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WALD/063: Wie Waldbodenpflanzen mit Lichtlimitation in ihrem Lebensraum umgehen (spektrum - Uni Bayreuth)


spektrum - Universität Bayreuth
Ausgabe 1, Mai 2011

Wälder weltweit
Überleben im Dunkeln
Wie Waldbodenpflanzen mit der Lichtlimitation in ihrem Lebensraum umgehen

von Gerhard Gebauer


Wälder absorbieren mit ihrem Kronendach erhebliche Mengen an einstrahlendem Licht. In einem lichten Kiefernwald erreichen beispielsweise noch ca. 20% der Einstrahlung den Waldboden. In einem Eichenwald sind es nur mehr ca. 10%, und in einem sehr schattigen Buchenwald dringen im Sommer lediglich noch 1-5% der Einstrahlung bis zum Waldboden vor. Pflanzen am Waldboden müssen mit der verbleibenden geringen Lichtverfügbarkeit leben. Viele Waldbodenpflanzen in sommergrünen Laubwäldern weichen der Lichtlimitation aus, indem sie bereits im Frühjahr vor dem Laubaustrieb der Bäume ihre Blätter ausbilden, blühen und dann den dunklen Sommer unterirdisch mit Speicherzwiebeln oder Rhizomen überdauern. Zu diesen Frühjahrsblühern gehören in unserer Flora zum Beispiel das Schneeglöckchen und das Buschwindröschen.

Andere Pflanzen haben teilweise hoch spezialisierte Mechanismen entwickelt, um auch in der Dunkelheit am Waldboden sommergrüner oder immergrüner Wälder zu überleben. Manche dieser Pflanzen haben sich sogar von einer für Pflanzen charakteristischen Eigenschaft völlig losgesagt, nämlich mit Hilfe von Licht und Chlorophyll Photosynthese zu betreiben und damit ihren Kohlenstoffbedarf zu decken. Diese Pflanzen bilden kein Chlorophyll und häufig auch gar keine Blätter mehr aus. Die Mehrzahl dieser sich nicht mehr autotroph (griech. autos "selbst", trophe "Ernährung"), sondern heterotroph (griech. heteros "fremd", trophe "Ernährung") ernährenden Pflanzen parasitiert direkt auf anderen Wirtspflanzen. Diese Parasiten ernähren sich über Haustorien, mit deren Hilfe sie die Wasser- und Nährstoffleitungsbahnen ihrer Wirtspflanzen "anzapfen". Zu den parasitisch lebenden Pflanzen gehört auch , die in Bäumen tropischer Wälder Südostasiens lebt und nur mit ihrer bis zu ein Meter Durchmesser erreichenden Blüte aus ihrer Wirtspflanze hervorbricht. Der Lebensraum parasitischer Pflanzen ist aber nicht auf Wälder beschränkt.

Gerade in den letzten Jahren hat die Ernährungsweise einer weiteren Gruppe von ausschließlich am Waldboden lebenden heterotrophen Pflanzen besondere Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Man kennt heute weltweit etwa 400 Pflanzenarten, die sich vollständig von Pilzpartnern mit Kohlenstoffverbindungen und mineralischen Nährstoffen versorgen lassen. Diese Ernährungsweise wird als Mykoheterotrophie (griech. mykos "Pilz", heteros "fremd", trophe "Ernährung") bezeichnet.

Mykoheterotrophe Pflanzen sind mittlerweile aus zehn Pflanzenfamilien bekannt. Die meisten Arten mit dieser Ernährungsweise gehören zur Familie der Orchideengewächse. Daneben sind aber in unserer einheimischen Flora auch Beispiele mykoheterotropher Pflanzen aus den Heidekrautgewächsen bekannt. In den Tropen wurden unter anderem auch mykoheterotrophe Enziangewächse gefunden.

Neben der vollständig mykoheterotrophen Ernährungsweise von chlorophyll- und blattlosen Waldbodenpflanzen wurde erst in den letzten Jahren bei einigen durchaus grün belaubten Orchideen und Heidekrautgewächsen unserer Wälder eine Mischernährung zwischen Autotrophie und Mykoheterotrophie nachgewiesen. Je nach Lichtverhältnissen an ihrem Wuchsort können diese Pflanzen zwischen dem Kohlenstoffgewinn aus der Photosynthese oder auf Kosten ihres Pilzpartners wechseln. Auch diese partiell mykoheterotrophen Pflanzen haben Ektomykorrhizapilze als Partner und sind über deren Hyphen mit den Waldbäumen verbunden. Der Nachweis der partiell mykoheterotrophen Mischernährung gelang mit Hilfe von Häufigkeitsbestimmungen der stabilen Kohlenstoff- und Stickstoffisotope in der Biomasse von Pilzen, autotrophen Referenzpflanzen sowie vollständig und partiell mykoheterotrophen Pflanzen. Das BayCEER-Labor für Isotopen-Biogeochemie an der Universität Bayreuth war maßgeblich an der Entdeckung der partiell mykoheterotrophen Ernährungsweise von scheinbar autotrophen Waldbodenpflanzen beteiligt.

Autor
Prof. Dr. Gerhard Gebauer
ist der Leiter des Labors für Isotopen-Biogeochemie im Bayreuther Zentrum für Ökologie und Umweltforschung (siehe Seite 48). Sein Forschungsprojekt über mykoheterotrophe Pflanzen wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.

Weblinks
• www.bayceer.uni-bayreuth.de/Gebauer
• www.bayceer.uni-bayreuth.de/ibg


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Info
Die Kategorien von Pilzpartnern

Bisher konnten mit Hilfe molekular-ökologischer Methoden drei verschiedene Kategorien von Pilzpartnern in den häufig nur rudimentär ausgebildeten Wurzeln von mykoheterotropen Pflanzen nachgewiesen werden:

• In den Wurzeln mykoheterotropher Pflanzen der tropischen Regenwälder finden sich vorwiegend Pilzpartner, die gleichzeitig mit benachbarten Bäumen eine arbuskuläre Mykorrhiza eingehen (Glomeromycota). Diese Pilze versorgen ihren Baumpartner mit mineralischen Nährstoffen aus dem Boden und erhalten im Gegenzug vom Baum Kohlenhydrate aus der Photosynthese. Die mykoheterotrophe Pflanze "raubt" sich vom gleichen Pilzpartner sowohl Kohlenhydrate als auch mineralische Nährstoffe.

• Eine ähnliche "Dreiecksbeziehung" zwischen Baum, Pilz und mykoheterotropher Pflanze finden wir auch in unseren einheimischen Wäldern. Hier fungieren als Pilzpartner allerdings Ständer- und Schlauchpilze, die mit dem Baumpartner eine Ektomykorrhiza eingehen.

• Als dritte Gruppe von Partnerpilzen mykoheterotropher Pflanzen wurden in Ostasien und Australien holzzersetzende saprotrophe Pilze nachgewiesen. Diese Pilze gehen keine Mykorrhiza mit Waldbäumen ein.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Bei der mykoheterotrophen Voyria aphylla bilden die Pilzpartner (Glomeromycota) eine arbuskuläre Mykorrhiza aus. Diese chlorophyll- und blattlose Pflanze gehört zur Familie der Enziangewächse und lebt am Boden extrem dunkler tropischer Regenwälder in Südamerika. Foto: Vincent Merckx.

Der Widerbart (Epipogium aphyllum) ist eine mykoheterotrophe Orchidee schattiger Wälder in Europa. Sein bevorzugter Pilzpartner ist ein Ektomykorrhizapilz, der Risspilz (Inocybe spec.). Foto: Heiko Liebel

Die Korallenwurz (Corallorhiza trifida) gehört ebenfalls zur Familie der Orchideengewächse. Sie wächst circumboreal in schattigen Wäldern. Diese Pflanze besitzt zwar keine Blätter mehr, aber immerhin noch einen grünen Stängel. Dessen Photosyntheseleistung trägt mit ca. 20% zur Deckung des Kohlenstoffbedarfs der Korallenwurz bei. Die restlichen ca. 80% des Kohlenstoffs stammen vom Ektomykorrhizapilz Tomentella spec. Die Korallenwurz ernährt sich somit partiell mykoheterotroph. Foto: Marco Klüber

Die mykoheterotrophe Orchidee lebt am Boden von Bambuswäldern in Japan. Sie ist auf holzzersetzende Pilze aus der Gattung Helmling (Mycena spec.) spezialisiert. Foto: Yuki Ogura-Tsujita

Die violette Stendelwurz (Epipactis purpurata) lebt in schattigen Wäldern Europas. Viele Stendelwurzarten besitzen Ektomykorrhizapilze unter anderem der Gattung Tuber (Trüffelpilz) als Pilzpartner. Alle Arten dieser Orchideengattung haben noch grüne Blätter. Trotzdem ernähren sich viele Stendelwurzarten teilweise auf Kosten des Pilzpartners und nur teilweise durch eigene Photosynthese (partiell mykoheterotroph). Foto: Heiko Liebel

Der in Wäldern Europas und Nordamerikas beheimatete mykoheterotrophe Fichtenspargel (Monotropa hypopitys) gehört zur Familie der Heidekrautgewächse und ist auf Ektomykorrhizapilze aus der Gattung Ritterling (Tricholoma spec.) als Pilzpartner spezialisiert. Foto: Gerhard Gebauer


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Quelle:
spektrum, Ausgabe 1, Mai 2011, Seite 32-35
Herausgeber: Universität Bayreuth
Redaktion: Pressestelle der Universität Bayreuth, 95440 Bayreuth
Telefon: 0921/55-53 23, -53 24, Fax: 0921/55-53 25
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Internet: www.uni-bayreuth.de

"spektrum" erscheint dreimal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. November 2011