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WIRTSCHAFT/027: Lateinamerika - Grüne Wirtschaft leidet unter Startschwierigkeiten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. Juli 2013

Lateinamerika: Grüne Wirtschaft leidet unter Startschwierigkeiten

von Emilio Godoy


Bild: © Emilio Godoy/IPS

Nachhaltigkeit verlangt auch eine Abgasreduzierung im Transportwesen
Bild: © Emilio Godoy/IPS

Mexiko-Stadt, 4. Juli (IPS) - In Lateinamerika treten die Bemühungen um eine nachhaltige Entwicklung ein Jahr, nachdem auf dem Umweltgipfel 'Río+20' die Prinzipien einer grünen Wirtschaft festgelegt wurden, auf der Stelle. Experten zufolge fehlt es an einem umfassenden und übergreifenden Ansatz, um das Projekt voranzubringen.

"Die Region befindet sich generell in einer schwierigen Lage. Auch wenn es einzelne Bemühungen von staatlicher Seite gibt, das Umweltkapital als Element der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit zu integrieren, so sind sie doch unzureichend", meint Isabel Studer, Leiterin des Instituts für globale Nachhaltigkeit (IGS) am privaten Institut für Technologie und höhere Bildung im mexikanischen Monterrey.

Dass Staaten ihr Wirtschaftswachstum weiterhin auf die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen aufbauten, sei wenig zukunftsweisend, moniert die Wissenschaftlerin und bilanziert: "Die ökologische Nachhaltigkeit wurde nicht in die Wirtschaftsstrategien integriert."

Die IGS ist an einer Untersuchung unter Leitung der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) über die positiven Erfahrungen beteiligt, die mit 'grüner' Wirtschaft in Entwicklungs- und Industrieländern gemacht werden konnten. Die Studie soll bis Ende des Jahres vorliegen.


Grüne Wirtschaft als Hoffnungsträger

Laut UN-Umweltprogramm (UNEP) kann die grüne Wirtschaft positiv auf das Leben der Menschheit einwirken und die soziale Gleichheit fördern sowie gleichzeitig die ökologische Sicherheit erhöhen und die Verknappung der natürlichen Ressourcen verringern. Verkürzt ausgedrückt, sei die grüne Wirtschaft klimafreundlich, ressourceneffizient und sozial inklusiv.

UNEP zufolge können grüne Investitionen zur Verringerung der Nachfragen nach Energie und Wasser beitragen und den CO2-Fußabdruck reduzieren, der durch die Produktion von Gütern und Dienstleistungen entsteht. Gleichzeitig ließen sie sich als Waffen gegen Armut und Ungleichheit einsetzen.

"Wir müssen erst begreifen, unter welchen Bedingungen Wirtschaft funktioniert, und dann überlegen, welche Maßnahmen wir ergreifen müssen", meint die UNEP-Vertreterin in Mexiko, Dolores Barrientos. "Zuerst brauchen wir eine Analyse der Methoden und bevorzugten Sektoren, damit wir uns auf eine grüne Wirtschaft zubewegen können. Wir müssen die Grenzen unseres Wirtschaftssystems erkennen, um die bestehenden Defizite zu überwinden."

Das Abschlussdokument 'Die Zukunft, die wir wollen' der Rio+20-Konferenz im Juni letzten Jahres bezeichnet die grüne Wirtschaft als eines der wichtigsten Instrumentarien, um Nachhaltigkeit zu erreichen. Gleichzeitig jedoch lässt das Papier auch andere Ansätze, Visionen und Modelle, je nach den besonderen Umständen und nationalen Prioritäten, gelten.

Regierungen, Universitäten, Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen haben beim Konferenzsekretariat 741 freiwillige Initiativen in Bereichen wie Energie, Transport, Landwirtschaft und Gesundheit registrieren lassen. Brasilien meldete 72, Mexiko 47 und Peru 25 Initiativen an. UNEP schätzt die Kosten nachhaltiger Projekte gegen die Ressourcenverknappung und die Entstehung giftiger Rückstände auf jährlich 1,3 Milliarden Dollar.

Bis 2030 wird Mexiko 64 Milliarden US-Dollar an Investitionen in die Bereiche Elektrizität, Erdöl, Erdgas, Waldwirtschaft, Energiekonsum und Transport investieren müssen, um den Ausstoß von CO2-Emissionen zu senken, schätzt die Weltbank. Die internationale Finanzorganisation zieht es vor, von "integriertem grünem Wachstum" zu sprechen und verweist auf entsprechende Projekte, die bereits in vielen Ländern der Region umgesetzt werden.

Doch einige Regierungen, Wissenschaftler und zivilgesellschaftliche Organisationen vor allem in den Entwicklungsländern halten die grüne Energie für den Versuch, die natürlichen Ressourcen zur Ware zu machen, ohne die tiefer liegenden Probleme wie Armut und Ungleichheit anzugehen.

In der Untersuchung 'Entwicklungsstrategien ausgewählter lateinamerikanischer und karibischer Länder - eine Vergleichsanalyse' setzt sich UNEP mit Bedenken von Argentinien, Bolivien, Ecuador, Kuba, Nicaragua und Venezuela gegenüber der grünen Wirtschaft auseinander und kommt zu dem Schluss: "Obwohl die meisten der analysierten Länder Elemente in ihre Entwicklungsstrategien aufgenommen haben, die die Beziehungen zwischen Menschen und Gemeinschaften einerseits und der Umwelt und den Zielvorgaben für Nachhaltigkeit andererseits regeln, besteht zwischen ihren oftmals fortschrittlichen Positionen, die auch international vorgebracht werden, und ihren derzeitigen Entwicklungsstrategien eine Kluft."


Grüne Wirtschaft "ein Imperativ"

"Die Herausforderung besteht nun darin, auf ganzheitliche Weise die Volkswirtschaften substanziell zu verändern", meint Studer. Für die Wissenschaftlerin ist die grüne Wirtschaft keine Frage der Wahl, sondern angesichts der sich verschärfenden ökologischen Probleme unumgänglich. Sie biete Entwicklungschancen in Bereichen wie den Erneuerbaren und Recycling, mache aber gigantische Anstrengungen erforderlich.

Mexiko stellt derzeit eine Studie über Landwirtschaft, Umweltkapital, Transport, Wasser und grüne Arbeitsplätze fertig, die politischen Entscheidungsträgern als Kompass dienen soll. Auch andere Länder der Region fangen langsam an, alle möglichen Bereiche unter dem Aspekt der grünen Wirtschaft zu analysieren. Dann müssen die Erkenntnisse nach Ansicht von Barrientos in den Bereichen, in denen sich die Chance bietet, umgesetzt werden.

Der UNEP-Studie zufolge ist es wichtig, internationale Mechanismen einzuführen, die garantieren, dass eine grüne Wirtschaft die Armut bekämpft, die Souveränität der Länder respektiert, die Ökosysteme und Artenvielfalt schützt und eine faire Verteilung des Wohlstands sicherstellt. (Ende/IPS/kb/ 2013)


Links:

http://www.unep.org/greeneconomy/Portals/88/documents/Report/ALBA%20report/ALBA%20paper%20final%20letter-size_for%20web_23MAY.pdf
http://www.ipsnews.net/2013/07/green-economy-not-taking-off-in-latin-america/

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IPS-Tagesdienst vom 4. Juli 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juli 2013