Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → INTERNATIONALES


WALD/225: Waldzerstörung in der Europäischen Union (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2019

Waldzerstörung in der Europäischen Union

von Lázló Maráz


Die Urwaldabholzung in Rumänien muss gestoppt werden In Europa werden nach wie vor große Urwaldgebiete zerstört. Vor allem die Buchenurwälder und Bergwälder Osteuropas und hier insbesondere in den Karpaten nutzen Holzkonzerne und korrupte PolitikerInnen die Schwäche der Institutionen aus, um hohe Profite zu erwirtschaften. Die Europäische Union (EU) richtet ihr Augenmerk aber allenfalls auf die Wälder in den sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländern. Aufmerksamkeit erregen vor allem die Importe von Palmöl und Soja, der illegale Holzhandel und Raubbau. EU-Mitgliedstaaten finanzieren auch millionenschwere Programme zum Walderhalt, zur Zertifizierung von Holzprodukten, zum Wiederaufbau von Wäldern, für neue Schutzgebiete oder für den Klimaschutz - und sehen tatenlos zu, wie vor der eigenen Haustüre kostbare Naturwälder zerstört werden.


Die Vernichtung der Urwälder ist besonders in Rumänien ein großes Problem. Ursache hierfür ist die Gier der Holzkonzerne, der rumänischen Forstbehörde und auch korrupter PolitikerInnen. In keinem anderen EU-Land ist noch so viel Urwald erhalten, wie in Rumänien: Geschätzte 2 Drittel unserer letzten wilden Wälder finden sich in dem Karpatenland. Die meisten Primärwälder Mitteleuropas sind Buchen- und Buchenmischwälder. In Rumänien waren davon laut einer Waldinventur im Jahr 2005 mindestens noch 218.000 Hektar übrig. Seitdem wurden dort aber riesige Waldflächen vernichtet - auch in den seinerzeit erfassten Urwäldern. Für den Schutz der Buchenurwälder ist Europa als Heimat dieser Waldökosysteme verantwortlich!

Umweltschutz vs. Profitgier

Naturschutzorganisationen und WissenschaftlerInnen beklagen seit vielen Jahren Kahlschläge und Plünderungen durch Holzfirmen. In sämtlichen National- und Naturparks Rumäniens wurde und wird teilweise äußerst brutal abgeholzt. Entweder geschieht dies illegal oder es werden Gesetze so geändert, dass der Raubbau legal fortgesetzt werden kann. Neuestes Beispiel: Der über 35.000 Hektar große Semenic-Nationalpark am südwestlichen Ende des Karpatenbogens, in dem sich einer der größten ursprünglichen Buchenurwälder befindet. Der (Wald-)Nationalpark ist Schauplatz eines eskalierenden Konflikts zwischen der rumänischen Forstbehörde Romsilva und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zusammen mit der Wissenschaft.(1)

Romsilva, die auch für die Nationalparkverwaltung zuständig ist, will die Kernzone des streng geschützten Waldes von knapp 50 auf 32 Prozent verkleinern, um mehr Einnahmen aus dem Holzverkauf erzielen zu können. Teile des Nationalparks sind sogar als UNESCO-Weltnaturerbe ausgewiesen. Der größte Buchenurwald Europas befindet sich auf dem Gebiet.

Die Biologin des Nationalparks, Sinculet Teodora Alina, hat im März dieses Jahres aufgrund von Drohungen und wegen des Ausmaßes der illegalen Machenschaften gekündigt. Ihre vielen Anzeigen in den letzten 15 Jahren führten nämlich nicht zu einem Einschreiten der Behörden. Stattdessen wurde sie von Abholzungsgebieten ferngehalten und unter Druck gesetzt. Der Fall ist ein eindrückliches Beispiel dafür, dass es in der Regel wenig Sinn macht, Forstbehörden mit Aufgaben des Naturschutzes zu beauftragen. Vor allem dann nicht, wenn solche Behörden hauptsächlich dafür zuständig sind, Holz zu verkaufen. Im Zweifel gehen auch in solchen Fällen die Interessen an der Holzgewinnung und Erzielung von Profiten vor. Mit beteiligt sind vor allem Holzfirmen aus Österreich, die schon vor vielen Jahren damit begonnen hatten, die reichen Rohstoffquellen der osteuropäischen Wälder zu erschließen und zu sichern. Einige von ihnen, wie die Firma Schweighofer, haben dort große Holzverarbeitungsbetriebe errichtet. Diese benötigen jährlich hunderttausende Tonnen Holz, das auch schon mal aus der benachbarten Ukraine importiert wird.

Es ist aber auch ein Armutszeugnis für die europäische Waldpolitik, dass in manchen Mitgliedstaaten der Missachtung von Gesetzen und Schutzvorschriften kaum etwas entgegengesetzt wird. Schon im Falle des polnischen Bialowieza-Urwaldes an der Grenze zu Weißrussland hatte die EU lange gebraucht, um den Holzeinschlag durch polnische Forstbehörden zu bremsen. Hinzu kommt das Problem der weit verbreiteten Korruption. Geldgierige PolitikerInnen und Holzkonzerne sind in den wirtschaftlich armen Regionen eine starke Triebfeder des illegalen Holzeinschlags.

Schutzgebiete ohne wirksamen Schutz

Die rumänischen Natura-2000-Schutzgebiete sind Brennpunkte der profitorientierten Forstwirtschaft. Nach den Kriterien der Weltnaturschutzorganisation IUCN sollten in Nationalparks auf 75 Prozent der Fläche streng geschützte Naturzonen ohne jede Nutzung eingerichtet werden. In Rumänien erreicht nur ein Nationalpark diesen Wert. In allen anderen Nationalparks wird auf bis zu 2 Drittel der Fläche kommerziell abgeholzt. Die weltweit geltenden Standards der IUCN werden ignoriert. Verantwortlich für die Zerstörung der Wälder in den rumänischen Parks ist vor allem die staatliche Forstverwaltung Romsilva. Sie ist für das Management von fast allen National- und Naturparks verantwortlich und finanziert diese. Da es keine staatlichen Zuwendungen für die Parks gibt, steht Romsilva offenbar auf dem Standpunkt, dass es auch Einnahmen durch Abholzungen in Schutzgebieten braucht. In einem Großteil der Nationalparks wird daher kommerzielle Forstwirtschaft betrieben. Riesige Flächen wertvollster Wälder gingen auf diese Weise in den letzten Jahrzehnten verloren. In den Naturparks (und Natura-2000-Gebieten) Apuseni und Maramures oder im Fagaras-Gebirge sind die Spuren der Waldverwüstung besonders schockierend. Hier wurden ganze Bergrücken und Täler regelrecht entwaldet. Die Lebensräume für seltene und streng geschützte Tierarten wie das Auerhuhn wurden auf diese Weise großflächig vernichtet.

Wo die Wälder fehlen, gefährden aber Fluten, Muren und Lawinen die Täler, ihre Siedlungen und Verkehrswege. Das Tal der geplanten UNESCO-Weltnaturerbestätte bei Sinca im rumänischen Fagaras-Gebirge beispielsweise war noch vor wenigen Jahren zum größten Teil von traumhaften Urwäldern bedeckt. Einige der größten Tannen Rumäniens wachsen hier. Leider wurde 2017 nur ein kleiner Teil des mehr als 1.000 Hektar großen Urwaldgebietes als UNESCO-Weltnaturerbe eingeschrieben. Heute ist die Pufferzone des UNESCO-Gebietes von neuen, brutal durch die Hänge gegrabenen Forststraßen durchzogen und der Urwald wurde teilweise abgeholzt. Obwohl Holzeinschlag in registrierten und intakten Urwäldern seit einer Ministerverordnung im Jahr 2012 nicht mehr zulässig ist, wurde der prächtige Urwald im hinteren Teil des Sinca-Tales seit 2013 nach und nach kahlgeschlagen. Da halfen auch keine Anzeigen durch die UmweltschützerInnen der rumänischen NGO 'Agent Green'. Die Behörden stoppten die Abholzungen nicht. Das traurige Beispiel von Sinca ist kein Einzelfall. Es wird weiter abgeholzt. Schwere Forstmaschinen reißen die Waldböden auf und fügen dem sensiblen, seit Tausenden von Jahren ungestörten Ökosystem schwere Wunden zu.

Jede Minute verliert Rumänien weitere unwiederbringliche Urwaldgebiete. Das Holz wird übrigens für vielerlei Zwecke verkauft. Papier, Bauholz, Möbel und sogar Brennholz finden reißenden Absatz, denn die Plünderungen machen den Rohstoff billig. Und besonders in den alten Wäldern können die Holzfirmen viele große und wertvolle Bäume fällen und verkaufen. Das ist nicht anders als im Kongobecken oder Amazonien.

UrwaldschützerInnen, die kriminelle Machenschaften aufdecken, wurden bedroht und einige von ihnen krankenhausreif geschlagen. Und solche Missstände passieren in einem EU-Mitgliedstaat, während das gestohlene Brenn- und Bauholz auch in Österreich und Deutschland landet. Die EU, die sich dem Kampf gegen illegalen Holzhandel vor allem in tropischen Ländern verschrieben hat, sieht im eigenen Haus tatenlos zu, wie Urwälder zerstört werden.

Widerstand

Ein Lichtblick ist die Entwicklung immer neuer Waldschutzinitiativen in Osteuropa. Das wurde nicht zuletzt beim Jahrestreffen des Forest Movement Europe deutlich, das diesen März in der Ostslowakei stattfand. Zahlreiche Organisationen, darunter aus der Slowakei, Rumänien, Tschechien, Ungarn und Polen, kämpfen in ihren Ländern um den Schutz ihrer Wälder. Sie gilt es zu unterstützen, denn vielfach ist die Unterstützung der Zivilgesellschaft noch bei weitem nicht stark genug - zumal in mehreren dieser Länder auch die politischen Umstände die Arbeit von NGOs massiv erschweren.

Da Rumänien im ersten Halbjahr 2019 die EU-Ratspräsidentschaft innehat, ist hier besonderes Augenmerk wichtig. Am 5. März 2019 haben AktivistInnen von Robin Wood vor der Rumänischen Botschaft in Berlin gegen die Abholzung rumänischer Urwälder protestiert.

Eine weitere Form der Unterstützung besteht darin, den Druck auf die Wälder insgesamt zu verringern. Solange der Verbrauch an Papier, Brennholz und anderen Holzprodukten steigt, wird es immer profitabel sein, auch illegalen Holzhandel und Raubbau zu finanzieren.

Autor Lázló Maráz koordiniert die Dialogplattform Wald und die AG Wälder beim Forum Umwelt und Entwicklung.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NROs in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.


(1) https://www.saveparadiseforests.eu/en/romania-biologist-of-semenic-nationalpark-quits-job-protesting-against-logging/

*

Quelle:
Rundbrief 1/2019, Seite 26 - 27
Herausgeber:
Forum Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 910
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. April 2019

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang