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WASSER/176: Stopp des Ausverkaufs (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2014
Wer die Netze hat, hat die Macht? Infrastrukturen und Nachhaltigkeit

Stopp des Ausverkaufs
Wie sich Menschen weltweit ihr Wasser zurück erkämpfen

von Christa Hecht



Versprechungen von Privatisierungsbefürwortern entpuppen sich als hohle Phrasen und die Bevölkerung kämpft sich immer öfter das Gemeingut Wasser zurück, indem weltweit Wasser rekommunalisiert wird. Trotzdem gehen die Auseinandersetzungen mit alten und neuen Vorzeichen weiter und die Dominanz einiger weniger, großer Unternehmen am Wassermarkt wächst.


Seit der internationalen Wasserkonferenz der Vereinten Nationen 1992 in Dublin wurde Politikern, Wirtschaftsvertretern und der Bevölkerung von der Weltbank, dem IWF, selbsternannten Wasserexperten und multinationalen Wasserkonzernen eingebläut, dass privates Kapital, private Investitionen und Privatisierung die Lösung für die Wasserprobleme der Welt seien. Belege dafür wurden freilich nie vorgelegt oder vor Entscheidungen eingefordert. Es reichte vielen, dass mit Beleg auf den Zusammenbruch des Sozialismus und des Ostblocks auf die vermeintliche Ineffizienz und Verantwortungslosigkeit staatlicher Organe verwiesen wurde. Wie dem goldenen Kalb wurde der Privatisierung und Liberalisierung hinterher gerannt. Mit der Aussicht auf hohe Gewinne und den freien Markt würden automatisch effiziente Strukturen entstehen und dadurch alle Menschen günstig mit Wasser versorgt, war die Behauptung.


Aufräumen mit dem Mythos Wettbewerb sei besser als öffentliche Dienstleistung
Mit diesen Mythen wird nun nach und nach aufgeräumt. Nicht nur kritische Wissenschaftler zum Beispiel aus der Public Services International Research Unit (PSIRU) oder dem Transnational Institute (TNI), die diese Behauptungen von Anfang an bekämpft haben, können nun mit Studien, die das Gegenteil belegen, aufwarten. Selbst in Untersuchungen, die die Weltbank in Auftrag gegeben hat oder von »unverdächtigen« Wissenschaftlern durchgeführt wurden, wird nun zugegeben, dass durch Privatisierung öffentlicher Aufgaben in der Daseinsvorsorge und auch in der Wasserwirtschaft keine Effizienzgewinne und niedrigere Verbraucherpreise zu erreichen sind.(1) Ganz zu schweigen davon, dass durch Wasser in privater Hand Umweltschutz und Verbesserungen der sozialen Situation armer Bevölkerungsteile oder armer Staaten durchgesetzt werden könnten.

Nach einer im November 2013 erarbeiteten Untersuchung von Emanuele Lobina und David Hall vom PSIRU sind in den letzten fünfzehn Jahren weltweit 84 Privatisierungen rückgängig gemacht worden, davon 51 in Ländern mit höheren Einkommen. Die Gründe für die Rekommunalisierungen lassen sich gemäß dieser Studie in drei Punkten zusammenfassen:

  • Gleiche oder sogar höhere Effizienz von öffentlicher Wasserversorgung als von privaten Unternehmen.
  • Niedrigere Gebühren und Preise, da bei der Wasserversorgung in öffentlicher Hand die Profitmaximierung entfällt.
  • Realisierung von Umweltschutzzielen und sozialen Zielen.


Anteil der privaten Wasserwirtschaft bisher gering, aber steigend
Das sind beachtliche Entwicklungen und in Auswertungen dazu kommt deutlich zum Ausdruck, dass der Hintergrund für die Veränderungen in den meisten Fällen nicht eingehaltene Versprechungen für Investitionen in die Infrastruktur, Unzufriedenheit mit dem Service und steigende Preise sind. Diese Beispiele sollten jedoch keinen falschen Eindruck hinterlassen. Einerseits lag der Anteil öffentlicher Wasserwirtschaft trotz der vielen Privatisierungen nach Erhebungen des PSIRU in 2006 bei weltweit 90 Prozent und damit der privater Unternehmen nur bei 10 Prozent. Andererseits sind die multinationalen privaten Wasserkonzerne weiter auf Akquise aus und schließen immer wieder neue Verträge ab, sehr oft für die Betriebsführung (dabei erwirbt das private Unternehmen keine Eigentumsrecht an der Infrastruktur und wird mit dem Service beauftragt) wie zum Beispiel Veolia in New York und vereinzelt in Indien. Argumentiert wird dabei von Veolia, dass sie damit ja nur Dienstleister seien und dies keine Privatisierung bedeuten würde. Trotzdem begeben sich die Städte damit in Abhängigkeit von den privaten Konzernen, verlieren in der eigenen Verwaltung Wissen und Erfahrungen und machen sich erpressbar.

Die Kämpfe von Initiativen gegen immer noch geplante Privatisierungen wie in Griechenland, Spanien und Portugal gehen weiter. Eindrucksvolles Beispiel dafür, dass aber auch anfänglich als aussichtslos angesehene Auseinandersetzungen zu gewinnen sind, ist erst in den letzten Tagen der erfolgreiche Protest der Bevölkerung in Kerala (Indien) gegen Privatisierung.(2)


Auf UN-Ebene widerstreitende Interessen und Aktivitäten
Offen ausgesprochen werden in einigen Veröffentlichungen von UN-Organen, dass die erhofften Investitionen zur Lösung der Probleme in der Wasserversorgung und der sanitären Versorgung in den armen Ländern des »Südens« durch private Investoren nicht erfolgt sind und nach anderen Lösungen gesucht werden muss. So gibt es seit einigen Jahren das Netzwerk Global Water Operators' Partnership Alliance (GWOPA), in dem über direkte Partnerschaften von wasserwirtschaftlichen Einheiten aus industrialisierten Staaten und armen Staaten Erfahrungen und Wissen um den Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitärer Grundversorgung ausgetauscht werden, um die UN-Millenniumsentwicklungsziele für Wasser (Halbierung der Zahl der Menschen, die keine ausreichende Trinkwasserversorgung und keine Sanitärversorgung haben) zu erreichen. Grundlage ist dabei auch, dass die Partnerschaften auf einer nicht gewinnorientierten Basis angelegt sind. Das ist bewusst auch eine Stärkung lokal agierender Organisationen und Unternehmen. Dabei gibt es durchaus Fortschritte. Unterschieden wird dort allerdings nicht zwischen privaten und öffentlichen Unternehmen. Es ist jedoch in diesem Rahmen sehr viel leichter für öffentliche Unternehmen, internationale Partnerschaften einzugehen und das zeigt sich auch in den GWOPA-Berichten. Ich habe im November 2013 am Zweiten GWOPA-Kongress in Barcelona teilgenommen und war sehr beeindruckt von der Vielfältigkeit der »Wateroperators' Partnerschaften« und dem wertschätzenden Umgang miteinander.

Auf der anderen Seite wird aber von der UN, der Weltbank und dem IWF trotz allem weiter dafür geworben, private Investitionen für die Sanierung maroder Infrastruktur im Wasser- und Abwasserbereich und für die Errichtung neuer Infrastruktur zu gewinnen. Ganz offen wird dabei ausgesprochen, dass dies nur möglich sei, wenn die Infrastruktur und der Servicebereich »bankable« gemacht würden. Das bedeutet nichts anderes, als dass damit das öffentliche Eigentum daran aufgegeben werden muss und hohe Gewinne durch entsprechende Rahmenbedingungen gesichert werden.

Ein weiteres Feld der Auseinandersetzung »öffentlich oder privat« entwickelt sich in den letzten Jahren mit dem exponentiell steigenden Flaschenwasserverkauf von internationalen Lebensmittelkonzernen in Staaten mit Problemen in der Wasserversorgung. Wie in dem Film »Bottled Life« über die Dominanz von Nestlé im globalen Handel mit abgepacktem Trinkwasser(3) eindrucksvoll dokumentiert, werden damit oft der armen Bevölkerung das Grundwasser und die Wasserquellen abgegraben, um zahlungskräftigen Bevölkerungsschichten dieses in Flaschen abgefüllte Wasser als Lifestyle-Produkt zu verkaufen.

Die vielen Initiativen und Vereinigungen, die sich gegen Liberalisierung und Privatisierung von Wasser aussprechen, kämpfen für Wasser als Gemeingut und gegen die Kommerzialisierung dieses Gutes, das wir alle zum Leben brauchen.


Autorin Christa Hecht ist Geschäftsführerin der Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft (AöW) e.V.



Literatur

(1) Dobner, Wasserpolitik, S. 139; Munari/Oriani 2005; Ruester/Zschille 2010.
(2) http://canadians.org/blog/waterprivatization-rejected-kerala-india-0
(3) http://www.bottledlifefilm.com/


Informationen über die vielen Bewegungen gibt es zum Beispiel beim Blue Planet
Project http://www.blueplanetproject.net/ und beim Reclaiming Public Water Network
http://www.tni.org/network/reclaiming-public-water-network.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2014, Seite 4-5
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 177 593, Fax: 030/678 177 580
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Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. April 2014