ein Bruchteil wird wiedergenutzt oder recycelt. Im Mittelmeerraum werden überdurchschnittlich viele Plastikgüter hergestellt, pro Kopf 23 kg mehr als im globalen Mittel. "Unser Umgang mit Plastik stimmt hinten und vorne nicht. Alle Mittelmeerstaaten scheitern bei der Abfallsammlung und müssen ihren gesamten Umgang mit Plastik und Verpackungen überarbeiten. Wir müssen Herstellung und Verbrauch von Kunststoff drosseln und ernsthaft in Recycling und Mehrwegsysteme investieren. Nur so können wir Plastikmüll aus dem Mittelmeer heraus halten", sagt Guiseppe die Carlo, Direktor des WWF-Mittelmeerprogramms. Abfallentsorgung und Recyclinganlagen sind rund ums Mittelmeer unterschiedlich gut ausgebaut. Offene Mülldeponien sind vielerorts noch verbreitet, so dass Müll über die Flüsse ins Meer geschwemmt wird. Von den 24 Millionen Tonnen der jährlich in den Mittelmeerländern anfallenden Plastikabfälle werden 6,6 Millionen Tonnen schlecht verwaltet, d.h. sie werden entweder gar nicht erst eingesammelt oder nach Sammlung auf illegalen Deponien oder in der offenen Landschaft verklappt. Diese zweifelhaften Methoden der 'Entsorgung' sind die Hauptquellen des Eintrags von Plastikmüll ins Mittelmeer. Die drei Anrainerstaaten Ägypten, Türkei, und Italien sind verantwortlich für zwei Drittel der Kunststoffabfälle, die in die Umwelt gelangen.


WWF-Report: Stop The Flood of Plastic - How Mediterranean Countries can save their Sea [PDF, 4 MB]
https://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/WWF-Report_Mediterranean_Stop_The_Flood_of_Plastic.pdf

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Quelle:
WWF Pressemitteilung, 07.06.2019
Herausgeber: WWF Deutschland
Reinhardtstraße 14, 10117 Berlin
Tel.: 030 311 777 - 0, Fax: 030 311 777 - 603
E-Mail: info@wwf.de
Internet: www.wwf.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juni 2019

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