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ÖKOSYSTEME/036: Chile - Naturparadies in Gefahr, Wasserkraftwerk zerstört Artenvielfalt und Kulturerbe (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. Februar 2013

Chile: Naturparadies in Gefahr - Wasserkraftwerk zerstört Artenvielfalt und Kulturerbe

von Marianela Jarroud


Bild: © Marianela Jarroud/IPS

Der Neltume-See
Bild: © Marianela Jarroud/IPS

Neltume, Chile, 6. Februar (IPS) - Das spanisch-italienische Konsortium 'Endesa-Enel' will am Fluss Fuy in der 'Región de los Ríos' in Chile ein Wasserkraftwerk bauen. Die Mapuche, die in der Gegend beheimatet sind, betrachten das Vorhaben als Angriff auf ihre Kultur und fordern eine ausdrückliche Positionierung der Politik.

"Das hier ist ein Paradies. Dass es zerstört werden soll, ist eine große psychische Belastung für unser Volk", sagt Guido Melinao, Anführer der Mapuche-Gemeinde Valeriano Cayicul.

781 Millionen US-Dollar soll das Staudammprojekt mit einer geplanten installierten Kapazität von 490 Megawatt kosten. Pro Jahr sollen so 1.885 Gigawattstunden Strom erzeugt werden. Das geplante Kraftwerk soll sich mit Wasser aus dem Fluss Fuy speisen und es anschließend in den Neltume-See abfließen lassen. Darüber hinaus will Endesa-Enel eine Stromtrasse bauen, um den Strom ins chilenische Netz einspeisen zu können.

Bereits im Februar 2010 wurde das Bauvorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen. Da es rund 500 Einwände gab, wurde das Projekt zunächst abgelehnt. Im Dezember 2011 hat das Energiekonsortium das Projekt erneut eingereicht. Im Januar 2011 lehnte der staatliche Regionalrat das Vorhaben mit der Begründung ab, es sei mit lokalen Entwicklungsprogrammen nicht kompatibel. Eine offizielle politische Entscheidung steht allerdings noch aus.


Sieben-Seen-Landschaft bei Touristen beliebt

Der Neltume-See gehört zu der gleichnamigen Ortschaft in der Gemeinde Panguipulli, 860 Kilometer südlich der Hauptstadt Santiago de Chile. Die Gegend wird als Sieben-Seen-Landschaft bezeichnet und ist eine der Haupttouristenattraktionen der Región de Los Ríos. Neben den Seen finden sich hier etliche Flüsse und üppige Wälder.

"Für die Mapuche ist die Region ein Rückzugsort. Trotz der fortschreitenden Industrialisierung haben sie hier noch immer ihren eigenen Raum, ihr eigenes Territorium", sagt Juan Carlos Skewes, Leiter des Fachbereichs für Anthropologie an der Alberto-Hurtado-Universität, der in der Sieben-Seen-Landschaft anthropologische Studien durchgeführt hat.

"Die Gemeinschaften leben hier nach alten Traditionen ihrer Vorfahren", sagt Skewes. In der Regel wollen die Mapuche den Blick auf den Sonnenaufgang frei haben und ihren Platz zwischen Vulkan und See bewahren. Der Neltume-See ist von Gebirgszügen umgeben und gibt den Blick auf den Vulkan Choshuenco frei. Am Ufer des Sees liegt der "rewe", ein Totem, das Hauptbestandteil einer der traditionellen Zeremonien der Huilliche-Mapuche ist.

"Die meisten Chilenen wissen nichts von diesen Traditionen. Das liegt auch daran, dass es kaum schriftliche Überlieferungen dazu gibt", sagt Skewes. Die Traditionen seien bereits rund 700 Jahre alt.


Geld gegen Zustimmung

Die Mapuche fürchten, dass diese Traditionen zerstört werden, wenn das Wasserkraftwerk gebaut wird. Darüber hinaus fürchten sie um ihre Heilpflanzen, die in dieser Gegend wachsen. Dazu gehören der Sommerflieder (Buddleja globosa), die Winterrinde (Drimys winteri) und der chilenische Lorbeer (Laurelia sempervirens).

Aktuell stellen sich fünf Mapuche-Gemeinden gegen das Projekt. Nur eine Gemeinde hat sich den Protesten nicht angeschlossen. Vermutet wird, dass das Konsortium aus den Energiekonzernen Endesa und Enel den Dorfbewohnern Gelder, Baumaterialien für ihre Häuser oder Vieh gegeben hat und sie deshalb keine Einwände gegen das Wasserkraftwerk vorbringen.

Das hat zu tiefen Verwerfungen zwischen den bisher verschwesterten Mapuche-Gemeinschaften geführt. Skewes zufolge wird dieser Bruch mindestens drei Generationen lang anhalten. (Ende/IPS/jt/2013)


Links:

http://www.mma.gob.cl/chilecanada/1288/article-29795.html
http://www.scielo.cl/pdf/chungara/v44n2/art07.pdf
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=102314

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 6. Februar 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Februar 2013