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PROTEST/076: El Salvador - Ländliche Gemeinden kämpfen für komplettes Bergbauverbot (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. Juni 2014

El Salvador: Ländliche Gemeinden kämpfen für komplettes Bergbauverbot - Rückenwind von neuer Regierung

von Edgardo Ayala


Bild: © Edgardo Ayala/IPS

José María Arévalo, Héctor Berríos und Juan Hernán Molina (von links nach rechts) am Ufer des Flusses Titihuapa
Bild: © Edgardo Ayala/IPS

San Isidro, El Salvador, 3. Juni (IPS) - Bergbau ist für El Salvador keine Option. Das zumindest sagen der neue Staatspräsident Salvador Sánchez Cerén und seine Umweltberater. Hintergrund ist der durchaus erfolgreiche Kampf mehrerer Minen-Anrainer, die die negativen Folgen der Rohstoffförderung nicht hinnehmen wollen und ein komplettes Bergbauverbot anstreben.

Widerstand gegen die Rohstoffförderung kommt etwa von der Stadt Llano de la Hacienda im Landesinnern. Hier leben die 1.200 Menschen mehrheitlich vom Mais-, Bohnen- und Kürbisanbau sowie von der Viehzucht. Seit jüngerer Zeit widmen sich einer neuen Beschäftigung: dem Protest gegen den Goldbergbau.

Die Menschen hier stehen an vorderster Front gegen den kanadischen Konzern 'Pacific Rim', der den salvadorianischen Staat 2009 verklagt hatte, nachdem dieser eine Verlängerung der Förderlizenz für die Goldmine El Dorado verweigert hatte.

Die Stadt liegt im Gebirgsdistrikt San Isidro in der Provinz Cabañas, 65 Kilometer nordwestlich von San Salvador. Die Goldförderung ist hier gänzlich unerwünscht. Pacific Rim wurde im November 2013 von dem australischen Unternehmen 'OceanaGold' für 10,2 Millionen US-Dollar geschluckt.


Schiedsverfahren

Bei dem Verfahren ging es ursprünglich um 77 Millionen Dollar. Doch inzwischen ist der Betrag auf 301 Millionen Dollar gestiegen. Der Fall liegt dem Internationalen Zentrum für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) vor, einem Mitglied der Weltbankgruppe in Washington. Die entscheidende Anhörung ist im September geplant.

Für die Menschen von Llano de la Hacienda war die Verweigerung der Bergbaugenehmigung für Pacific Rim ein wichtiger Etappensieg nach vielen Jahren heftigen Widerstands und sozialer Konflikte. Im Verlauf der Auseinandersetzungen wurden nach Aussagen der Anrainer zwischen Juni und Dezember 2009 drei Aktivisten ermordet.

"Bei dem ganzen Kampf ging es um diesen Fluss. Wir wollten verhindern, dass er mit Zyanid verseucht wird", erläutert der Bauer Juan Hernán Molina am Ufer des Titihuapa. Zyanid ist ein hochgiftiger Wirkstoff, der als Scheidemittel in der Goldproduktion zum Einsatz kommt. Der Titihuapa mündet in den Lempa, den größten Strom des zentralamerikanischen Landes, der auch die Hauptstadt San Salvador mit Wasser versorgt.

Eine weitere Schlacht konnte die Umweltbewegung im August 2013 für sich entscheiden. Damals wies die ICSID eine Beschwerde der 'Commerce Group', einer US-amerikanischen Bergbaufirma, im Zusammenhang mit einem Rechtsstreit gegen den salvadorianischen Staat im Wert von 100 Millionen Dollar ab.

Zuvor hatte sich El Salvador ebenfalls geweigert, eine Genehmigung zur Ausbeutung der San-Sebastián-Mine im östlichen Departement La Unión zu verlängern, die die Commerce Group von 1987 bis 2009 betrieben hatte.

2004 waren in El Salvador 18 Gold- und Silberminen in Betrieb. Sie wurden von lokalen oder ausländischen Firmen ausgebeutet. Seit sechs Jahren haben die Behörden zwar keine Förderlizenzen mehr ausgegeben, doch befinden sich 74 Anträge in der Pipeline.

Der Beitrag der Bergbauindustrie zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) des 6,2 Millionen Menschen zählenden Landes beträgt 0,8 Prozent, wie aus einem Bericht hervorgeht, den die Hilfsorganisation 'Oxfam' 2008 unter dem Titel 'Metalle, Bergbau und nachhaltige Entwicklung in Zentralamerika' veröffentlicht hatte.

Doch lokale Unternehmen sind der Meinung, dass eine Aussetzung der Bergbauaktivitäten negative Signale an ausländische Investoren aussenden wird. Sie genießen den Rückhalt der rechtskonservativen ARENA-Partei, die das Land von 1989 bis 2009 regierte, und ebenfalls einem Bergbauverbot nichts abgewinnen können.


Vollständiges Verbot gefordert

"Im Fall von Pacific Rim haben wir eine Schlacht, nicht aber den Krieg gewonnen", meinte José María Arévalo, ein weiterer Bauer aus Llano de la Hacienda. "Wir wollen, dass das Projekt vollständig verboten wird."

Vor zwei Jahren hatten Umweltorganisationen der 'Allianz Nationaler Tisch gegen den Bergbau' ein Gesetz ins Parlament eingebracht, das den Bergbau wegen seiner negativen Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt verbieten soll.

Käme es durch, würde El Salvador dem Beispiel Costa Ricas folgen, das 2010 ein Gesetz gegen den offenen Tagebau erlassen hatte. Panama schloss sich zwei Jahre später an; allerdings gilt das Bergbauverbot ausschließlich für die indigenen Territorien der westlichen Provinzen Bocas del Toro, Chiriquí und Veraguas.

Das salvadorianische Umweltministerium hatte 2012 ein Gesetz zugunsten eines Bergbaumoratoriums entworfen. "Wir hingegen wollen ein vollständiges Verbot", erläutert Héctor Berríos von der 'Einheitsbewegung Francisco Sánchez 1932' (MUFRAS 32).

Seit Jahren unterstützt die in San Salvador ansässige Organisation die Gemeinden der Provinz Cabañas in ihrem Kampf gegen die Bergbauindustrie. Doch weder das Gesetz für eine Aussetzung der Bergbauaktivitäten noch ein komplettes Verbot konnten sich bisher im 84 Sitze zählenden Einheitsparlament durchsetzen. Die meisten Sitze werden von den Abgeordneten der rechten Parteien gehalten.

Sánchez Ceréns linksgerichtete Nationale Befreiungsfront Farabundo Martí (FMLN) verfügt lediglich über 31 Abgeordnete. Somit ist es unwahrscheinlich, dass sie die 43 Stimmen zusammenbringt, die notwendig sind, um das Bergbaumoratorium oder Komplettverbot durchzusetzen.

"Die Abgeordneten sollten sich für die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschen und die Qualität des Wassers einsetzen", betonte Roxana Ramírez, eine junge Frau aus San Isidro. Sie nimmt an einem Projekt teil, das zeigen soll, dass die Gemeinden im Umfeld der El-Dorado-Mine durchaus in der Lage sind, alternative Arbeitsplätze zu schaffen.

Bild: © Edgardo Ayala/IPS

Patricia Pineda (vorne) und Roxana Ramírez bei der Vorbereitung von Essiggemüse in der salvadorianischen Stadt San Isidro
Bild: © Edgardo Ayala/IPS

Sánchez Cerén war in der letzten Legislaturperiode stellvertretender Staatspräsident gewesen. Der ehemalige Lehrer und Guerillero hatte im März die Präsidentschaftswahlen gewonnen. Am 1. Juni wurde er als neuer Staatschef vereidigt. Nun wird er beweisen müssen, dass er zu seinem Wort steht, den Bergbau einzudämmen, wie er dies mehrfach im Wahlkampf versprochen hatte.


Ehemaliger Aktivist ist stellvertretender Umweltminister

Diejenigen, die er ins Umweltministerium berufen hat, sind jedoch fest dazu entschlossen. Als Vizeminister hat er Ángel Ibarra ernannt, einen Aktivisten der Salvadorianischen Ökologischen Einheit, der eine führende Rolle im Kampf gegen Pacific Rim und gegen den Bergbau im Allgemeinen gespielt hat. "Der neue Präsident ist zu dem Schluss gekommen, dass der Bergbau in El Salvador nicht tragfähig ist", sagte Ibarra im Gespräch mit IPS.

Neue Umweltministerin ist die ehemalige Vize, Lina Pohl. Auch sie ist eine treibende Kraft gegen den Bergbau. "Unter den derzeitigen Umständen wird es keine Bergbauaktivitäten geben", bekräftigte sie unlängst.

Doch ohne die notwendige Mehrheit der Stimmen in der Legislativen wird es schwierig werden, das Ziel zu erreichen. Im Schatten eines Baumes am Ufer des Titihuapa versicherte Arévalo jedoch, dass "wir nicht eher ruhen werden, bis die Politiker ein Anti-Bergbau-Gesetz verabschiedet haben. Es ist der einzig richtige Weg." (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnoticias.net/2014/05/comunidades-rurales-claves-en-parar-la-mineria-en-el-salvador/
http://www.ipsnews.net/2014/05/rural-communities-push-el-salvador-towards-ban-mining/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 3. Juni 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juni 2014