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WIRTSCHAFT/088: Erneutes Scheitern - Kein Abschluss eines Abkommens über Umweltgüter (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2016

Gutes Essen - schlechtes Essen
Strukturwandel wohin?

Erneutes Scheitern
Kein Abschluss eines Abkommens über Umweltgüter

von Jürgen Knirsch


Neben TiSA, TTIP und CETA stand 2016 ein weiteres Abkommen auf der handelspolitischen Agenda. Das Abkommen über Umweltgüter (EGA) teilt das Schicksal von TTIP und TiSA - erneut wurde ein für 2016 angestrebter Abschluss der Verhandlungen nicht erreicht. Doch das Scheitern von EGA war nur wenigen Medien eine Meldung wert. Was nicht verwundert, werden doch die Verhandlungen geheim geführt. Ist durch das vorläufige Scheitern der durch EGA versprochene bessere globale Zugang zu sauberen Technologien nicht gegeben? Verlieren Umweltschutz, ArbeitnehmerInnen, Unternehmen und VerbraucherInnen? Oder gaukelt EGA Umwelt- und Klimaschutz vor, um den Exportinteressen einiger Unternehmen zu dienen?

Am 4. Dezember 2016 waren Handelskommissarin der Europäischen Union (EU) Cecilia Malmström und ihr US-Kollege Michael Froman nach Genf gereist, um einem an einer vermeintlichen letzten Verhandlungsrunde anschließenden Ministertreffen für ein Umweltgüterabkommen vorzustehen. Doch statt eines angestrebten Abschlusses der Verhandlungen konnten sie nur lapidar verkünden: "Die Teilnehmer werden nun in die Hauptstädte zurückkehren, um die nächsten Schritte in Erwägung zu ziehen."(1) Roberto Azevedo, der Generaldirektor der Welthandelsorganisation (WTO), in deren Räumen diese 17. Verhandlungsrunde stattfand, fand dagegen deutlichere Worte: "Ich fordere die Teilnehmer auf, was immer auch an Flexibilität möglich ist, zu zeigen, um zu helfen, das Abkommen abzuschließen".(2)

Damit ähnelt die Situation der Ende 2016 des Vorjahres. Auch Ende 2015 wurde schon einmal erklärt, die Zeit sei reif für den EGA-Abschluss und man würde sich noch im Dezember 2015 auf eine finale Liste der Umweltgüter einigen. Doch eine Einigung erfolgte dann nicht. Nun ist als nächster Zielpunkt wieder ein Dezember vorgesehen, nämlich die 11. WTO-Ministerkonferenz, die vom 11. bis 14. Dezember 2017 in Buenos Aires, Argentinien, stattfinden wird.


Was auf einer Liste steht, ist ein Umweltgut

Damals wie heute ist die strittige Frage: Was sind eigentlich Umweltgüter? Umweltgüter sind nach der EU-Kommission Produkte, die direkt zum Umweltschutz und Klimaschutz beitragen. Doch über diesen Satz hinaus gibt es keine international vereinbarte Methodik zur Definition von Umweltgütern. Die EGA-Verhandlungen folgen einem "Listenansatz": Die Verhandlungsparteien könnten Produkte als Umweltgüter vorschlagen, und die anderen Parteien müssen diesen Vorschlägen zustimmen. Als Beispiele für Umweltgüter nennt die Kommission Produkte zum Reinigen der Luft und des Wassers, zur Behandlung von Abfällen, zur Erhöhung der Energieeffizienz, zur Kontrolle der Luftverschmutzung, oder Güter, die zur Erzeugung erneuerbarer Energien benötigt werden.

Viele der Güter, die in diese Kategorien fallen, können unterschiedlich eingesetzt werden, eine Turbine kann aus Wind- wie aus Kernkraft Strom produzieren. "In Ermangelung einer Definition des Begriffs 'Umweltgut' droht die Produkteliste in einer Art erweitert zu werden, die nicht mehr primär Umweltinteressen, sondern primär wirtschaftlichen Interessen der Verhandlungspartner Rechnung trägt", warnte deshalb bereits Ende 2015 die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.(3)


Bypass für die Welthandelsorganisation

Bereits Ende 2001 beschloss die WTO im Rahmen der damals gestarteten Doha-Runde (DDA) Handelsschranken für Umweltgüter und -dienstleistungen zu verringern. Doch wie auch bei anderen Teilen der DDA sind in diesen "Environmental Goods and Services"-Verhandlungen (EGS) keine Fortschritte erzielt worden. Der Stillstand in der WTO führte zur Auslagerung der Verhandlungen. So wurde auf dem World Economic Forum (WEF) im Januar 2014 verkündet, außerhalb der WTO und zunächst nur über Umweltgüter zu verhandeln. Dass das WEF die Kulisse für den Neustart der Verhandlungen lieferte, verdeutlicht die wirtschaftlichen Interessen, um die es bei EGA geht. So gilt das US-Unternehmen General Electric, einer der führenden Hersteller von Windturbinen, als einer der Geburtshelfer für den Start der EGA-Verhandlungen, der dann offiziell am 8. Juli 2014 erfolgte.

An der letzten Genfer Verhandlungsrunde waren 18 Vertragsparteien beteiligt, zuletzt kam Lichtenstein hinzu. Die EU verhandelt für ihre 28 Mitgliedstaaten, so dass insgesamt 48 WTO-Mitglieder bei EGA dabei sind. Diese machen den Großteil des weltweiten Handels mit Umweltgütern aus. Für die auf der EGA-Liste befindlichen Güter sollen die Zölle auf Null gesenkt werden. EGA versteht sich als "Living Agreement". Das heißt, dass in Zukunft auch die Abschaffung von nicht-tarifären Handelshemmnissen und auch Umweltdienstleistungen mit in EGA aufgenommen werden können.

EGA soll, wenn es verabschiedet ist, den anderen WTO-Mitgliedern zum Beitritt offen stehen, beziehungsweise im Rahmen der Meistbegünstigung auch für die anderen WTO-Mitglieder gelten. Allerdings haben diese dann erstmal keine Chance, ihre Güter auf die Liste zu setzen. Damit zeigt sich bei EGA das Phänomen, das auch von TiSA (Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen) bekannt ist: Man verhandelt ein eigentliches WTO-Thema außerhalb der WTO, bringt es dann wieder in die WTO ein und setzt Regeln, an deren Entstehung zwei Drittel der WTO-Mitglieder nicht beteiligt werden.


Die Angst vor chinesischen Fahrrädern

Die letzte Ende November 2016 geleakte Version der Umweltgüterliste umfasste 304 Güter, darunter auch E-Bikes und Fahrräder. Die von China auf die Liste gesetzten Fahrräder können dort um 40 Prozent billiger als in Europa produziert werden. Die Billig-Konkurrenz würde die europäische Fahrradindustrie unter Druck und damit 70.000 Arbeitsplätze aufs Spiel setzen, die bisher durch Einfuhrzölle in Höhe von 48,5 Prozent geschützt sind.(4) Nach einem Bericht der Neuen Züricher Zeitung war es unter anderem der Konflikt um Fahrräder, der den EGA-Abschluss verhinderte. So habe sich der Konflikt der EU und USA mit China um die Aufnahme von Fahrrädern und Fahrradkomponenten in die Liste so zugespitzt, dass China Gasturbinen, Wärmepumpen und Windräder von der Liste streichen wollte, die aber für die EU und die USA essentiell seien. Damit wären keine weiteren Verhandlungen möglich gewesen. Diese von westlichen Medien vorgetragene Sicht, der Abschluss sei an China gescheitert, weist die chinesische Regierung allerdings zurück. Für sie sei für das Scheitern die Verhandlungsleitung verantwortlich, die eine unausgewogene und deshalb nicht akzeptable Umweltgüterliste vorgelegt habe.


Klima- und Umweltschutz durch Handel?

Auf den ersten Blick scheint die Verbesserung des Marktzugangs für Umweltgüter ein Bereich der Liberalisierung zu sein, der aus einer Umweltperspektive zu begrüßen ist. Denn soll Umwelt- und Klimaschutztechnologie so schnell und so einfach wie möglich auf der ganzen Welt verteilt werden, dann erscheint ein Abbau von Handelshemmnissen sinnvoll. Aber bei EGA stehen primär Export- wie Marktschutzinteressen im Vordergrund der Verhandlungen, nicht Klima- und Umweltschutz. Und erst recht nicht Entwicklungsziele, wie der Aufbau einer eigenständigen Industrie für Umweltschutz und erneuerbare Energien in den Ländern des Südens. Es bleibt unklar, was die aktuelle Liste von rund 300 Umweltgütern wirklich zum Umweltschutz und Klimaschutz beitragen kann. Jede Vereinbarung über Umweltgüter muss zunächst eindeutig den Zielen der internationalen Gemeinschaft dienen, die durch das Pariser Abkommen über den Klimaschutz und die Ziele der nachhaltigen Entwicklung vorgegeben sind.


Autor Jürgen Knirsch arbeitet seit 1999 bei Greenpeace zu Handelsfragen.


Anmerkungen

(1) http://trade.ec.europa.eu/doclib/press/index.cfm?id=1595.

(2) https://www.wto.org/english/news_e/news16_e/ega_04dec16_e.htm.

(3) Siehe Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Bärbel Höhn, Katharina Dröge, Peter Meiwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 18/6837 - Stand der Verhandlungen zum Environmental Goods Agreement, 17.12.2015,
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/070/1807097.pdf.

(4) Alberto Mucci (30.11.2016): EU and China fight over green trade accord as deadline looms. Brussels thinks Beijing is seeking to include items with dubious environmental credentials. Politico.
http://www.politico.eu/pro/eu-and-china-fight-over-green-trade-accord-as-deadline-looms/ (nur für AbonnentInnen einsehbar).

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Quelle:
Rundbrief 4/2016, Seite 36 - 37
Herausgeber:
Forum Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. März 2017

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