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SOZIALES/058: Jamaika - Bautechnologie mit Nachhaltigkeit und Effizienz für Häuser in Slumgebieten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. August 2014

Jamaika: 'Intelligente' Bautechnologie für Slums - Häuser sollen Naturkatastrophen besser standhalten können

von Jewel Fraser


Bild: © Jewel Fraser/IPS

Etwa 20 Prozent der Jamaikaner wohnen in instabilen Hütten
Bild: © Jewel Fraser/IPS

Port of Spain, 11. August (IPS) - Gebäude gehören zu den größten Rohstoffkonsumenten auf unserer Erde. Wie die Nachhaltigkeitsinitiative für Gebäude und Klima (SBCI) des Weltumweltprogramms UNEP festgestellt hat, verbrauchen Häuser etwa 40 Prozent der globalen Energie und 25 Prozent des gesamten Wassers. Außerdem verursachen sie ungefähr ein Drittel aller Schadstoffemissionen.

Nach Ansicht von Anthony Clayton, der an der University of the West Indies in Jamaika nachhaltige Entwicklung lehrt, zeigen solche Statistiken, welch wichtige Rolle Gebäude beim Klimaschutz und bei der Bekämpfung von Armut in der Karibikregion spielen können.

"Zurzeit sind die meisten Häuser in Jamaika überhaupt nicht energieeffizient. Die überaus hohen Stromkosten schmälern die verfügbaren Einkommen. Dies trägt dazu bei, die Wirtschaftsentwicklung zu bremsen", erklärt der Experte. Wenn Jamaika dagegen einen höheren Standard für Energieeffizienz einführe, könnte das Land dem Klimawandel besser standhalten.


Effiziente Wassernutzung und saubere Energien im Fokus

Clayton und sein Kollege Tara Dasgupta arbeiten derzeit an dem Prototyp eines 'intelligenten' Gebäudes, das sich durch "optimale Nachhaltigkeit und Effizienz" auszeichnen soll. Im Blickpunkt sollen insbesondere eine effiziente Wassernutzung sowie erneuerbare Energien, Materialien und Rohstoffe und der umweltfreundliche Innenausbau stehen. Derzeit ist das erste 'Netto-Nullenergiegebäude' der Karibikregion in Planung. Das Institut für Nachhaltige Entwicklung (ISD) an der University of the West Indies arbeitet an dem mit sieben Millionen US-Dollar finanzierten Forschungs- und Bauprojekt mit der Globalen Umweltfazilität und UNEP zusammen.

Clayton ist auch Mitglied mehrerer Beratungsgruppen für die UNEP-Abteilung für Technologie, Industrie und Wirtschaft sowie den Weltklimarat IPCC. Als große Gefahr für den Gebäudebestand in Jamaika in Zeiten des Klimawandels sieht er die Ausbreitung informeller Siedlungen auf der Insel.

Ungenutztes Land werde ohne Genehmigung besetzt, berichtet er. Die Siedler errichteten darauf Unterkünfte, die den Standards nicht genügten. Etwa 20 Prozent der Einwohner Jamaikas lebten in solchen Unterkünften. "Manche Häuser sind auf ungeeignetem Grund oder an Abhängen gebaut. Wenn durch den Klimawandel verursachte sturzbachartige Regengüsse auf sie niedergehen, ist die Wahrscheinlichkeit von Überschwemmungen oder Erdrutschen groß."


Häuser in Slumvierteln oft baufällig

Viele dieser provisorischen Unterkünfte sind nicht besonders robust. "Oftmals werden Beton, Blech und Holz einfach irgendwie zusammengesetzt. Manche Hütten bestehen nur aus Holz und Wellblechdächern", sagt Clayton. Bis in Jamaika und den übrigen Karibikstaaten Bauvorschriften entworfen und umgesetzt seien, die Schutz gegen Naturkatastrophen böten, müsse noch viel getan werden.

Das ISD hat daher ein von der Interamerikanischen Entwicklungsbank finanziertes Projekt entwickelt, das "die mit dem Klimawandel verbundenen Risiken bewertet und dabei hilft, den Gebäudebestand in Jamaika widerstandsfähiger zu machen". Die erste Phase des Projekts bestand demnach aus einer Abschätzung der Risiken in Jamaika für Gebäude und für Gebiete, in denen städtebauliche Maßnahmen durchgeführt würden. Zudem wurde ein Parlamentspapier über Umweltregulierung erstellt.

Laut dem Projektberater Kwame Emmanuel geht aus der Risikountersuchung hervor, dass die Regierung Jamaikas teils für die Missstände verantwortlich zu machen sei. "Das Entwicklungskontrollregime verleitet zu illegalen Baumaßnahmen, da formelle Maßnahmen erst nach einem umständlichen und langwierigen Verfahren möglich sind."

Zudem verfolge die Regierung derzeit eine Wohnungsbaupolitik, die auf eine größere Zahl von Unterkünften für Niedrigverdiener abziele, erklärt Emmanuel. Die Standorte dieser Gebäude, die in großer Dichte gebaut werden sollten, könnten die Behörden in einen Konflikt bringen. "Entweder sie entstehen in anfälligen oder ökosensiblen Gebieten, weil das Land dort nicht viel kostet. Oder die Entwicklungsmaßnahmen können die umliegenden Zonen gefährden", meint der Experte, der auch befürchtet, dass der Aspekt der Klimaresistenz in den Bauentwürfen nicht berücksichtigt werden könnte.


Folgen des Klimawandels für Politiker nicht prioritär

Emmanuel wirft den Politikern vor, die längerfristigen Folgen des Klimawandels zu vernachlässigen. "Sie sind in erster Linie mit aktuellen Problemen ihrer Wähler wie Armut, Lebenshaltungskosten, Arbeitslosigkeit oder schlechten Straßenverhältnissen befasst. Deshalb fällt es ihnen schwer, sich mit Problemen zu beschäftigen, deren gesamtes Ausmaß noch gar nicht sichtbar ist."

Nach der Risikobewertung wurden Vorschläge zur Änderung geltender Bauvorschriften in der Region erarbeitet, um zu garantieren, dass Gebäude energieeffizient und klimaresistent seien. Wie Clayton erklärt, werden diese Vorschläge zurzeit mit Vertretern der Bauindustrie diskutiert. Die Reaktionen seien durchweg positiv ausgefallen.

Die multidisziplinäre 'MODE'-Gruppe, die die Revision der Bauvorschriften leitet, legt unter anderem eine Ergänzung des 2009 eingeführten nationalen Baugesetzes in Jamaika und eine bessere Kontrolle seiner Einhaltung nahe. Zudem dringen die Experten auf die Annahme des Internationalen Grünen Bau-Kodexes und die Einführung eines Bewertungssystems für die Umweltverträglichkeit von Gebäuden sowie Anreize für ökologisches Bauen. (Ende/IPS/ck/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/08/bringing-smart-building-technology-to-jamaicas-shantytowns/

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IPS-Tagesdienst vom 11. August 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. August 2014