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WISSENSCHAFT/002: Im Expeditionsgepäck Mikroben aus der Arktis (UFZ-Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter Februar 2011

UFZ-Nachwuchswissenschaftlerin
Im Expeditionsgepäck: Mikroben aus der Arktis

Von Bettina Hennebach


Die Expedition in arktische Gefilde hat bei der Nachwuchswissenschaftlerin Camelia Algora Gallardo tiefe Eindrücke hinterlassen. Vor allem die Landschaft Grönlands, die Kombination aus Eis und Fels, hat sie fasziniert. Nach zweieinhalb Monaten an Bord des Forschungsschiffs Polarstern ist die 28-jährige Spanierin wieder zurück an ihrem Arbeitsplatz im UFZ und wertet jene Daten aus, die sie und ihre Kollegen bei der Fahrt sammelten. Die von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover initiierte Forschungsreise führte in den grönländischen Teil der nördlichen Baffin Bay, wo die Experten den strukturellen Aufbau und die geologische Entwicklung dieses Meeresgebietes sowie der angrenzenden Kontinentränder untersuchten. Algora Gallardo und eine Kollegin von der BGR waren die einizgen Mikrobiologen an Bord, ansonsten bestand die 39-köpfige Crew hauptsächlich aus Geologen und Geophysikern der BGR sowie des Alfred-Wegener-Institutes für Polar- und Meeresforschung.

"Das Schiff ist wie eine kleine Stadt, ausgestattet mit der notwendigen Infrastruktur für solch eine lange Tour - mit einem Abwassersystem, einer Osmose-Anlage zur Gewinnung von frischem Wasser aus Meerwasser, zwei Helikoptern für Erkundungs- und Messflüge und natürlich einem Labor", erzählt Camelia Algora Gallardo. In dem schwimmenden Laboratorium untersuchte sie Sedimentproben des Meeresbodens auf Mikroorganismen, die zur Gruppe der Chloroflexi-Bakterien gehören. Die Jungforscherin will herausfinden, wie diese Mikroben im Meeresgrund überleben und wie sie wachsen. Dazu musste sie die mittels Bohrkernen gehobenen Sedimente zuerst in Glasflaschen bugsieren, die mit Stickstoff gefüllt waren, um die empfindlichen Tiefseeorganismen vor dem für sie tödlichen Sauerstoff zu schützen. Später legte die Wissenschaftlerin mehrere Bakterien-Kulturen an und versuchte, sie unter unterschiedlichen Futter- und Temperaturbedingungen zum Wachsen anzuregen. Keine leichte Aufgabe, da sich Chloroflexi nur sehr langsam vermehren. In der freien Natur kann es Jahre und im Labor Monate dauern, ehe sich die Zellen zum ersten Mal teilen. Damit gehören die grün leuchtenden Einzeller eher zu den Bedächtigen unter den Bakterien - ihre auch im menschlichen Darm vorkommende Verwandtschaft Escherichia coli teilt sich hingegen alle 20 Minuten.

Algora Gallardos Studiengruppe am Department Isotopenbiogeochemie wird von Lorenz Adrian geleitet und will nun Licht ins geheimnisvolle Leben der Mikroorganismen bringen. So fragen sich die Fachleute unter anderem, ob die Chloroflexi in den marinen Sedimenten siedeln, weil es dort anthropogene Schadstoffe gibt. Adrian hatte seine Doktorandin mit der Vermutung auf die Polarstern entsandt, dass diese Bakterien in der Lage sind, giftige Stoffe wie Öle und Kohlenwasserstoffe abzubauen. Das leitet der Mikrobiologe aus früheren Untersuchungen von Fluss-Sedimenten der Elbe und der Mulde ab, in denen er schadstoffabbauende Mikroben fand, die ebenfalls zum Stammbaum der Chloroflexi gehören und hochkonzentriert in verschmutzten Böden von Chemieanlagen wie in Bitterfeld oder Leuna vorkommen. Könnten die Forscher mithilfe der arktischen Proben eine funktionelle Verbindung der beiden Bakterienarten nachweisen, so ließe sich das etwa für biotechnische Prozesse nutzen. Auch einen Zusammenhang mit dem Klima will Adrian nicht ausschließen: "Marine Sedimente können mehrere hundert Meter mächtig sein, darin leben rund zehn Millionen Bakterien pro Gramm - das ist eine immense Masse von organischem Material und Kohlenstoff. Uns ist noch unklar, wie die Bakterien Energie erzeugen, um dort zu überleben." Der Einfluss dieser Mikroorganismen auf die Klimabilanz sei in den Modellen bisher nicht berücksichtigt. "Wir konnten die erste mikrobiologische Studie in diesem Gebiet überhaupt durchführen", rekapituliert die Forschungsreisende. Die Untersuchungen sollen zum Verständnis eines der seltsamsten Ökosysteme beitragen - der Mikrobiosphäre mariner Sedimente. Algora Gallardo: "Wir wissen wenig über die Natur in den unberührten Regionen der Arktis, und so ist auch die evolutionsgeschichtliche und physiologische Vielfalt der marinen Lebensgemeinschaften in der Baffin Bay noch weitgehend unbekannt."

Nachwuchswissenschaftlerin:
Camelia Algora Gallardo
Dept. Isotopenbiogeochemie

e-mail:
camelia.algora[at]ufz.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Camelia Algora Gallardo vor der Küste Grönlands. Die Spanierin studierte Environmental Sciences an der Universidad Autonoma de Madrid (UAM) und Biotechnologie in den Niederlanden, wo sie ihre Leidenschaft für das Gebiet der Mikrobiologie entdeckte. Seit 2008 ist sie Doktorandin am UFZ. (Foto: Tabea Altenbernd)


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Quelle:
UFZ-Newsletter Februar 2011
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Mai 2011