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WASSER/098: Brasilien - Kleine Wasserkraftwerke geraten in Verruf, Gericht verfügt Bauverbot (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. September 2012

Brasilien:
Kleine Wasserkraftwerke geraten in Verruf - Gericht verfügt Bauverbot am Rio Paraguay

von Fabiana Frayssinet



Rio de Janeiro, 12. September (IPS) - In Brasilien dürfen keine weiteren kleinen Wasserkraftwerke entlang des Flusses Paraguay gebaut werden, solange die Auswirkungen auf die Umwelt nicht erforscht sind. Diesen Beschluss hat ein Gericht im südwestlichen Bundesstaates Mato Grosso do Sul gefasst und die Nachhaltigkeit alternativer Stromquellen in Frage gestellt, die lange Zeit als sicher galten.

Das Tribunal begründete seinen Entscheid vom 28. August damit, dass viele kleine Kraftwerke durchaus irreversible Schäden anrichten können wie Veränderungen der jährlichen Zyklen von Flut und Dürre im Pantanal, einem der größten Binnen-Feuchtgebiete der Welt. Das Pantanal erstreckt sich längs des Flusses Paraguay über eine Fläche von 230.000 Quadratkilometern vom Südwesten Brasiliens über den Norden Paraguays bis in den Osten Boliviens. Das Gebiet wurde im Jahr 2000 von der UNESCO als Weltnaturerbe anerkannt.

Sollten die klimatischen Bedingungen im Pantanal verändert werden, hätte das auch negative Auswirkungen auf die Menschen, die in diesem Teil Südamerikas leben. Rund 4.000 Familien in Mato Grasso do Sul sind vom Nationalpark Pantanal abhängig: Sie verdienen ihr Geld mit Fischen, die sie im Paraguay fangen, mit Tourismus und Landwirtschaft im Nationalpark.

Als kleine Wasserkraftwerke gelten nach Definition der staatlichen brasilianischen Energieagentur ANEEL solche mit einer installierten Leistung von einem bis 30 Megawatt und einem Staubecken mit einem Umfang von bis zu drei Quadratkilometern.


Mehr als 100 kleine Wasserkraftwerke sollen noch kommen

Im oberen Bereich des Paraguay-Flusses sind bereits 30 kleine Wasserkraftwerke im Einsatz und 83 weitere geplant. Daneben produzieren zehn große Staudämme Energie. Die Regierung eruiert darüber hinaus die Möglichkeiten für den Bau weiterer 20 kleiner Projekte in den Bundesstaaten Mato Grosso und Mato Grosso do Sul.

Insgesamt gibt es in Brasilien bereits 423 kleine Wasserkraftwerke, die zusammengenommen 4,1 Millionen Kilowatt Strom produzieren. Das entspricht 3,5 Prozent der in dem Land aus Wasserkraft gewonnenen Energie. In Brasilien hat Wasserkraft einen Anteil von 75 Prozent an der produzierten Energie. 52 kleine Wasserkraftwerke sind zurzeit im Bau und für weitere 130 wurde die Genehmigung erteilt.

Bei der geplanten Menge an Projekten im Pantanal müsste eine große Fläche des Nationalparks geflutet werden. Und das "an einem Ort, an dem die Trockensaison für den Reproduktionszyklus vieler Tierarten entscheidend ist", wie der Physiker Roberto Kishinami gegenüber IPS erklärte.

Kleine Wasserkraftwerke galten lange als bessere Alternative zu großen Staudämmen - allein schon, weil sie dort Energie produzieren, wo diese gebraucht wird und ohne unnötige Transportkosten zu erzeugen. Doch Kishinami zufolge könnten sie durchaus größere negative Auswirkungen auf die Umwelt haben. Dafür müsse man errechnen, wie viel Fläche in Relation zu den erzeugten Kilowattstunden geflutet werden müsse oder auch wie viele Fische pro Kilowattstunde in Mitleidenschaft gezogen würden.

"In der Theorie sind kleine Wasserkraftwerke umweltfreundlicher als große - aber das ist keine unumstößliche Wahrheit", sagte Pedro Bara Neto vom WWF-Brasilien. Ihre Umweltfreundlichkeit hänge stark von der Zahl der Dämme ab. "Es geht um die kumulativen Auswirkungen." Problematisch könnte sein, dass sie die Fließgeschwindigkeit der Flüsse verlangsamen und vergleichsweise teuer sind.

Das Beste für die Energieversorgung Brasiliens sei eine größtmögliche Diversifizierung der Energiequellen, so Bara Neto. So müsse zudem auf Wind- und Solarkraft gesetzt werden, außerdem auf Biomasse aus Zuckerrohr. (Ende/IPS/jt/2012)


Links:
http://www.portalpch.com.br/
http://www.ipsnews.net/2012/09/small-dams-from-heroes-to-villains-in- brazil
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=101524

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 12. September 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. September 2012