ARA Magazin 27-2021/22
Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz e.V.
Für Menschen und Elefanten
Maasai schützen den Nyekweri Wald
Naturschutz funktioniert dort am besten, wo sich die einheimische Bevölkerung für seine Ziele engagiert. Das gilt in Deutschland ebenso wie dem Regenwald Amazoniens oder den Savannen Afrikas. Deshalb unterstützt ARA Maasai-Gemeinden in Kenia beim Schutz des Nyekweri Waldes. Wolfgang Kuhlmann hat das neue Projekt besucht.
Als ich mit Peter Ole Tomboi durch seinen Teil des Nyekweri Waldes
gehe, zeigt er mir Bäume, die vor wenigen Tagen von Elefanten
umgestoßen wurden. Später kommen wir zu den Resten eines Unterstandes
und eines Zauns aus Zweigen. Hier haben jugendliche Maasai mehrere
Tage allein im Wald verbracht, bevor sie in einer großen Zeremonie in
die Altersgruppe der Krieger aufgenommen wurden.
In der Kultur der Maasai spielt der Wald eine große Rolle. Er ist Ort
traditioneller Rituale, die den Zusammenhalt der Gemeinschaft
festigen. Er ist das Quellgebiet von Bächen, die das ganze Jahr über
Wasser führen und hier gibt es Lichtungen, auf denen Rinder und Schafe
auch in der Trockenzeit genügend Gras finden. Und er ist ein wichtiges
Rückzugsgebiet für Elefanten und Giraffen aus dem benachbarten Maasai
Mara Naturreservat, die den Wald aufsuchen, wenn sie ihren Nachwuchs
bekommen.
Die Maasai und ihr Vieh haben ihren Lebensraum seit vielen
Generationen mit Wildtieren geteilt. Da sie nicht jagen, grasen Zebras
oft in unmittelbarer Nähe der Rinder. Sie scheinen zu wissen, dass
sich Löwen oder Hyänen am Tag nur selten den Hirten nähern.
Kenia ist bekannt für seine Naturschutzgebiete mit ihrer hohen Zahl an
Wildtieren. Weniger bekannt ist die Tatsache, dass 65 Prozent aller
Wildtiere Kenias außerhalb von Schutzgebieten leben. Manche kommen nur
für wenige Monate, wie die großen Huftierherden, die hier auch in der
Trockenzeit noch Nahrung finden. Andere kommen jede Nacht, wie die
Elefanten im Nyekweri Wald.
Auch das 1.500 km2 große Maasai Mara Naturreservat ist darauf
angewiesen, dass es in seinem Umfeld Gebiete gibt, die für Wildtiere
zugänglich sind und ihnen einen geeigneten Lebensraum bieten. Diese
Aufgabe übernehmen mittlerweile 15 private und
Gemeinschaftsschutzgebiete (so genannte Conservancies), die die Fläche
des Naturreservats fast verdoppeln. Hier haben sich die ansässigen
Maasai Gemeinschaften auf die Einrichtung von Wildtier-Korridoren und
anderen Nutzungseinschränkungen verpflichtet, wenn sie im Gegenzug an
den Einkommen aus dem Tourismus beteiligt werden.
Jetzt soll ein neues Gebiet hinzukommen. Peter Ole Tomboi konnte
bisher 23 Landbesitzer davon überzeugen, ihr Land für die Gründung
eines Gemeinschaftsschutzgebietes zur Verfügung zu stellen. Damit wird
ein direkter Zugang von der Maasai Mara in den 216 km2 großen Nyekweri
Wald geschaffen.
Traditionell gab es hier gemeinschaftlichen Landbesitz der indigenen
Maasai, deren nomadische Viehwirtschaft immer auch Raum für Wildtiere
ließ. In den 1960er Jahren wurde das Land in Gemeinschaftsbesitz (so
genannte Group Ranches) aufgeteilt. Der Nyekweri Wald liegt in der
Kimintet und der Oloirien Group Ranch. In den letzten Jahren wurde der
gemeinschaftliche Landbesitz zunehmend in individuelle Landtitel
umgewandelt.
Seitdem haben Rodungen für die Produktion von Holzkohle in einigen
Teilen des Waldes stark zugenommen. Dies geschieht in erster Linie
durch Zugezogene aus anderen Regionen, die die Holzkohle über
Mittelsmänner bis in das 300 km entfernte Nairobi verkaufen. Meist
finden die Rodungen mit Erlaubnis der Landbesitzer statt. Sie erhalten
dafür 2 bis 3 EUR pro Sack Holzkohle, etwa ein Viertel des
Verkaufspreises.
Diese Rodungen zu stoppen und den Wald zu erhalten ist eine der
Aufgaben des 2005 gegründeten Nyekweri Kimintet Forest Conservation
Trust. Bisher umfasst das Gebiet erst knapp 2.000 Hektar. Aber Peter
Ole Tomboi ist sich sicher, dass er noch mehr Landeigentümer
überzeugen kann, mitzumachen.
Dabei wird er von den Mitarbeiterinnen des Indigenous Information
Network unterstützt, ARAs Partnerorganisation in Kenia. Die in Nairobi
ansässige Organisation ist bereits seit mehreren Jahren in der Region
tätig und hat maßgeblich zum Aufbau eines sehr aktiven Netzwerks von
Frauengruppen beigetragen. Sie werden auch eine wichtige Rolle bei der
Planung und Leitung des neuen Schutzgebietes spielen.
Beim Erhalt des Waldes auch als Lebensraum für Wildtiere kann auf die
Traditionen und kulturellen Werte der Maasai aufgebaut werden. Um die
traditionellen Systeme der Nutzung und des Schutzes natürlicher
Ressourcen für alle besser sichtbar zu machen, werden die Gemeinden
bei der Erarbeitung eines so genannten Biokulturellen Protokolls
unterstützt. Es stellt eine Verbindung zwischen traditionellem Wissen,
kulturellen Werten und Gewohnheitsrechten her, hilft den Gemeinden,
Entscheidungsprozesse transparenter zu machen und beschreibt Rechte,
Verantwortlichkeiten und Pflichten der Gemeinschaft gegenüber
traditionellen und nationalen Gesetzen.
Auf der Basis dieses Protokolls soll der Austausch mit Politik und
Verwaltung auf der nationalen und der regionalen Ebene verbessert
werden. Hierzu gehören insbesondere der für Naturschutzfragen
zuständige Kenya Forest Service als auch die Behörden des Bezirks
Narok County. Ein offener und partizipativer Dialog kann einen
wichtigen Beitrag zur rechtlichen Anerkennung als Conservancy
leisten.
Dieser Prozess wird durch Besuche in anderen Conservancies im Maasai
Mara Gebiet unterstützt. Der Austausch mit Gemeinden, die ähnliche
Probleme haben, kann wesentlich dazu beitragen, tragfähige Lösungen zu
finden.
Da der Aufbau eines Schutzgebietes auch mit freiwilligen
Nutzungseinschränkungen verbunden ist, müssen andere Einkommensquellen
gefunden werden. Für viele der bestehenden Conservancies spielt dabei
der Tourismus eine große Rolle. Bisher wurde ein Teil der
Eintrittsgelder, die von Besucher_innen des nur wenige Kilometer
entfernten Maasai Mara Naturreservats gezahlt werden, für eine
Entschädigung der Landbesitzer in den Gemeinschaftsschutzgebieten
genutzt. Da aber auf Grund der Corona-Pandemie die Zahl der Touristen
in den beiden zurückliegenden Jahren stark eingebrochen ist, fehlen
diese Einnahmen zurzeit.
Um so wichtiger ist es für die Bewohner_innen des neuen
Schutzgebietes, auch nach Alternativen zu suchen. Eine davon ist die
Produktion von Honig. Damit gibt es bereits langjährige Erfahrungen.
Traditionell werden aber hohle Baumstämme als Bienenkörbe genutzt, für
die große Bäume gefällt werden müssen. In Workshops werden deshalb
Kenntnisse über den Bau von Bienenkästen, bessere Haltungsbedingungen
und neue Vertriebswege vermittelt. So können nicht nur die Erträge der
Honigproduktion gesteigert, sondern auch der Druck auf den Wald
verringert werden.
Für die Frauen stellt die Herstellung und der Verkauf von
Perlenschmuck eine wichtige Einkommensquelle dar. Die Frauengruppen
haben deshalb großes Interesse an Workshops mit anerkannten
Trainerinnen, die ihnen nicht nur helfen, die vorhandenen Fähigkeiten,
sondern auch die Vermarktung ihres Schmucks zu verbessern. So können
sie höhere Einkünfte erzielen und diese eigenständig verwalten und
nutzen. Die langsam steigende Zahl der Touristen wird dabei sicherlich
helfen.
Die Einkommen schaffenden Maßnahmen sind eine wichtige Vorrausetzung,
um die Rodungen zur Produktion von Holzkohle zu verringern.
Hier muss noch viel passieren, aber die ersten Schritte sind gemacht,
um in Zukunft mehr Platz für ein friedliches Zusammenleben von
Menschen und Wildtieren zu ermöglichen.
Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten
Abbildungen der Originalpublikation:
zum Projekt siehe auch:
http://nyekwerikimintetcommunityfct.org/
*
Quelle:
ARA Magazin 27-2021/22, Seite 4-6
Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz e.V.
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veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 13. Juni 2022
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