WWF Magazin, Ausgabe 2/2019
WWF Deutschland - World Wide Fund For Nature
Operation Zweihorn
von Jörn Ehlers, WWF
Ist das Sumatra-Nashorn mit dem markanten Doppelhorn auf dem Schädel noch zu retten? In einer Allianz mit mehreren Naturschutzorganisationen will der WWF das fast Unmögliche versuchen.
Vor 12.000 Jahren erwischte es das Wollnashorn. Eine Kombination
aus Klimaschwankungen und übermäßiger Jagd machte dem Koloss
vermutlich den Garaus. Sein engster Verwandter, das Sumatra-Nashorn,
bevorzugt tropischere Gefilde und hat dort überlebt. Noch. Beide
Nashörner haben einiges gemeinsam: Auch der Dickhäuter aus Südostasien
ist behaart und verfügt über zwei Hörner - anders als die anderen
asiatischen Rhinos.
Die Tage des Sumatra-Nashorns scheinen allerdings ebenfalls gezählt. Weniger als 80 Tiere, verteilt auf zehn isolierte Populationen, verbergen sich noch in den Regenwäldern Sumatras und Borneos. Und selbst diese Schätzung ist optimistisch. Wenn wir nicht rasch und engagiert die Situation ändern, geht die Überlebenschance dieser einzigartigen Spezies gegen null. Mit Wildhütern und verbessertem Management einiger Nationalparks allein lässt sich der Artentod nicht mehr aufhalten.
Fünf Naturschutzorganisationen, darunter der WWF, wollen deshalb in Zusammenarbeit mit den indonesischen Behörden noch mehr tun als bisher, um das fast Unmögliche zu schaffen. Sie bündeln ihre Kräfte in der Sumatran Rhino Rescue Alliance. Zu ihren Maßnahmen gehören vor allem der Fang und die Umsiedlung von möglichst vielen Tieren in geschützte, veterinärmedizinisch betreute Schutzzentren, um ein nationales Zuchtprogramm zu starten. Gleichzeitig sollen alle noch verbleibenden Populationen und ihr Lebensraum in der Wildnis besser geschützt werden. "Der Plan ist ehrgeizig, riskant und kostspielig, aber er ist die letzte Chance", sagt Michael Zika, der für den WWF Deutschland an dem Vorhaben beteiligt ist.
Nach Jahrzehnten der Wilderei und der Abholzung der Regenwälder ist das größte Problem für die Art die Isolation der Tiere. Sumatra-Nashörner finden kaum noch Paarungspartner und die zwangsläufige Enthaltsamkeit führt oft zu Unfruchtbarkeit. Im ersten Schritt hat sich die neu gegründete Rhino-Allianz den letzten, vermutlich weniger als zehn verbliebenen Tieren auf der Insel Borneo verschrieben. Denn diese Nashörner sind durch Landnutzung und Isolation unmittelbar bedroht.
Das Vorhaben wird wohl noch schwieriger als die Nadel im Heuhaufen zu finden. Zum einen ist Borneo größer als Frankreich. Zum anderen ist es nicht damit getan, die Tiere aufzuspüren. Sie müssen unverletzt gefangen und aus extrem abgelegenen Tropenwäldern durch Schlamm und Dickicht sicher transportiert werden. Dafür braucht man neben Know-how Geduld, Glück und Geld.
All das hatten unsere indonesischen Kollegen, als es ihnen Ende 2018 tatsächlich gelang, eines der seltenen Nashörner zu fangen. Ein Team aus Biologen, Tierärzten und Regierungsvertretern hatte sich rund sieben Monate an seine Fährte geheftet, bis es dem Team gelang, das Tier in eine mit Laub und Zweigen gepolsterte Fallgrube zu locken. Es wurde betäubt, in eine Transportbox verfrachtet und per Lastwagen 150 Kilometer in die neue Heimat gefahren.
Der Umzug des Weibchens, das die Naturschützer nach seinem Fundort Pahu tauften, war auch deshalb nötig, weil es in seiner bisherigen Heimat kaum Überlebenschancen gehabt hätte. Die Gegend ist von Kahlschlag bedroht: Kohlebagger fressen sich immer tiefer in die tropische Landschaft im Osten der Insel. Zudem wird die Gegend häufig von Wilderem heimgesucht. Ihnen kam das Team der Sumatran Rhino Rescue Alliance zuvor. Pahu lebt jetzt auf einem zehn Hektar großen umzäunten Gelände einer ehemaligen Goldmine in einem mittlerweile geschützten Waldgebiet in der Provinz Ostkalimantan. Hier steht sie rund um die Uhr unter Beobachtung. Der Grund für die extreme Vorsicht sind bittere Erfahrungen aus der Vergangenheit. 2016 hatte man auf Borneo schon einmal ein verletztes Nashorn gefangen, doch das Tier starb nach wenigen Tagen an einer infizierten Wunde. "Das Beispiel hat schmerzlich deutlich gemacht, dass jeder Fang und jede Umsiedlung ein Gesundheitsrisiko bedeuten. Trotzdem ist angesichts der prekären Situation Nichtstun keine Alternative", sagt Michael Zika. Er ist zuversichtlich, dass die Nashornkuh Pahu nicht die einzige Bewohnerin des Schutzzentrums bleiben wird.
Ziel ist es, alle noch verbliebenen Tiere in Kalimantan, dem indonesischen Teil Borneos, aufzuspüren und sie in dieses Schutzzentrum umzusiedeln. Zusätzlich werden ähnliche Aktionen auf der Insel Sumatra vorbereitet, wo ein weiteres Schutzzentrum und die Vergrößerung des bestehenden Zentrums in Way Kambas geplant sind.
Sollte es dann im Schutzzentrum auf natürlichem Weg keinen Nachwuchs geben, ist künstliche Befruchtung eine Option. Bei anderen Arten wurden bereits große Fortschritte erzielt. Michael Zika ist vorsichtig optimistisch: "Sowohl das Breitmaulnashorn als auch das Spitzmaulnashorn wurden durch ähnlich ambitionierte Maßnahmen vor dem Aussterben gerettet. Auch die Populationen des Panzernashorns konnten sich wieder erholen. Die erste gelungene Rettungsaktion auf Borneo war ein guter Auftakt für ein erfolgreiches Erhaltungsprogramm. Ich hoffe, dass dem Sumatra-Nashorn das Schicksal des Wollnashorns erspart bleibt."
Mehr über die Sumatran Rhino Rescue Alliance erfahren Sie auf
wwf.de/sumatra-nashorn oder auf der englischen Website
SumatranRhinuRescue.org.
Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten
Abbildungen der Originalpublikation:
*
Quelle:
WWF Magazin 2/2019, Seite 20-23
Herausgeber:
WWF Deutschland
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