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WISSENSCHAFT/053: Wie gestresst sind Küstenmeere - Expedition mit Forschungsschiff SONNE (idw)


Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde - 31.07.2019

Wie gestresst sind Küstenmeere durch Mensch und Klima?

Expedition mit Forschungsschiff SONNE ins Südchinesische Meer


Am 2.8.2019 startet das deutsche Forschungsschiff SONNE von Singapur aus ins Südchinesische Meer zur Schiffsexpedition SO269-SOCLIS unter Fahrtleitung der IOW-Forscherin Joanna Waniek. An über 70 Stationen werden 24 deutsche und 16 chinesische Wissenschaftler*innen untersuchen, wie sich natürliche Stoffe und schädliche Substanzen menschlicher Herkunft im dortigen Schelfgebiet bis in tiefere ozeanische Regionen verteilen, welche physikalischen Prozesse dafür verantwortlich sind, wie weit der negative Einfluss urbaner und industrieller Ballungszentren ins Meer hineinreicht, und wie sich unterschiedliche Klimabedingungen auf diese Prozesse auswirken. Die Expedition endet am 3.9. in Hongkong.


Foto: © Universität Hamburg / J. Peters

Wie gestresst sind Küstenmeere durch Mensch und Klima? Das Forschungsschiff SONNE geht für einen Monat auf Spurensuche im Südchinesischen Meer.
Foto: © Universität Hamburg / J. Peters

Als bevölkerungsreichstes Land der Erde verzeichnet China insbesondere in den letzten drei Jahrzehnten massive industrielle und landwirtschaftliche Aktivitäten im Einzugsgebiet großer Flusssysteme, die beträchtliche Mengen an Nährstoffen, Schadstoffen und anderen bedenklichen Substanzen wie Mikroplastik und Medikamentenrückstände ins Meer spülen. Insbesondere rasant wachsende Megastädte, die bis zu 100 Mio. Einwohner haben können, und industrielle Zentren an Küsten und Flussmündungen sind für diese Entwicklung verantwortlich. Wie wirken sich die riesigen Bevölkerungszahlen und die weiterhin stark zunehmende Industrialisierung dieser Ballungsräume auf die Schadstoffbelastung in den betroffenen Küstenmeeren aus? Sind dadurch bedingte Veränderungen bereits erkennbar und ist zu erwarten, dass Umweltschäden durch Klimaänderungen noch verstärkt werden? Das sind die zentralen Fragen des vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) koordinierten deutsch-chinesischen Verbundprojektes MEGAPOL (kurz für "Megacity's fingerprint in Chinese marginal seas: Investigation of pollutant fingerprints and dispersal"), in dessen Rahmen die Schiffsexpedition SO269-SOCLIS (kurz für "Südchinesisches Meer - natürliches Laboratorium unter klimatischen und anthropogenen Stress") stattfindet.

"Unser Untersuchungsgebiet - die Region um das Mündungsgebiet des Perlflusses im Südchinesischen Meer - ist in der Tat wie ein natürliches Labor, in dem wir nicht nur für China relevante Fragen untersuchen, sondern, angesichts weltweit wachsender Megastädte, quasi einen Blick in die Zukunft von Küstenmeeren mit immensem Zivilisationsdruck werfen können", sagt Projekt- und Expeditionsleiterin Joanna Waniek vom IOW. "Neben den dort jetzt schon existierenden Extrem-Ballungszentren gibt es über die großen Flüsse einen intensiven Austausch zwischen Land und Ozean sowie Veränderungen der physikalischen Antriebe hinter diesem Austausch, wie Monsun und Meeresströmungen, die wiederum vom Klimawandel beeinflusst werden - also alles, was wir an 'Zutaten' für ein gut interpretierbares Modellsystem brauchen", so Waniek weiter.

An dem interdisziplinären Expeditionsteam an Bord der SONNE beteiligen sich neben dem IOW auch Wissenschaftler*innen der Universitäten Hamburg und Köln, des Helmholtz-Zentrum Geesthacht Zentrum für Material- und Küstenforschung (HZG), der Shanghai Jiao Tong University und das Guangzhou Marine Geological Survey. Aufbauend auf Erkenntnissen und Methodenentwicklungen im Rahmen von zwei vorausgegangenen Expeditionen ins Südchinesische Meer auf chinesischen Forschungsschiffen (2015 und 2018) ist ein umfangreiches Arbeitsprogramm geplant, das Luft-, Wasser- und Meeressedimentbeprobung, hydrographische und hydroakustische Messungen sowie die Erfassung von Sedimentationsmustern mittels Verankerungen umfasst.

"Unsere bisherigen Arbeiten legen nahe, dass vor allem zwei Substanzgruppen - organische und anorganische Schadstoffe sowie reaktiver Stickstoff aus Flüssen mit charakteristischer Isotopenzusammensetzung - geeignet sind, um als Marker die Transportwege anthropogener Verschmutzung von der Quelle bis zum Meer zu identifizieren und zu quantifizieren", erläutert Joanna Waniek. Der Fokus läge dabei auf "altbekannten" Schadstoffen wie PCB, DDT und PAH, ebenso wie auf "neuen" Schadstoffen wie Mikroplastik, Hormone, Antibiotika und UV-Filter, wie sie z.B. in Sonnencremes enthalten sind, so die Meeresforscherin. Zusammen mit den Ergebnissen der vorherigen Forschungsfahrten und den Daten der chinesischen Partnerinstitutionen ermöglicht die diesjährige Expedition ins Südchinesische Meer, eine Entwicklung der akuten Belastung in der Region über einen Zeitraum von 5 Jahren nachzuzeichnen. Aufschluss darüber, wie sich Austausch- und Transportprozesse zudem in den letzten Jahrtausenden verändert haben, versprechen sich die Forscher*innen vor allem von der Analyse von Sedimentkernen, die an ausgewählten Stationen gezogen werden sollen. "Die Ablagerungen sind wie ein Archiv, das uns die Rekonstruktion von früheren Umweltbedingungen und Sedimentablagerungs-prozessen ermöglicht und Hinweise darauf gibt, wie die jüngere, durch Menschen bedingte Verschmutzungshistorie des betreffenden Meeresgebietes verlaufen ist", erklärt Waniek.

"Die Zusammenarbeit mit unseren chinesischen Partnern hat sich für alle als ausgesprochen fruchtbar erwiesen. Wir freuen uns daher sehr auf den wissenschaftlichen und kulturellen Austausch, der bei so einer Expedition besonders intensiv und spannend gerade für die jüngeren Expeditionsteilnehmer*innen ist", kommentiert Joanna Waniek abschließend.


Das IOW ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, zu der zurzeit 95 Forschungsinstitute und wissenschaftliche Infrastruktureinrichtungen für die Forschung gehören. Die Ausrichtung der Leibniz-Institute reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften. Bund und Länder fördern die Institute gemeinsam. Insgesamt beschäftigen die Leibniz-Institute etwa 19.100 MitarbeiterInnen, davon sind ca. 9.900 WissenschaftlerInnen. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,9 Mrd. Euro.
www.leibniz-gemeinschaft.de

Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder unter:
http://idw-online.de/de/news719998
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution480

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde - 31.07.2019
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. August 2019

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