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SOZIALES/040: Kamerun - Immer weiter abgedrängt, Baka-Pygmäen als Spielbälle der Moderne (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. Januar 2014

Kamerun: Immer weiter abgedrängt - Baka-Pygmäen als Spielbälle der Moderne

von Ngala Killian Chimtom


Bild: © Ngala Killian Chimtom/IPS

Baka-Kinder in Kamerun vor einer Hütte
Bild: © Ngala Killian Chimtom/IPS

Mindourou, Kamerun, 7. Januar (IPS) - Essomba Dominique, ein Baka-Pygmäe, sitzt vor seiner Hütte in Mindourou in der kamerunischen Ostregion. Ein mit Baumstämmen beladener Laster rumpelt vorbei und zieht eine riesige Staubwolke hinter sich her. "Diese Lkws sorgen dafür, dass die Zukunft unserer Kinder noch schlechter aussieht", meint Essomba, ein siebenfacher Vater.

Als müsse er seine Äußerung belegen, greift er zu seinem Speer, pfeift seinen Hund heran und verschwindet im Wald. Nach drei Stunden ist er von der Jagd zurück - mit einem mickrigen Affen, der tot von seiner Schulter baumelt. "Vor fünf Jahren hätte ich helfende Hände gebraucht, um meine Beute nach Hause zu bringen", sagt er. Gorillas und selbst Elefanten habe man damals erlegt. "Doch inzwischen sind alle Tiere geflohen."

Die Frage nach dem Wovor bedarf keiner weiteren Erklärung, zu nah ist das Gekreische der Sägen lokaler Holzunternehmen und das Brummen der Bulldozer, die die Zufahrtswege schaffen. "Schauen Sie sich nur an, wie sie diesen Wald zerstören", sagt Essomba.

Für die Baka ist der Wald Lebensanfang und -ende zugleich. "Er ist unsere Apotheke, unser Nahrungsmittelmarkt, unsere Sauerstoffquelle und die Wiege desjenigen, der uns alle lenkt: dem höchsten Gott, den wir Jengi nennen", erläutert Clement Nzito, der Dorfvorsteher von Mayos, einem weiteren Baka-Dorf in der Ostregion.

Dieser natürliche Reichtum wird derzeit dem Traum des westafrikanischen Landes geopfert, bis 2035 in die Riege der Schwellenländer aufzuschließen.


Zu Zaungästen degradiert

Seit 1994 ist es den Baka-Waldbewohnern verboten, in den Primärwäldern und Naturschutzgebieten zu jagen. Sie müssen mit den Sekundärwäldern Vorlieb nehmen, in denen jedoch auch die Holzindustrie schaltet und waltet. "Sie ist diejenige, die die Wälder zerstört", meint dazu Samuel Nnah Ndobe, Leiter der Pygmäenprogramme des nichtstaatlichen Zentrums für Umwelt und Entwicklung (CED) in Jaunde.

Nnah Nobe bedauert, dass den Baka der Zugang zu den Wäldern versperrt ist, von denen sie sich einst ernährten. Auch in den Teilen des Waldes, in denen die Holzunternehmen tätig sind, sind Wachen postiert. Die Folge ist, dass die Pygmäen immer weiter an den Rand der Wälder abgetrieben werden.

Naturschützer suchen derzeit mit der Regierung nach einem dritten Weg, der die Umweltschutzbemühungen, die Rechte der Baka und die Entwicklungsziele des westafrikanischen Landes unter einen Hut bringt. Die Umweltorganisation WWF misst in diesem Zusammenhang einer Bildung, die die Kultur der Baka berücksichtigt, besondere Bedeutung bei.

"Die Baka sind den Wäldern sehr stark kulturell verbunden, und schon kleinen Kindern werden Kenntnisse über den Nährwert sowie die medizinischen und spirituellen Qualitäten der Pflanzen und Tiere um sie herum vermittelt", erläutert die WWF-Beraterin Sarah Tucker gegenüber IPS. "Wir brauchen innovative Bildungsansätze, die diese besondere Naturverbundenheit respektieren. Die Schule muss den Waldbewohnern das Wissen vermitteln, dass sie brauchen, um in ihren Wäldern und in der Außenwelt zu prosperieren."


Angepasste Bildungsangebote gefordert

Ein WWF-Team hat einen Katalog von Empfehlungen vorgelegt. So sollen die Bildungsangebote den jahreszeitlich bedingten Wanderbewegungen der Baka angepasst werden, der Unterricht auch in der Baka-Sprache geführt und die Mitsprache der Baka-Gemeinschaften bei den Bildungsprojekten gewährleistet werden.

"Wir sind der Meinung, dass derartige Innovationen dazu beitragen werden, die Würde der Baka wiederherzustellen und Kamerun bei der Umsetzung des Millenniumsentwicklungsziels, allen Kindern bis 2015 eine Grundschulbildung zu ermöglichen, helfen könnten", betont Zame Obame vom Ministerium für Grundbildung.

Doch auch die Vorurteile unter den Bantu-Nachbarn tragen dazu bei, dass die Waldbewohner im gesellschaftlichen Abseits vegetieren. "Bantu betrachten Baka als minderwertig. Es kommt vor, dass sie Baka foltern und ermorden", erläutert Alexis Tadokem, Lehrer an einer staatlichen Grundschule in Ntam Carrefour, einem Dorf an der kamerunisch-kongolesischen Grenze. Baka-Kindern werde nachgesagt zu stinken. "Unsere Kinder", fügt Yana Nicolas, ein Baka aus Moloundou, hinzu, "werden in der Schule von Bantus verprügelt". (Ende/IPS/kb/2014)


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http://www.ipsnews.net/2013/12/baka-pygmies-caught-maze-modernism/

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IPS-Tagesdienst vom 7. Januar 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Januar 2014