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OZEANIEN/001: Ölbohrungen wichtiger als Wale - Australien vernachlässigt Meeresschutz (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. Juli 2010

Umwelt: Ölbohrungen wichtiger als Wale - Australien vernachlässigt Meeresschutz

Von Stephen de Tarczynski


Melbourne, 30. Juli (IPS) - Vor den Parlamentswahlen am 21. August ist in Australien eine Debatte über die Offshore-Förderung von Erdöl und -gas entbrannt. Nicht zuletzt das Ölunglück im Golf von Mexiko hat die Australier auf die Risiken vor ihrer eigenen Küste aufmerksam gemacht. Die Küstengewässer sind essentieller Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten, die durch eine ähnliche Katastrophe ernsthaft bedroht wären.

Seit Anfang Juli bietet sich wieder ein großartiges Schauspiel vor der Nordwestküste Australiens. Rund 22.000 Buckelwale suchen jedes Jahr die warmen subtropischen Gewässer auf, um ihre Jungen zur Welt zu bringen. Bis September bleiben die bis zu 16 Meter langen Riesen, dann kehren sie in die Arktis zurück.

Die Buckelwale sind die auffälligsten Lebewesen in den Gewässern um den Kontinent, deren Ökosystem als das artenreichste der Welt gilt. Umweltschützer beklagen allerdings, dass sein Erhalt unzureichend geschützt ist. Überfischung und Bohrungen nach Öl und Erdgas bedrohten die Natur, lauten die Warnungen.

Die Regierung von Premierministerin Julia Gillard will zwar bis 2012 Naturschutzgebiete im Meer abstecken. Bisher sind aber erst fünf Prozent der Ausschließlichen Wirtschaftszone des Landes geschützt. Umweltaktivisten fordern daher die regierende Labor-Partei ebenso wie das Oppositionsbündnis auf, verstärkt für den Schutz der Buckelwale und vieler anderer Spezies zu sorgen.

"Zahlreiche wissenschaftliche und wirtschaftliche Studien haben gezeigt, dass ein Netzwerk maritimer Schutzräume die Meeresfauna und -flora schützen und den Fischfang nachhaltig entwickeln kann. Dies würde langfristig wirtschaftliche Vorteile bringen", sagte Piers Verstegen, Leiter des 'Conservation Council of Western Australia' (CCWA), der wichtigsten Umweltschutzorganisation des Bundesstaates.


Ausweitung der Bohrungen

Im Oktober 2009 hatte der Regierungschef des Bundesstaates Westaustralien, Colin Barnett, angekündigt, die Brutgebiete der Buckelwale unter Schutz zu stellen. Bisher ist allerdings noch nichts geschehen. "Es gab Aufschub um Aufschub", sagt Peter Robertson von der Umweltschutzorganisation 'Wilderness Society'. "Alles, was wir hören, ist, dass die Schutzbestimmungen immer weiter verwässert werden. Alles deutet darauf hin, dass der kommerzielle Fischfang auch in dem geplanten Seepark fortgesetzt wird. Damit wären die dortig vorkommenden Arten weiter gefährdet."

Darüber hinaus sehen Umweltschützer mit Besorgnis, wie die Bundesregierung weitere Küstengewässer für Öl- und Gasbohrungen freigibt. Erst im Mai waren es 31 Gebiete, von denen 26 vor der Küste von Westaustralien liegen.

"Die meisten davon sind Tiefseegebiete. Wie wir es schon im Golf von Mexiko erlebt haben, ist die Ölindustrie überhaupt nicht darauf vorbereitet, dass dort Öl austreten kann", sagte CCWA-Sprecher Tim Nicol. Zwar ist das Leck im Golf von Mexiko jetzt offenbar unter Kontrolle, aber die Folgen, die der Austritt von Millionen Barrel Öl für die Umwelt hat, sind noch nicht abzuschätzen.

Ganz ohne Öl-Unfälle ist auch Australien nicht davongekommen. Im August 2009 etwa trat Öl am Bohrloch 'Montara' in der Timorsee aus. Erst nach 74 Tagen konnte das Leck repariert werden. Die Grünen und der australische World Wildlife Fund WWF beschuldigen die Regierung, den tatsächlichen Umfang des Unglücks herunterzuspielen.

Der Minister für Bodenschätze, Martin Ferguson, gab damals einen Untersuchungsbericht in Auftrag, der ihm am 18. Juni dieses Jahres vorgelegt wurde. Er hat bisher nichts zum Inhalt gesagt und es ist unklar, ob die Untersuchung jemals veröffentlicht wird.


Bohrungen vor Touristengebiet geplant

Eines der Gebiete, das jetzt für Bohrungen freigegeben wurde, liegt 70 Kilometer vor dem beliebten Ferienort Margaret River in Westaustralien. Die Gegend ist für sauberen Strände und glasklares Wasser sowie Weine berühmt ist. Ein Bohrunfall wäre ein Desaster für die dortige Wirtschaft, warnen Umweltschützer und verweisen auf das Beispiel in den USA.

Auch für die Tierwelt wäre dies eine Katastrophe, warnte Nicol. Die Zone sei ein wichtiges Tiefsee-Habitat für viele Walarten bis hin zu Blauwalen, die dort jedes Jahr durchziehen.

Die Regierung will von einem Moratorium jedoch nichts wissen. Ferguson vertritt die Ansicht, es "würde der Sicherheit der Industrie nicht nützen". Alle Bohrungen würden nach strengsten Umweltkriterien und nach Gesetzeslage beurteilt, genehmigt und überwacht.

Wie Ferguson betont auch der Industrie, dass es wichtig sei, die Energieversorgung des Landes zu sichern. Die Vorsitzende des Industrieverbandes Australian Petroleum Production and Exploration Association (APPEA), Belinda Robertson, sagte: "Die Ölförderung in Australien hat vor zehn Jahren ihre Höhepunkt überschritten. Im Jahr 2000 konnten wir fast 100 Prozent des Bedarfs des Landes decken, 2010 sind es nur knapp über 55 Prozent. Ohne neue größere Erschließungen gehen wir davon aus, dass es bis 2017 nur noch 32 Prozent sein werden." (Ende/IPS/sv/2010)


Links:
http://www.conservationwa.asn.au/
http://www.wilderness.org.au
http://www.ret.gov.au/Documents/par/geology/mentelle/mentelle_basin.html
http://www.appea.com.au/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=52323

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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. August 2010