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WIRTSCHAFT/045: Visionspapier für nachhaltige Papierproduktion (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. Juni 2014

Umwelt: Visionspapier für nachhaltige Papierproduktion

von Carey L. Biron


Bild: © Taylor Toeka Kakala/IPS

Die Demokratische Republik Kongo verfügt über die zweitgrößten tropischen Regenwälder der Welt, die jedoch von der Entwaldung bedroht sind
Bild: © Taylor Toeka Kakala/IPS

Washington, 20. Juni (IPS) - Mehr als 120 Umweltgruppen aus aller Welt haben ein umfassendes Visionsdokument vorgelegt, das aufzeigt, wie sich nachhaltige Reformen im gesamten Papiersektor einführen, stärken und umsetzen lassen.

Obwohl die Branche traditionell eine treibende Kraft hinter der Zerstörung der globalen Wälder gewesen ist, hat sie sich in Zusammenarbeit mit Umweltbehörden und Aktivisten in den letzten Jahren Gedanken über nachhaltigere Produktionsweisen und Abkommen gemacht.

Doch da damit eine Umsetzung der Beschlüsse und Maßnahmen noch lange nicht gewährleistet ist, haben die im 'Environmental Paper Network' (EPN) zusammengeschlossenen Naturschutzverbände von sechs Kontinenten nun einen ersten umfassenden Versuch gestartet, ihre Nachhaltigkeitsvorstellungen zu harmonisieren.

"Uns geht es um eine Welt mit alternativen Konsummustern, die auf die Bedürfnisse aller Menschen eingehen und gleichzeitig Müll und Überkonsum beenden", so die 'Global Paper Vision'. Gemeint sei eine Papierproduktion, die weniger auf frische Fasern zurückgreife, die nicht mit dem Verlust der Artenvielfalt und der Wälder in Verbindung gebracht werde, die möglichst auf recycelbare Materialien setze, die Menschenrechte einschließlich lokale Landrechte respektiere und sozialverträgliche, konfliktfreie und faire Arbeitsplätze schaffe.

Das Dokument zielt auf die gesamte Produktionskette der Papierherstellung. Angesprochen werden Papierindustrie, Investoren, Einzelhandel, Verbraucher, Regierungen und Zivilgesellschaft. Es zeichnet verantwortungsvolle Beschaffungswege auf, wirbt für eine saubere Produktion, einen geringen Papierverbrauch und die maximale Verwendung von Recyclingpapier.

"Es gibt eine neue Form der Umweltalphabetisierung unter den Verbrauchern und neue Vorstellungen von Firmenverantwortung. Gleichzeitig jedoch ist die Umweltrhetorik der Unternehmen oftmals sehr verwirrend", meint Joshua Martin, Leiter des EPN mit Sitz in den USA.

"Uns war an einer authentischen Botschaft für mehr Nachhaltigkeit gelegen, die die Messlatte höher legt und uns konkrete Ziele vorgibt. Wir wollten zeigen, dass es eine globale und koordinierte Öffentlichkeit gibt, die aus optimalen Vorgehensweisen der Gegenwart Standards für die Zukunft entwickelt", so Martin.


Papierverbrauch nimmt zu

Trotz des Siegeszugs der digitalen Medien im letzten Jahrzehnt ist die globale Papierindustrie ein Koloss, der eine tägliche Nachfrage von mehr als einer Million Tonnen Papier und Papiererzeugnissen bedient. Laut dem WWF, einem Mitglied des EPN, werden seit 2010 jedes Jahr rund 400 Millionen Tonnen Papier verbraucht und meist kurz darauf weggeworfen, die Hälfte davon in Europa und Nordamerika. Bis 2020 wird die Nachfrage auf 500 Millionen Tonnen pro Jahr ansteigen, was mit einem enormen Verbrauch von Wasser, Energie und Chemikalien einhergeht.

Während es in vielen Teilen der Welt bemerkenswerte Fortschritte gibt, den Papierkonsum zu drosseln und Recyclingprogramme zu stärken, nimmt die Nachfrage in Ländern mittlerer Einkommen wie China rasant zu, wodurch sich die bisher erzielten Fortschritte wieder relativieren.

So hat sich der Papierverbrauch zwar fast überall auf der Welt in den letzten fünf Jahren verringert, in der Volksrepublik jedoch mehr als verdoppelt. Hatten Nordamerikaner 2009 die dreifache Papiermenge eines Durchschnittsafrikaners verbraucht, wurden sie im gleichen Jahr von den Chinesen überholt, wie aus einem EPN-Bericht über die globale Papierindustrie von 2011 hervorgeht.

In den letzten Jahren kamen von Seiten der Papierhersteller wichtige Nachhaltigkeitszusagen. So kündigte 'Asia Pulp & Paper', der größte Papierproduzent Indonesiens und einer der größten Akteure in dem Bereich weltweit, im letzten Jahr ein Einschlagmoratorium für Urwälder an.

Kanada wiederum hat vorübergehend den Holzeinschlag auf einer Fläche von mehr als 76 Millionen Hektar in öffentlichen Wäldern verboten und somit für eines der größten Schutzabkommen in der Geschichte des Landes gesorgt. Wenig später gab der Staat bekannt, künftig auf ausschließlich nachhaltige Praktiken umzusteigen.

"Wir konnten einen enormen Zuwachs bei den Waldzertifizierungsstandards verbuchen, und verfügen über hunderte als nachhaltig zertifizierte Papiererzeugnisse, die es vor zehn Jahren noch gar nicht gab", meinte Martin vom EPN. "Das sind wunderbare Erfolge, auf den wir aufbauen können, doch müssen wir unsere Augen offen halten und sicherstellen, dass die Menschen sich der internationalen Auswirkungen des Waldschwunds bewusst sind."


Krux Zertifizierung

Von allen Fragestellungen und Vorschlägen kommt der Zertifizierung der Wälder eine besondere Bedeutung zu. Obwohl es zahlreiche Zertifzierungsinstrumente gibt, halten die meisten Umweltschützer den 'Forest Stewardship Council' (FSC) für einzig überzeugend. Das Siegel wird ausschließlich von der deutschen GFA Consulting Group GmbH und einer US-amerikanischen Gruppe vergeben.

Seit Mai hat der FSC fast 185 Millionen Hektar Wald in mehr als 80 Ländern zertifiziert, 80 Prozent davon in Nordamerika und Europa. Doch dem EPN zufolge ist die Menge an Papier, das mit dem FSC-Siegel versehen wurde, in den letzten Jahren förmlich "explodiert". Das Volumen habe somit fast Industriestandard erreicht.

In einer Mail an IPS würdigte die US-amerikanische FSC-US-Vorsitzende Corey Brinkema das neue Visionspapier dafür, einen Weg nach vorn gewiesen zu haben, der lokale Gemeinschaften respektiere und ökologische und soziale Werte mit dem Zellstoff- und Papierbedarf der Gesellschaft austariert zu haben.

Brinkman erklärte, das der FSC sich darauf freue, "mit den Unterzeichnern auf eine Umsetzung der Global Paper Vision hinzuarbeiten, damit die jetzigen und die kommenden Generationen von den Wäldern profitieren können".

Die Papierindustrieverbände haben zurückhaltender auf die EPN-Ziele reagiert. "Uns ist sehr daran gelegen, mit den interessierten Akteuren in einem offenen Dialog über Wege zur Förderung einer nachhaltigen Zukunft der Papierindustrie zu bleiben", meinte Cathy Foley, Vizevorsitzende der Handelsgruppe 'American Forest & Paper Association' (AF&PA), in einer Mitteilung an IPS.

AF&PA-Mitgliedern sei daran gelegen, die Nachhaltigkeitsbemühungen der Industrie-Initiative ständig zu verbessern, so Foley. Aus diesem Grund würden die Mitglieder alle zwei Jahre über die erzielten Fortschritte berichten. (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/06/green-groups-offer-broad-vision-for-global-paper-sector-reforms/

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IPS-Tagesdienst vom 20. Juni 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juni 2014