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WASSER/167: Chile - Wasserkraftprojekt gefährdet Trinkwasserversorgung der Hauptstadt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. Januar 2014

Chile: Wasserkraftprojekt gefährdet Trinkwasserversorgung der Hauptstadt

von Marianela Jarroud


Bild: © Koordinationsstelle der Flüsse des Maipo

Aktivisten protestieren gegen Wasserkraftprojekt am oberen Maipo in Chiles Hauptstadt Santiago
Bild: © Koordinationsstelle der Flüsse des Maipo

Santiago, 27. Januar (IPS) - In der Nähe der chilenischen Hauptstadt soll ein Wasserkraftwerk entstehen, das nach Ansicht seiner Gegner die Trinkwasserversorgung von sechs Millionen Menschen im Großraum Santiago gefährden könnte.

Geplant sind im Rahmen des Gesamtvorhabens am Oberlauf des Maipo-Flusses zwei Laufwasserkraftwerke mit einer Gesamtkapazität von 531 Megawatt. Da die Turbinen durch die natürliche Strömung der drei Maipo-Nebenflüsse Volcán, Yeso und Colorado angetrieben werden sollen, ist der Bau eines Staudamms nicht erforderlich. Das insgesamt zwei Milliarden US-Dollar teure Kraftwerk soll 2018 in Betrieb gehen.

Finanziert wird das Projekt von neun chilenischen und internationalen Banken. Auch die KfW IPEX-Bank, eine Tochter der Kreditanstalt für Wiederaufbau mit Sitz in Frankfurt am Main, wird sich an dem 1,2-Milliarden-US-Dollar-Kredit beteiligen. Eigentümer des Alto-Maipo-Kraftwerks sind die beiden chilenischen Unternehmen 'AES Gener' (60 Prozent) und 'Antofagasta Minerals' (40 Prozent), das wiederum dem größten chilenischen Konzern, der 'Luksic'-Gruppe, gehört.

Die Allianz der beiden Unternehmen ist für die Kritiker ein Indiz dafür, dass es bei dem Projekt in erster Linie darum geht, den Energiehunger der Bergbaukonzerne zu stillen. Sie weisen darauf hin, dass das Maipo-Becken ein artenreiches Gebiet ist, das den Trinkwasserbedarf im Großraum Santiago zu 60 Prozent deckt. Dort wachsen indigene Baumarten wie der Peumo (Cryptocarya alba), der Litre (Lithraea caustica) and die Seifenrinde (Quillaja saponaria), die wiederum lokalen Tierarten wie Puma, Fuchs und Andenkondor eine Heimat bieten.


Flussbecken übernutzt

"Das Maipo-Flussbecken wird bereits von etlichen Akteuren übernutzt, die sich an den Zuflüssen des Maipo eingerichtet haben. Dazu gehört auch AES Gener, das dort mit vier Wasserkraftwerken präsent ist", berichtet Marcela Mella, Sprecherin der Koordinationsstelle der Flüsse des Maipo. Wie sie erklärt, sind in den Industriestaaten die Ufergebiete der Flüsse, die die größten und wichtigsten Städte mit Trinkwasser versorgen, geschützt.

Gut 40 Prozent der 17 Millionen Einwohner Chiles leben im Großraum Santiago. Umweltexperten zufolge ist die Gefahr groß, dass die Stadt unter bestimmten Umständen nicht mehr ausreichend mit Trinkwasser versorgt werden kann.

"Wassermangel ist keine hypothetische Gefahr", warnt Roberto Román, Spezialist für erneuerbare Energien an der Universität von Chile, sondern eine Erfahrung, die das südamerikanische Land Ende der 1990er Jahre gemacht habe. Damals hatte Endesa, inzwischen eine Tochter des italienischen Unternehmens 'Enel', ein Gaskraftwerk in der Nähe von Quintero, 180 Kilometer nördlich von Santiago, gebaut.

"Bei der Umsetzung des Projekts kam es jedoch zu Verzögerungen, und da Endesa vertraglich zur Lieferung von Strom verpflichtet war, zapfte es die Wasserreserven der Lagune von Laja, Chiles größtem Süßwasserreservoir, an. Dass sich das Unternehmen auf die im Herbst (auf südlichen Erdhalbkugel) üblichen Niederschläge verlassen hatte, erwies sich jedoch als Fehler."

1998 war ein sehr trockenes Jahr, und Endesa konnte den erforderlichen Strom nicht genieren. Infolge dessen kam es zu landesweiten - zunächst sporadischen und dann immer häufiger auftretenden - Stromausfällen. Román zufolge ist es deshalb wichtig, im Hinterkopf zu behalten, dass sich jenseits aller Theorie die Ingenieure des Privatsektors dazu entschließen könnten, im Interesse einer Profitmaximierung die Nebenwirkungen zu vergessen, die ihre Entscheidungen verursachen könnten.

Auf der Webseite zum Alto-Maipo-Projekt betont AES Gener, dass das von ihm verwendete Wasser dem Maipo fünf Kilometer weiter stromabwärts wieder über eine Leitung des Trinkwasserunternehmens 'Aguas Andinas' zugeführt werde. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass Trinkwasserversorgung, Bewässerung der Landwirtschaft und Wassersport nicht beeinträchtigt werden.

Román zufolge ist das Wassersystem in der Maipo-Schlucht fragil. "Vielerorts gibt es kein Trinkwasser und die Menschen hängen von kleinen Bächen und Quellen ab", sagt er. Auch werde das Wasser für viele unterschiedliche Zwecke verwendet, was es schwierig mache, es zu schützen.


Theorie und Praxis

Damit spielt der Experte auf das Wassergesetz von 1981 an, das die damalige Diktatur von Augusto Pinochet (1973-1990) eingebracht hatte und damit das Wasser quasi privatisierte. Es räumt dem Staat das Recht ein, privaten Unternehmen Wasser gratis und dauerhaft zur Verfügung zu stellen. "Theoretisch wird das Alto-Maipo-Projekt den Wassernachschub aus der Maipo-Schlucht nicht gefährden. Doch praktisch könnte es eine auftretende prekäre Situation zuspitzen", warnt Román.

Die Anwohner des Maipo sind in der Frage gespalten. Adolfo Astorga, der Vorsitzende des Nachbarschaftsrats von San José de Maipo, macht häufig einen Rundgang durch die Ortschaft, die viele Touristen anzieht. "Ich persönlich bin kein Befürworter des Projekts, weil es uns mehr schadet als nutzt", meint er im IPS-Gespräch. Dennoch unterstützt er es, weil sich die lokale Bevölkerung davon Arbeitsplätze verspricht.

Bisher protestieren nur einige wenige Hundert gegen das Alto-Maipo-Projekt. Ihre Proteste verhallen weitgehend ungehört. Und die Stadtbevölkerung von Santiago scheint sich der Gefahr von Trinkwasserengpässen nicht bewusst. (Ende/IPS/kb/2014)


Links:

https://www.kfw-ipex-bank.de/Internationale-Finanzierung/KfW-IPEX-Bank/Presse/News/Newsdetails_182336.html
http://www.altomaipo.com/categoria/proyecto-alto-maipo
http://www.riosdelmaipo.cl/
http://www.ipsnews.net/2014/01/alto-maipo-project-endangers-santiago-water-supply/
http://www.ipsnoticias.net/2014/01/alto-maipo-el-proyecto-que-amenaza-el-agua-para-santiago/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 27. Januar 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Januar 2014