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INITIATIVE/126: Germanwatch-Informationsdienst KlimaKompakt Nr. 64 (GW)


Germanwatch e. V.

Nr. 64 / Mai 2009


Editorial

Bundeskabinett beschließt CCS-Gesetz
Kein Blanko-Scheck für CCS

Einschätzungen aus der Wissenschaft zur anstehenden Rahmengesetzgebung für CCS
Ein wichtiger Eckpfeiler, um ambitionierte Klimaschutzziele zu erreichen

Stellungnahme von Germanwatch zum CCS-Gesetzesentwurf
CCS als Übergangstechnologie schnell erproben und einsetzen


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Brückentechnologie CCS

Grundlegende Entscheidungen stehen an, die den Weg ebnen oder verbauen können hin zu einem bis 2030 weitgehend emissionsfreien und bis 2050 völlig auf Erneuerbaren Energien beruhenden Stromversorgungssystem in Deutschland und in der EU.

Ein wichtiger Baustein auf diesem Weg ist das deutsche Gesetz für die Abscheidung und geologische Lagerung von CO2 (CCS), das in diesem Sommer verabschiedet werden soll. Eine Schlüsselfrage dabei ist: soll es jetzt lediglich den Startschuss für entsprechende Forschung geben, oder ist schon jetzt ein umfassendes CCS-Gesetz mit langfristigen klima- und umweltbezogenen Rahmensetzungen und Anforderungen für die Infrastruktur nötig?

Das Forschungsgesetz würde die notwendige breite gesellschaftliche Diskussion und institutionelle Lernprozesse um etwa zehn Jahre verzögern. Vorschreiben könnte man die Technologie für neue Kohlekraftwerke erst 2030 und nicht schon 2020. Das wäre zu spät für CCS, um die vermutlich notwendige Rolle als Brückentechnologie auf dem Weg zu einem Erneuerbaren Stromsystem zu spielen. Deshalb halten wir es für richtig, jetzt ein umfassendes Gesetz - mit einem entsprechenden Begutachtungsprozess - zu verabschieden. Wer aber Neubau oder Nachrüstung von Kohlekraftwerken mit CCS bis 2030 blockieren will, öffnet der Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke Tür und Tor.

Zugleich muss allerdings eine unterirdische Raumordnung den Vorrang von Erneuerbaren Energien (Druckspeicherkraftwerke, Geothermie) festlegen, damit CCS der notwendigen Solarwende nicht im Wege steht.

Manfred Treber


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Bundeskabinett beschließt CCS-Gesetz

Kein Blanko-Scheck für CCS

Die Europäische Union hat am 17. Dezember 2008 die CCS-Richtlinie verabschiedet, die jetzt noch in den Mitgliedsstaaten in nationale Gesetzgebung übersetzt werden muss. Die Zeit drängt für die Bundesregierung, die dies noch in dieser Wahlperiode machen will, um dann bei den geplanten Demonstrationsanlagen voranzukommen. Am 1. April 2009 stimmte das Kabinett dem CCS-Gesetzesentwurf zu, der - als Novum - gemeinsam vom Umweltministerium und vom Wirtschaftsministerium erstellt worden war.

Germanwatch bringt ungekürzt die Pressemitteilung des Bundesumweltministeriums zum Kabinettsbeschluss vom 01.04.2009.

"Das Bundeskabinett hat heute den Gesetzentwurf über die Abscheidung, den Transport und die dauerhafte Speicherung von Kohlendioxid in tiefen Gesteinsschichten (Carbon Capture and Storage, CCS) beschlossen. Gabriel: "Kohlekraftwerke haben nur eine Zukunft, wenn sie weniger schädlich für das Klima werden. CCS könnte da eine Perspektive bieten. Wir müssen jetzt untersuchen, ob die Technik im industriellen Maßstab funktioniert. Dabei erteilen wir CCS mit diesem Gesetz keinen Blankoscheck. Im Gegenteil: Der Entwurf sieht hohe Umweltstandards vor, auf die es keinen Rabatt gibt. Das Wichtigste ist dabei: Die Speicher müssen auf Dauer sicher sein."

Den Anlagenbetreibern gibt das Gesetz die notwendige Planungs- und Investitionssicherheit für Pilot- und Demonstrationsanlagen. Sie müssen dadurch unter anderem aber auch nachweisen, dass die vollständige Zurückhaltung von CO2 im Speicher auf unbegrenzte Zeit gewährleistet ist.

Zudem müssen sie umfassend Vorsorge gegen Risiken für Mensch und Umwelt nach dem anerkannten Stand von Wissenschaft und Technik leisten. Erst 30 Jahre nach Stilllegung einer Anlage und damit rund 80 Jahre nach ihrer Inbetriebnahme können Betreiber ihre Verantwortung auf den Staat übertragen - und das auch nur bei einem Langzeitsicherheitsnachweis nach dem Stand von Wissenschaft und Technik.

Im Jahr 2015 wird der Bund die Erfahrungen mit den Demonstrationsvorhaben aus dem In- und Ausland auswerten. Dann wird geklärt, inwieweit die im Gesetz festgelegten hohen Sicherheits- und Umweltstandards nachgewiesen werden können und ob CCS technisch und wirtschaftlich ein gangbarer Weg ist. Mit dem Gesetzentwurf soll die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die geologische Speicherung von Kohlendioxid in deutsches Recht umgesetzt werden.

Für die Bundesregierung steht weiterhin die Steigerung der Energieeffizienz und der Ausbau der erneuerbaren Energien im Vordergrund ihrer Klimaschutzstrategie. Die im europäischen Emissionshandel festgelegte und ab 2013 jährlich um 1,74 Prozent sinkende Obergrenze für den Ausstoß von Treibhausgasen sichert die Einhaltung der Klimaschutzziele. Ob Kraftwerksbetreiber dabei auf mehr Effizienz, den Wechsel von Brennstoffen oder einen höheren Anteil an erneuerbaren Energien setzen, bleibt ihnen überlassen. Aufgabe des Staates ist es, klare gesetzliche Vorgaben für eine umweltverträgliche Nutzung von CCS zu machen, wenn Unternehmen diesen Weg gehen wollen."

Quelle:
www.bmu.de/pressemitteilungen/aktuelle_pressemitteilungen/pm/43635.php


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Einschätzungen aus der Wissenschaft zur anstehenden Rahmengesetzgebung für CCS

Ein wichtiger Eckpfeiler, um ambitionierte Klimaschutzziele zu erreichen

Akteure aus der Wissenschaft kommen zu unterschiedlichen Bewertungen bei der anstehenden Rahmengesetzgebung für CCS. Wie die folgenden Beiträge zeigen, liegt eine auffällige Differenz in der zeitlichen Bewertung der Dringlichkeit eines CCS-Gesetzes. Das Öko- Institut etwa drängt auf seine schnellstmögliche Verabschiedung, dagegen warnt der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) vor einer übereilten Weichenstellung.

Germanwatch bringt die Presseerklärung zur Stellungnahme des Öko-Instituts vom 26. Mai zum CCS-Gesetzentwurf nach der CCS-Anhörung im Bundestag sowie Aussagen des SRU aus der Pressemitteilung vom 6. Mai 2009.

Öko-Institut zum CCS-Gesetz

"Die Abtrennung und unterirdische Speicherung von Kohlendioxid (CO2) könnte nach Ansicht des Öko-Instituts einen wichtigen Eckpfeiler bilden, um ambitionierte Klimaschutzziele zu erreichen. Allerdings sind noch viele technische, rechtliche und finanzielle Fragen offen, die vor einer kommerziellen Nutzung der neuen CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage) geklärt werden müssen.

Wichtig ist es, zu diesem Zeitpunkt einen Rechtsrahmen zu schaffen, der es ermöglicht, über Forschungsvorhaben eine Reihe dieser Fragen weiter zu klären und langfristige Rahmenbedingungen für die klima- und umweltbezogenen Anforderungen und die Infrastruktur festzulegen. Gleichzeitig muss er Wege aufzeigen, wie in Zukunft mit den Nutzungskonkurrenzen des Untergrunds, aber auch dem Aufbau der komplexen Leitungsstruktur für CO2 über Landesgrenzen hinweg umgegangen wird und wie Öffentlichkeit sowie Betroffene eingebunden werden. Der Gesetzentwurf enthält hier noch wesentliche Lücken.

Zu diesem Fazit kommt eine aktuelle Stellungnahme, die das Öko-Institut jetzt zu dem vorliegenden CCS-Gesetz-Entwurf veröffentlicht hat. Gestern hat der Umweltausschuss des Bundestags zu einer Expertenanhörung eingeladen, in der die Stellungnahme des Öko-Instituts eingebracht wurde.

"Die CCS-Technologie kann die notwendige Wende zu mehr Effizienz und erneuerbaren Energieträgern nicht ersetzen. Dennoch ist das Gesetz ein wichtiger Schritt, um CO2-Emissionen zu verringern. CCS kann nicht nur bei Kohle, sondern auch bei anderen Energiequellen wie Erdgas zur Einhaltung der Klimaschutzziele beitragen und perspektivisch sogar bei der Stahl- oder Zementherstellung", sagt Klimaschutzexperte Dr. Felix Christian Matthes vom Öko-Institut.

"Wir begrüßen, dass der Bund den erforderlichen Rechtsrahmen hierfür schaffen will. Allerdings fehlen noch wichtige Regelungen, vor allem zur Lösung zukünftiger Nutzungskonkurrenzen. Hier belässt der Gesetzentwurf sowohl mögliche Interessenten an CCS als auch gegebenenfalls konkurrierende Geothermie-Nutzer im Ungewissen, wie die Behörden bei Genehmigungsentscheidungen mit solchen Konflikten umgehen sollen", sagt die Umweltrechts-Expertin des Öko-Instituts, Regine Barth.

In der Stellungnahme gehen die Öko-Instituts-WissenschaftlerInnen auf einzelne Punkte ein, die fehlen oder noch bedacht werden müssen."

Quelle: www.oeko.de/aktuelles/dok/910.php

Stellungnahme des Öko-Instituts: www.oeko.de/oekodoc/901/2009-019-de.pdf


Umweltrat: Übereilte Weichenstellungen vermeiden

"Der Gesetzentwurf soll noch vor dem Ende der Legislaturperiode verabschiedet werden. Angesichts der gesellschaftlichen Relevanz des Gesetzes hält der SRU diese Eile für nicht angemessen. Er plädiert dafür, zunächst nur die Erprobung von CCS durch ein Forschungsgesetz zu ermöglichen.

Viele Fragen im Zusammenhang mit CCS sind bislang ungeklärt. Noch ist offen, ob es sinnvoll ist, in Deutschland CO2 unterirdisch zu lagern. Die Speicherkapazitäten für das Kohlendioxid sind begrenzt. Konkurrenzen um die Nutzung der unterirdischen Räume zeichnen sich zwar bereits ab, zukünftige Konflikte können aber nach dem heutigen Wissensstand noch nicht hinreichend bewertet werden. (...)

Angesichts dieser Unsicherheiten kann ein CCS-Gesetz heute und voraussichtlich auch in den kommenden Jahren keinen angemessenen Ordnungsrahmen für die kommerzielle Anwendung von CCS schaffen. (...)

Die Entscheidung über die Nutzung unterirdischer Erdschichten ist wegweisend für die künftige Entwicklung des Energieversorgungssystems in Deutschland. (...)

Das vom SRU vorgeschlagene Forschungsgesetz sollte deshalb zunächst nur eine begrenzte Zahl von Demonstrationsprojekten für die CO2-Einlagerung in saline Aquifere mit begrenzter Speicherkapazität zulassen. (...) Aus Sicht des SRU sollten die Verursacher von Kohlendioxid die vollen Kosten der Lagerung tragen. (...)"

Quelle:
www.umweltrat.de/04presse/downlo04/premitt/Presse_CCS_2009_Mai.pdf

Stellungnahme: www.umweltrat.de/03stellung/downlo03/stellung/Stellung_CCS_2009_Mai.pdf


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Stellungnahme von Germanwatch zum CCS-Gesetzesentwurf

CCS als Übergangstechnologie schnell erproben und einsetzen

Damit das CCS-Gesetz wie von der Bundesregierung geplant noch in dieser Wahlperiode verabschiedet werden kann, ging der CCS-Gesetzesentwurf des Bundeskabinetts vom 1. April 2009 am 15. Mai in den Bundesrat. Germanwatch brachte dazu am 13. Mai die unten in Auszügen dokumentierten Empfehlungen ein. Der Bundesrat verlangt jetzt ausführliche technische, ökologische und finanzielle Änderungen am vorgelegten Gesetzesentwurf. Eine zentrale Forderung zielt dabei auf eine bessere Verteilung der Lasten und Risiken zwischen Bund, Ländern und Betreibern und er betont die Vorrangstellung der Erneuerbaren Energien, die bei eventuellen Nutzungskonkurrenzen Vorrang haben sollen.

"Bis Mitte des Jahrhunderts kann die Stromversorgung zu 100 Prozent auf Erneuerbare Energien umgestellt werden, (...)

CCS als Übergangstechnologie

Die Debatte über CCS sollte auf zwei mögliche Rollen begrenzt werden: Zum einen auf die fossiler Energien als Brückentechnologie auf dem Weg zum Solarzeitalter.

Die zweite Rolle ergibt sich angesichts anderer Emissionsquellen. So kann es notwendig werden, Biomasse in Verbindung mit CCS zu nutzen, um so CO2 der Atmosphäre zu entziehen. (...)

Schnelle CCS-Einführung und Stopp des Baus neuer Kohlekraftwerke ohne CCS

Deshalb führt am schnellen großtechnischen Test von CCS und - wenn erfolgreich - an der schnellen Markteinführung der Technologie kein Weg mehr vorbei. (...)

Die notwendige Reduktion der klimaschädlichen Treibhausgase bis 2050 um 95 Prozent in Deutschland bedeutet angesichts der langen Laufzeit solcher Kraftwerke aber auch, dass ab sofort keine Kohlekraftwerke ohne CCS mehr gebaut werden dürfen.

Grundsätzliche Begrüßung der Einführung eines Rechtsrahmens

Germanwatch begrüßt deshalb grundsätzlich die schnelle Entwicklung und Einführung der neuen CCS-Technologie und das Bemühen der Bundesregierung, schnell einen Rechtsrahmen für die Erprobung dieser Technologie in Deutschland zu schaffen.

(...) Germanwatch empfiehlt in folgenden Bereichen Ergänzungen und Nachbesserungen im vorliegenden Gesetzesentwurf:
1. Entwicklung eines unterirdischen Raumordnungsplanes
2. Kein genereller Vorrang vor anderen strategisch wichtigen Nutzungen
3. Solide wissenschaftliche Grundlagen und Bestimmungen
4. Kürzere, aber mehrfache Verlängerung der Genehmigung von ordnungsgemäßer Untersuchung ermöglichen
5. Anforderungen an Reinheitsgrad des Kohlendioxidstroms von mindestens 95%
6. Deckungsvorsorge und Einführung von Versicherungspflicht
7. Verpflichtende Einführung eines Emissions Performance Standards (350 Gramm CO2/kWh), der für Kohlekraftwerke nur mit CCS erreichbar ist, sobald die noch offenen Fragen geklärt sind.
8. Verpflichtungen im Fall von Leckagen: Stopp der CO2-Einlagerung und Information der Öffentlichkeit (...)"

Quelle: www.germanwatch.org/klima/ccsges09.htm

Gesetzentwurf:
www.bmu.de/gesetze_verordnungen/bmu-downloads/doc/43640.php

Stellungnahme des Bundesrats:
www.bundesrat.de/cln_090/SharedDocs/Drucksachen/2009/
0201-300/282-09_28B_29,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/282- 09(B).pdf


Redaktion

Christoph Bals, Dr. Gerold Kier, Anne Koch, Stefan Rostock,
Dr. Manfred Treber (V.i.S.d.P.)

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Quelle:
KlimaKompakt Spezial Nr. 64, 29.05.2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juni 2009