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ANBAU/120: Jatropha für "Bio"diesel - Armut und kranke Kinder statt Ernährung (ROBIN WOOD-Magazin)


ROBIN WOOD-Magazin Nr. 102/3.2009
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie

tropenwald
"Bio"diesel aus Indien

Von Heike Lipper


Jatropha wird als die "Wunderpflanze" für die Herstellung von "Bio"diesel angepriesen und so boomt in südlichen Ländern der Anbau der toxischen Pflanze. Die beteiligten internationalen Konzerne lockt der Absatzmarkt Europa. Die Folgen dieses grünen Ölmarktes sind Landrechtskonflikte, verschuldete Kleinbauern und vergiftete Kinder.

Die Wintersonne glüht über dem Reisfeld, auf dem indische Frauen neue Pflanzen setzen. Schon mit nur drei oder vier Hektar können sie ihre Familie ernähren, Reis und Weizen dominieren die Landschaft. Im nordindischen Bundesstaat Jarkhand lebt die Mehrzahl der Bevölkerung von kleinbäuerlicher Landwirtschaft. 1000 mm Niederschlag fallen pro Jahr durchschnittlich - das reicht aus, um eine gute Ernte an Nahrungsmitteln zu erwirtschaften.

Ebenfalls in Jarkhand ist das Subunternehmen von IKF Technologies mit Sitz in Frankfurt aktiv. Sie verfolgen ein anderes Ziel als die Kleinbauern: Plantagenanbau für den internationalen Agrarkraftstoff "Bio"diesel. Auf einer Probefläche von 50 Hektar wurden Büsche der Purgiernuss (Jatropha curcas) gepflanzt. Weitere 10.000 Hektar werden in diesem Jahr folgen. Zusätzliche Investitionen sind in 14 der insgesamt 28 Bundesstaaten Indiens vorgesehen. Das Unternehmen ist nicht das einzige auf der Suche nach Land im Bundesstaat Jarkhand. Unweit der Felder hat auch D1 Oil, ein Jointventure von British Petroleum (BP), von lokalen Bauern eigene Pflanzen anbauen lassen. Die kleinen Büsche wachsen schlecht, worauf die beteiligten Bauern eine Entschädigung für ihre Investitionen fordern. Ob diese gewährt wird, ist unklar.

Armut statt Ernährung

Staatliche Beimischquoten für Agrartreibstoffe und Investitionen der Globalplayer in Milliardenhöhe, Greenwashing im Internet und Werbekonferenzen zur Marktförderung: Für den Tank statt für den Teller erzeugt einen grünen Ölboom und Kampf um Land. D1 Oil, Anbauunternehmen von bereits mehr als 300.000 Hektar Jatropha weltweit, ist in der Mehrzahl der indischen Bundesstaaten vertreten. Als weiterer Globalplayer hat der US-amerikanische Konzern Archer Daniels Midland (ADM), einer der größten Biodieselhersteller, eine Ölmühle unweit der Westküste Indiens aufgebaut. Über Kooperationen mit Bayer und Daimler arbeitet der Konzern an der Entwicklung von Qualtitätsstandards und Pestiziden für Jatropha. An der Verwertung von indischem Jatropha-Öl für Kerosin investiert das US-amerikanische Unternehmen Terasol.

Greenwashing ist in der Vermarktung an der Tagesordnung. Jatropha - die Lösung unserer Umweltverschmutzung - hebt ein Wahlplakat in Kolkatta hervor. Im Internet wirbt BP, dass Jatropha ein besonders fähiges, da ungenießbares Öl hervorbringe, und auf sehr anspruchslosen Böden in den südlichen Kontinenten gedeihe. Die Realität sieht anders aus.

Im Südosten des Bundesstaates Rajasthan wird Jatropha seit Jahrzehnten als Heckenpflanze zur Begrenzung von Weizenfeldern und Reis angelegt. Kleinbauern erwirtschaften auf dem lokalen Markt mit den zur Seifenproduktion und Lampenöl nutzbaren dunklen Samen einen Zusatzertrag für ihre Familien. Im traditionellen Anbau wurden der Pflanze Wasser und Nährstoffe in ausreichendem Maße durch die Feldbewirtschaftung zugefügt und alte Pflanzen durch neue Stecklinge ersetzt. Der Anbau von Jatropha trat damit nicht in Konkurrenz zu den bedeutenden Nahrungsmittelpflanzen, und die Kosten blieben gering. Das hat sich geändert.

Ein Bauer in Jarkhand zeigt stolz seine erste Ernte, für die IKF Salampuria zuvor die Jungpflanzen bereitstellte. Mit dem Abschluss des Rückkaufvertrages verpflichtet sich der Kleinbauer, die Ernte der kommenden 20 Jahre zum staatlichen Mindestpreis an das Unternehmen zu liefern. Dieser Mindestpreis liegt bei 20 Prozent des aktuellen überregionalen Handelspreises, an dem die Bauern durchaus verdienen könnten, wären sie nicht an den Vertrag gebunden. Die Darlehen für Pflanzkäufe, Pflegemaßnahmen und Düngungen muss der Bauer mit seinen ersten Ernten ausgleichen wie auch die Risiken durch Ernteausfälle in trockenen Jahren oder bei Unwettern. Der Druck dieser Verträge wird durch eine kürzlich erschienene Schlagzeile deutlich: 1500 Farmer wollten der Schuldenspirale nicht rückzahlbarer Darlehen im vergangenen Jahr endgültig entfliehen. Sie begingen Selbstmord.

Jatropha oder Purgiernuss ist neben der klassischen Verwendung für Seife und Lampenöl auch als Abführmittel bekannt. Die zwar schmackhafte Nuss enthält die für Mensch und Tier wirksamen Giftstoffe Phorbolester und Toxalburmin und ist damit als Nahrungsmittel ungeeignet. Über 20 Kinder in dem Bundesstaat Chattisgarrh sind durch unbedachten Verzehr im letzten Jahr stark erkrankt.

Laut Dr. Nirmal Kumar von IKF Salampuria würde diese Toxizität auf seinen Flächen bisher kein Problem darstellen. Zum Schutz von Viehbeständen und Pflanzungen hätte IKF Salampuria eine kurzzeitige Umzäunung angelegt, erklärt Dr. Nirmal Kumar. Da diese Maßnahme aber zu kostenintensiv sei, plane man vielmehr eine Lösung durch den großflächigen Anbau von Jatropha - so könne dann das Weidevieh von der Fläche verdrängt und Beschädigungen der Pflanzen verhindert werden.

Die Nutzung von Weidevieh allerdings ist eine wichtige Einkommensquelle in Jarkhand. In den umliegenden Dörfern prägen Kühe und Rinder das Dorfbild. In Indien nutzen sechs Prozent der Bevölkerung, das entspricht sechs Mio. Menschen, Milch als Grundnahrungsmittel. DorfbewohnerInnen besitzen seit der Unabhängigkeit Indiens und der Verstaatlichung der Flächen lokale Nutzungsrechte. Beweidung und Brennholzsammlung sind Gemeinschaftsrecht, das vor allem den ärmeren Menschen sowie den 170 Mio. Landlosen in Indien zu Gute kommt. Diese Rechte sind jetzt in Gefahr. Ohne diese Grundversorgung ist eine weitere Welle von Landflucht, in der ohnehin mittlerweile von Supercitys geprägten "größten Demokratie der Welt", zu befürchten. Erste Landrechtskonflikte zeigen sich bereits im Bundesstaat Chattisgarh, wo von anstehenden Rechtsklagen und Landvertreibungen durch den Jatropha- Anbau berichtet wird. Die indische Landrechtspolitik lässt weitere Konflikte befürchten: 13 Millionen Hektar Land will der indische Staat bis 2012 zum Anbau von "Bio"dieselpflanzen zur Verfügung stellen.

Die Regionalbehörden im Bundesstaat Rajasthan sind beauftragt, "Wasteland" oder "Ödland" auszuweisen, das für den "Bio"dieselanbau bereitgestellt wird. Ausreichende Bestimmungen fehlen, um Felder für den Nahrungsmittelanbau sowie Flächen mit älteren Nutzungsrechten dabei auszuschließen. Nutznießer sind auch hier die Industriebetriebe: Bis zu 5000 Hektar an staatlichem "Wasteland" kann ein Unternehmen pachten, wobei die minimale Laufzeit 20 Jahre umfasst. Zweifelsohne genug Zeit, um Menschen und Ökosysteme zu ruinieren.

Heike Lipper ist in der Tropenwald-Fachgruppe von ROBIN WOOD aktiv und hat im vergangenen Winter den Anbau von Jatropha in Indien untersucht - heike.lipper@robinwood.de, www.robinwood.de/tropenwald


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
- Jatropha-Anbau in Jarkhand
- Klassische Heckenpflanzung Jatropha


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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 102/3.2009, Seite 38-39
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. November 2009