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WASSER/040: Nepal - Drohende Fluten durch Klimawandel, Gletscher im Himalaja schmelzen ab (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. November 2011

Nepal: Drohende Fluten durch Klimawandel - Gletscher im Himalaja schmelzen ab

von Sudeshna Sarkar

Frauen im Distrikt Dolakha fürchten Gletscherschmelze - Bild: © Sudeshna Sarkar/IPS

Frauen im Distrikt Dolakha fürchten Gletscherschmelze
Bild: © Sudeshna Sarkar/IPS

Charikot, Nepal, 11. November (IPS) - Händeringend erzählte die Nepalesin Suntali Shrestha von schlaflosen Nächten voller Angst, dass ihr Dorf eines Tages weggespült werden könnte. Sie lebt im Himalaja-Hochgebirge, dessen Gletscher durch den Klimawandel abzuschmelzen drohen.

"Die Sirenen habe ich immer im Hinterkopf, sie lassen mir keinen Frieden", sagte die 45-jährige Bäuerin. Gemeinsam mit anderen Frauen diskutierte sie auf einem Treffen Ende Oktober in der Ortschaft Charikot über die gravierenden Folgen der Klimaveränderungen, die ihr Land bedrohen.

Viele waren stundenlang zu Fuß unterwegs gewesen, um an der Zusammenkunft teilnehmen zu können. Alle hoffen, dass ihre Bedenken bei den nepalesischen Behörden und auf dem UN-Klimagipfel im südafrikanischen Durban im Dezember Gehör finden.

Die Anhörung in Charikot wurde von der unabhängigen Organisation 'Jagaran Nepal' organisiert, die sich für Frauenrechte und Friedenssicherung engagiert. Gastgeber war das Zentrum 'Mahila Utthan Kendra', das von der Frauengruppe der Stiftung des 'Global Call for Action Against Poverty' (Deine Stimme gegen Armut) unterstützt wurde.

Veranstaltung von Klimaschützerinnen - Bild: © Sudeshna Sarkar/IPS

Veranstaltung von Klimaschützerinnen
Bild: © Sudeshna Sarkar/IPS

Die Teilnehmerinnen befassten sich mit der Zukunft mehrerer Dörfer des Bezirks Dolakha etwa 135 Kilometer nordöstlich von der Hauptstadt Katmandu. Suntali kommt aus dem Dorf Nagdaha, das sich unterhalb des Tsho Rolpa, dem größten Gletschersee des südasiatischen Landes, befindet.


Gletscherseen schwellen an

Tsho Rolpa liegt auf einer Höhe von 4.580 Metern am Fuß des mehr als 7.000 Meter hohen Gipfels des Gauri Shankar. Der See hat sich durch das allmähliche Abschmelzen des Trakarding-Gletschers gebildet.

Das 1,76 Quadratkilometer große Gewässer ist zwar von einem natürlichen Moränendamm umgeben. Sein Pegel schwillt allerdings durch den Zustrom des Gletscherwassers immer weiter an. Die durchschnittliche Temperatur in Nepal steigt jedes Jahr um 0,06 Grad Celsius. Die Berge erwärmen sich sogar um weitere 0,08 Grad.

Dadurch schwinden die Gletscher, während die Gletscherseen in der Himalaja-Region immer zahlreicher und größer werden. Der Gletscher Trakarding zieht sich um jährlich 68 Meter zurück. Häufige Lawinen gefährden zudem den Moränendamm um den Tsho Rolpa.

Seit den sechziger Jahren sind in dem Land 17 Gletscherseen über ihre Ufer getreten. Die Wassermassen rissen Menschen mit sich in den Tod und verursachten Zerstörungen. Wissenschaftler hatten vor längerer Zeit vorhergesagt, dass der Tsho Rolpa 1997 eine Gletscherflut verursachen würde.

Würde der Damm brechen, könnten fast 80 Millionen Kubikmeter Wasser ausströmen und die Leben von mehr 6.000 Menschen in Gefahr bringen. Auch einem Wasserkraftwerk, das 60 Megawatt Strom produziert, droht die Zerstörung.

Die Dorfbewohner gehen davon aus, dass die Wassermassen, die nach einem Ausbruch des Tsho Rolpa talabwärts stürzen würden, schlimmstenfalls einen rapiden Anstieg des Tamakosi-Flusses mit sich brächten. Der Tamakosi ist ein Nebenfluss des großen Stroms Kosi, der durch Tibet, Nepal und China fließt. Der Kosi tritt während der Monsun-Regenzeit oft über die Ufer und verursacht in Nepal und Indien verheerende Flutschäden. Gespeist durch das ausbrechende Wasser des Tsho Rolpa würde er noch viel größere Verwüstungen hervorrufen.

Nepal hat zwar 17 Frühwarnstationen mit Sirenenalarm eingerichtet. Nach Angaben von Dorfbewohnern sind einige jedoch während des zehnjährigen Bürgerkriegs von maoistischen Rebellen sabotiert worden. Die Bewohner der gefährdeten Region zogen 1997 in sicherere Gegenden, kehrten später jedoch wieder in ihre Dörfer zurück.


Einwohner oftmals Analphabeten

Viele Menschen haben wie Suntali das Problem, die Warnschilder der Regierung nicht lesen zu können. "In Nagdaha gibt es keine Schule", sagte Kamala Shrestha, eine 24-jährige Hühnerzüchterin. "Die nächste Schule liegt in Charikot, dahin fährt man aber zwei Stunden. Deshalb können nur zwei oder drei Frauen in Nagdaha lesen und schreiben."

Gesundheitszentren sucht man in der Gegend ebenfalls vergebens. "Selbst Paracetamol bekommen wir nur in Charikot", kritisierte Kamala. Da es keine befestigten Straßen gibt, ist der Markt für die Frauen unerreichbar. Sie wollen, dass die Regierung eine Schule, eine Krankenstation und eine Straße baut.

Sharmila Karki, die Vorsitzende von Jagaran Nepal, kündigte einen Bericht über das Treffen an, der den Teilnehmern des am 28. November beginnenden Klimagipfels zukommen wird. "Wir wünschen uns, dass ein Mitglied unserer Gemeinde das Problem in Durham auf den Tisch bringt", sagte sie. Dies sei aber schwierig zu erreichen. Denn obwohl Nepal zu den Ländern gehört, die dem Klimawandel besonders schutzlos ausgeliefert sind, sind sich Karki zufolge viele Menschen der lauernden Gefahren nicht bewusst. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.whiteband.org/
http://www.jagarannepal.org/
http://www.cop17-cmp7durban.com/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=105771

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. November 2011