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WIRTSCHAFT/039: TTIP - "Was ist in diesem Leben schon demokratisch?" (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2013
Holzplantage oder Ökosystem? - Wälder unter Nachfragedruck

»Was ist in diesem Leben schon demokratisch?«
Die Verhandlungen um das TTIP jedenfalls nicht!

Von Alessa Hartmann



Mitte November fand die zweite Verhandlungsrunde des EU-USA-Handels- und Investitionsabkommens TTIP in Brüssel statt. Die Verhandlungen wurden in gewohnter Manier hinter verschlossenen Türen geführt. Informationen über den genauen Verlauf der Gespräche gibt es bis heute keine. Und doch erregen die Geheimverhandlungen immer mehr die Aufmerksamkeit der europäischen BürgerInnen und zwingen die EU zu reagieren.


Ja, demokratisch ist es nicht, aber was ist schon in diesem Leben demokratisch?«, sagt Peter Esser, Vertreter der deutschen Industrie, und lacht breit in die Kamera. Für einen Moment ist sie bloßgelegt, die Maske der Industrie und es wird klar, was die meisten schon wussten: Transparenz und Partizipation, ja bitte, aber nur für Konzernlobbyisten und ihre Interessen. So offen, wie von Herrn Esser in der Reportage des SWR hört man es selten.(1) Aber genau so stellt sich die Situation der Verhandlungen um das TTIP dar.

Nur knapp eine Woche vorher war bekannt geworden, dass die wegen der amerikanischen Haushaltssperre ausgefallene Verhandlungsrunde nun doch nachgeholt werden soll. Sehr kurzfristig für zivilgesellschaftliche Akteure, um darauf zu reagieren, besonders für amerikanische Vertreter, die nicht mal so eben 2.000 US Dollar für einen Flug nach Brüssel ausgeben können. Andererseits hätte Ihre Anwesenheit wahrscheinlich auch nicht viel an den Verhandlungen geändert, die so geheim sind, dass bis zum Ende der Verhandlungswoche nicht einmal der Verhandlungsort bekannt wurde. Texte blieben unzugänglich und es gab keine Möglichkeit für Vertreter von Umwelt- und Verbraucherschutz Informationen über den Verlauf der Verhandlungen zu bekommen, geschweige denn an ihnen teilzunehmen. Dies gelang Industrievertretern offensichtlich besser, so traf sich beispielsweise die American Chamber of Commerce in der Woche mit mehreren Verhandlern der EU und der Handelsvertretung der Vereinigten Staaten (USTR) und brachte ihre Interessen direkt vor Ort ein.(2)

Alibi-Partizipation
Die groß angekündigte Transparenzoffensive fand dann zum Abschluss der Woche statt bei einem Briefing für über 350 Stakeholder durch die Chefverhandler Mullaney und Bercero. Die Notizblöcke vieler TeilnehmerInnen blieben allerdings leer - so wenig wirklich aussagekräftige Informationen wurden bei dem Treffen transportiert. Immerhin kündigte die EU-Kommission an, eine so genannte Advisory Group einberufen zu wollen, eine Expertengruppe, die sich in regelmäßigen Abständen mit dem Chefverhandler treffen wird. Die Gruppe wird aus Vertretern von Industrie, Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und Verbraucherschützern bestehen, deren Mitglieder dort ad personam vertreten sein werden. Dieser bisher ungewöhnliche Schritt der EU-Kommission kann als Zeichen für den wachsenden Druck gewertet werden, nicht aber als wirkliche Transparenz und Partizipation. Denn die Mitglieder der Gruppe werden von der DG Trade ausgewählt und nicht von den Stakeholdern selbst bestimmt. Außerdem wird es keinen Einblick in Verhandlungstexte geben. Deshalb bleibt diese Initiative der Kommission eine reine Alibi-Worthülse.

Der Druck wächst
Aber trotzdem: Der Druck auf die EU und die USA wächst, die Kritik an der Intransparenz der Verhandlungen wird größer, und immer mehr Menschen durchschauen, dass es bei dem Abkommen vor allem um eine Deregulierung der Märkte und Stärkung der Macht einiger weniger Konzerne geht. Die EU-Kommission ist alarmiert und reagiert. Bei einem Treffen Ende November schwor die EU ihre Mitgliedsstaaten auf eine gemeinsame Kommunikationsstrategie für das TTIP ein. Das Hintergrundpapier zu dem Treffen wurde geleakt.(3) Die EU wies darin darauf hin, man müsse aufpassen, dass die Zweifel an dem Abkommen nicht wie Pilze aus dem Boden schössen, bevor es überhaupt fertig verhandelt sei. Wichtig sei eine klare Kommunikation über den Nutzen des TTIP. Die Bevölkerung solle mit dem TTIP die Schaffung von Arbeitsplätzen und Wachstum verbinden und nicht einen Versuch der Unterminierung von Regulierung und bestehenden Sicherheitsstandards bei Gesundheit und Umwelt. Obwohl die Verhandlungen natürlich geheim bleiben müssten, müsse genug Transparenz geschaffen werden, um Ängste zu beruhigen. In der Praxis solle eine Medienoffensive gestartet werden, die auf allen Kanälen (inklusive online und social media) ein positives Meinungsbild zum TTIP schaffe. Außerdem sollten die Mitgliedsstaaten ihre großen Medien darum bitten, möglichst nur positiv über das Abkommen zu berichten.

Mit Demokratie hat das nicht viel zu tun. Und es zeigt, dass wir als Zivilgesellschaft nicht nachlassen dürfen und den Druck aufrechterhalten müssen, um das Abkommen zu stoppen! Die Europawahlen am 25. Mai 2014 sind die nächste Gelegenheit, um das TTIP prominent auf die Wahlkampfagenda zu setzen.


Autorin Alessa Hartmann ist Referentin für Internationale Handelspolitik beim Forum Umwelt und Entwicklung.


(1) http://www.ardmediathek.de/swr-fernsehenrp/im-gruenen/eine-gefahr-fuer-unsere-landwirtschaft?documentId=18320866. Sendung vom 26.11.2013.

(2) http://www.amchameu.eu/Committeeannouncement/tabid/126/smid/827/ArticleID/929/reftab/400/t/AmCham-EU-heavily-engaged-in-secondround-of-TTIP-negotiations/Default.aspx

(3) http://corporateeurope.org/trade/2013/11/leaked-european-commission-pr-strategycommunicating-ttip


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2013, S. 21
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Februar 2014