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ANBAU/136: Jatropha - eine Perspektive für die ländliche Entwicklung in Madagaskar? (Alfons Üllenberg)


Jatropha - eine Perspektive für die ländliche Entwicklung in Madagaskar?

Schlussfolgerungen nach zwei Jahren der Beobachtung der Aktivitäten im Jatrophasektor in Madagaskar [1]

Von Alfons Üllenberg in Zusammenarbeit mit Klaus Mersmann


Einschätzung auf einen Blick

Die Erfahrungen in Madagaskar hinsichtlich der Investitionen in Jatropha sind sehr unterschiedlich und es ist generell zwischen Projekten des großflächigen Plantagenanbaus, des Vertragsanbaus und des kleinbäuerlichen Anbaus im Rahmen von Entwicklungsprojekten zu unterscheiden. In den Vordergrund werden hier die Erfahrungen des großflächigen Plantagenanbaus gestellt, die stark dominieren.


1.1 Im Umgang mit Land und Wasser

Die Gesamtheit der Jatrophainvestoren plant den Anbau von fast 1 Million ha Jatropha in Madagaskar. Einen Überblick über die Investitionsregionen gibt folgende Karte:

Der Umgang der Investoren mit den Behörden zur Erlangung der Pacht- oder Nutzungsrechte für das Land unterscheidet sich deutlich voneinander. Während alle Investoren die Zustimmung der Behörden auf lokaler Ebene (Fokontany und Kommune) suchen, scheuen viele den Abschluss der Verträge mit der nationalen Regierung, wie er seitens der momentan gültigen Gesetzgebung gefordert ist. Auch die erforderlichen Umwelt- und Sozialverträglichkeitsstudien hat bislang noch kein einziges Unternehmen durchgeführt bzw. durchführen lassen. Dies liegt in fast allen Fällen darin begründet, dass die zuständige Behörde, das Office Nationale pour l'Environnement ONE, noch nicht informiert bzw. eingebunden wurde.

Mit dem riesigen Flächenbedarf der Investoren sind auch Risiken verbunden: Im Süden hat es bereits Landkonflikte zwischen Jatrophainvestoren untereinander gegeben, die dieselben Flächen beansprucht haben. Gemäß dem im Jahre 2006 geänderten Landrecht erwirbt derjenige einen Landbesitzanspruch, der das Land valorisiert. Traditionell sind Landrechte jedoch nur sehr selten dokumentiert [2]. Gleichzeitig wird häufig Grasland (Savannen) für den Jatrophaanbau beansprucht. Dies führt oft zu Landkonflikten zwischen den Bauern, die das Land als Weideland für die Zebus nutzen, und Jatrophainvestoren. Aufgrund der unsicheren Bodenrechte sind Konflikte somit vorprogrammiert.

Ein weiterer Konfliktpunkt kann in einigen Regionen der Zugang zu Wasser werden. Zumindest die Baumschulen werden von allen Jatrophainvestoren künstlich bewässert. Bewässerung erfolgt zum Teil auch in Plantagen, um die Vegetationsperiode in die Trockenzeit hinein zu verlängern. In Gegenden mit begrenzter Wasserverfügbarkeit (Südwesten) liegt hier ein erhebliches Konfliktpotential.


1.2 Im Umgang mit Umwelt

Grundsätzliche ist festzustellen, dass von den Investoren artenreiche Flächen wie Primärwälder bislang nicht avisiert wurden. Dennoch gibt es einige Risiken, die mit dem großflächigen Anbau von Jatropha verbunden sind, wie Beeinträchtigung von Fauna und Flora durch intensiven Gebrauch von Pestiziden. Intensive Düngung und hoher Pestizideinsatz können auch zu Wasserverschmutzung führen.

Theoretisch sind auch positive Effekte möglich: Durch Anbau von Jatropha in Mischkultur auf ehemals Savannenflächen mit sehr beschränkter Bodenaktivität und armer Fauna und Flora (bedingt vor allem durch die häufigen feu de brousse/Buschbrände, wo Jatropha zudem im Rahmen des Brandschutz eine Rolle spielen könnte) kann die Artenvielfalt wieder erhöht werden. Durch die Anreicherung von organischem Material im Boden lässt sich auch die Bodenfruchtbarkeit steigen.


1.3 Soziale Aspekte

Fast alle Investoren versprechen auch in soziale Bereiche wie Schulen und Krankenhäuser zu investieren. Ob die lokale Bevölkerung tatsächlich von einer verbesserten schulischen oder medizinischen Versorgung profitiert, hängt davon ab inwieweit diese Versprechen eingehalten werden. Bislang jedenfalls hat noch kein Unternehmen darin investiert.

Auf jeden Fall werden durch den Plantagenanbau Arbeitsplätze (oft Saisonarbeitsplätze während Pflanzzeit und Ernte) geschaffen, die insbesondere in entlegenen Gebieten positiv zur Einkommenssicherung im ländlichen Raum beitragen können. Außerdem wird durch Investitionen in entlegenen Gebieten die Sicherheitslage in diesen Regionen verbessert, was insbesondere den Zebuhaltern zu Gute kommt [3].

Durch den Anbau von Jatropha in Mischkultur mit Gemüse kann die Ernährungslage verbessert und verbreitert werden.


1.4 Im Hinblick auf Wirtschaftlichkeit

Die Beurteilung der Rentabilität ist die größte Schwierigkeit und Herausforderung der zurzeit realisierten oder geplanten Investitionen in den Jatrophaanbau. Durch die mangelnde Datengrundlage und fehlende Vergleichsrechnungen besteht noch eine erhebliche Unsicherheit hinsichtlich einer positiven Einschätzung der Wirtschaftlichkeit von Investitionen in Jatropha. Da das Pflanzmaterial in Madagaskar fast immer noch ausschließlich aus wild gesammelten genetischem Material besteht, welches in keiner Weise züchterisch bearbeitet wurde, ist die Variation hinsichtlich der Erträge vermutlich sehr groß. Auf der anderen Seite besitzt die Pflanze jedoch noch ein großes Verbesserungspotenzial. Eine realistische Einschätzung der Ertragserwartungen ist bis dato noch kaum möglich.

Aus Sicht des Autors gehen die meisten Investoren jedoch von überhöhten Ertragserwartungen aus. Die kalkulierten Erträge in Höhe von zumeist über 1 Tonne Pflanzenöl je Hektar machen eine Produktion von Jatrophaöl zu einem Preis von unter 600 EUR/Tonne möglich und somit auch für den Export rentabel bzw. interessant. Diese Ertragserwartungen scheinen aus der Sicht des Autors aufgrund der bisherigen Erfahrungen jedoch nicht realistisch, zumindest solange auf wild gesammeltes Saatgut zurückgegriffen wird. Auf der Basis eigener Beobachtungen rechnet der Autor mit max. ½ Tonne Pflanzenöl je ha. Dies führt automatisch zu höheren Produktionskosten, die auf mindestens 800 EUR/Tonne veranschlagt werden (Anm: Stand Juni 2009; bei der zwischenzeitlichen erfolgten Abwertung des Ariary stellt sich die Situation inzwischen etwas günstiger dar).

Legt man diese Einschätzung zugrunde, ist Jatrophaöl lokal zwar auf dem lokalen Markt immer noch wettbewerbsfähig. Bei dem aktuellem Preisniveau gilt dies allerdings nicht für den internationalen Markt. Die Zukunft hängt entscheidend von der Entwicklung der Weltmarktpreise für Pflanzenöl und der Entwicklung des Rohölpreises ab.


Hintergrund

Die Purgiernuss, Jatropha Curcas (L.), zählte lange zu den vernachlässigten Pflanzen, trotz ihrer Nutzung als Rohstoff in der Seifenherstellung (zu Beginn des 20. Jahrhunderts) und der Nutzung des Jatrophaöls als Dieselkraftstoffersatz im 2. Weltkrieg. Erst in den 90er Jahren entdeckte man die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten dieser Nutzpflanze wieder. Heutzutage ist vor allem ihr energetisches Potential interessant. Mit dem rasanten Rohölpreisanstieg der vergangenen Jahre (bis zur Wirtschaftskrise ab 2008) erlebte der Jatrophaanbau einen regelrechten Boom, auch in Madagaskar.

Aufgrund des energetischen Potentials und der stark steigenden Anbaufläche in Madagakar initiierte das deutsch-madagassische Umweltprogramm PGM-E eine ca. 2-jährige Analyse des Jatrophasektors. Vorrangiges Ziel war die Beobachtung der Aktivitäten im Sektor und die Schaffung von Transparenz über diese großen Investments. Was passiert in Madagaskar, welche Flächen werden für Jatropha zur Verfügung gestellt, welche Auswirkungen hat der großflächige Anbau auf die Umwelt insbesondere die Erhaltung der einzigartigen Fauna und Flora Madagaskars? Außerdem stellt die gängige Praxis der Verpachtung großer Anbauflächen in Madagaskar ein Risiko für die Besitzansprüche bzw. Nutzungsrechte von Kleinbauern dar und besitzt Konfliktpotential um die in manchen Regionen knappe Ressource Wasser.

Eine weitere Aufgabe war, das Potential von Jatropha im Hinblick auf Möglichkeiten zur Reduzierung des Drucks auf natürliche Ressourcen z.B. durch den Einsatz von Jatrophaöl als Energiequelle in ländlichen Haushalten (als Lampenöl, durch Nutzung von Jatrophaöl in Pflanzenölkochern oder durch Ersatz von Dieselkraftstoff) zu analysieren.

Mit dem Fallen der Energiepreise und der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise ist das Interesse bzw. auch die Verfügbarkeit von Investitionsmitteln für riskante Anlagen gesunken. Der Boom in Jatropha in Madagaskar ist vorbei, doch das Interesse von Investoren an Jatrophapflanzungen in Madagaskar ist nach wie vor groß. Mit zunehmender Verknappung der fossilen Energieträger werden ihre Preise und damit auch die Preise für deren Substitute wie Pflanzenöl langfristig eine steigende Tendenz aufweisen.


Aktuelle Situation

An dieser Stelle wird der aktuelle Sachstand des Anbaus von Jatropha kurz dargestellt. Für eine ausführlichere Darstellung wird auf die GTZ-Studie "L'état actuel du sector Jatropha à Madagascar" vom Juni 2009 [4] verwiesen.

Die Produktion von Jatropha erfolgt in unterschiedlichen Organisationsformen mit entsprechend unterschiedlichen Zielsetzungen:

Plantagenanbau, finanziert zumeist durch ausländische Investoren, meist mit dem (langfristigen) Ziel der Exportproduktion (von Jatrophaöl oder Biodiesel).
Kleinbäuerlicher Anbau, oft in Mischkultur oder zur Valorisierung bislang nicht genutzter Landflächen, unterstützt von Entwicklungsorganisationen/NGO mit dem Ziel der lokalen Nutzung des Pflanzenöls für die Seifenproduktion oder als Brennstoff für Lampen und Dieselgeneratoren.
Vertragsanbau (Verträge i.d.R. zwischen Investoren und Kleinbauern): Der Bauer verpflichtet sich, die Ernte zu einem Mindestpreis abzugeben und erhält im Gegenzug Unterstützung beim Anbau in Form von Beratungsleistung und Saatgut durch einen vom Investor aufgebauten Beratungsdienst.

2.1 Plantagenanbau

In Madagaskar gibt es insgesamt noch ein Dutzend Jatropha - Investitionsvorhaben mit dem Ziel insgesamt auf ca. 1 Mio. ha Jatropha anzupflanzen. Der überwiegende Teil der Produktion ist für den Export bestimmt. Die Akteure werden - je nach dem Stand der aktuellen Realisierung der Investition - in drei Gruppen eingeteilt:

• Unternehmen, die sich nach Anfangsinvestitionen aus
dem Jatrophageschäft in Madagaskar zurückgezogen haben;

• Unternehmen, die zurzeit (Referenzzeitpunkt Juni 2009) noch aktiv sind;

• Unternehmen, die sich noch im Planungsstadium befinden oder auf die Unterzeichnung des Pachtvertrages warten


Unternehmen, die sich bereits zurückgezogen haben

Einige Investoren haben sich im Laufe der letzten Jahre aus dem Jatrophaanbau zurückgezogen. Prominentestes Beispiel ist D1 BP Fuel Crops, ein Joint Venture von D1 Oils und BP. Dieses Unternehmen war seit 2006 in Madagaskar tätig und hatte Jatrophaanbau auf der Grundlage von Contract Farming zum Ziel. Bis zum Frühjahr 2009 waren von Kleinbauern ca. 1.500 ha Jatropha angebaut, deren Ernte für D1 BP Fuel Crops bestimmt war. (Anm.: Die Rechte und Pflichten dieser Verträge hat D1 BP Fuel Crops einem neuen madagassischen Unternehmen übertragen.)

Als Grund für die Aufgabe des Standortes Madagaskar wurde der langsame Projektfortschritt genannt. Die angestrebten Pflanzzahlen - bis 2010 sollten es nach den ersten Plänen bereits rund 20.000 ha sein - wurden bei weitem nicht erreicht. Damit hätten auf mittelfristige Sicht weder ausreichend Erträge noch economies of scale realisiert werden können. Weitere Investoren, die sich im Laufe der letzten Jahre zurückgezogen haben sind C3 sowie Tom Investment und Flora Ecopower. Bei letzterem wurde die mangelnde Finanzierung als Ursache explizit genannt, bei den ersten beiden gibt es keine Informationen.


Unternehmen, aktiv

Aktiv tätig [5] sind noch eine Reihe von Unternehmen in Madagaskar, doch lediglich fünf Unternehmen (Investoren) betreiben zurzeit Pflanzungen mit einer Fläche von mehr als 50 ha:

GEM Biofuels
Das britische Unternehmen ist an der London Stock Exchange gelistet und hat lt. eigenen Angaben 13.000 ha Jatropha angepflanzt. Angeblich sind Landrechte im Umfang von 452.500 ha im Süden des Landes (Region Atsimo Andrefana) gesichert. Mit möglichst geringem Investitions- und Arbeitseinsatz wird dieses Projekt vorangetrieben (Verwendung von Direktsaat als Anbaumethode, keine Düngung, keine Bodenvorbereitung etc.). Dieser pflanzenbaulich kostensparende Ansatz führt zu einer geringen Erfolgsquote (niedrige Besatzdichte und schlecht entwickelte Pflanzen). Darüber hinaus sind die klimatischen Rahmenbedingungen in der gewählten Region als eher ungünstig anzusehen (Niederschlag liegt meist weit unter 800 mm/Jahr). Es kann bezweifelt werden, dass die Erträge ausreichen werden, um die Rentabilität des Unternehmens zu sichern.

Jatrogreen
Dieses Joint-Venture zwischen der madagassischen NGO Green Island Madagascar und dem deutschen Unternehme JatroSolutions plant den Anbau von ca. 4.000 ha Jatropha in der Region Haute Matsiatra. Bis heute wurden ca. 500 ha Jatropha angebaut. Der gewählte Standort ist als befriedigend zu bezeichnen: Niederschläge sind ausreichend (> 1.000 mm/Jahr), allerdings wird das Wachstum durch die Höhenlage mit den entsprechend gemäßigten Temperaturen etwas gehemmt. Die Anlage der Pflanzung wird kostenintensiv betrieben. Das heißt, es werden vorgezogene Stecklinge gepflanzt, der Boden mechanisch vorbereitet und mit organischem wie anorganischem Dünger verbessert und zeitweise bewässert. Es werden Jatrophapflanzen verschiedener Herkünfte gesetzt.

JSL Biofuels Madagascar
Das Unternehmen nach madagassischem Recht ist eine Ausgründung der NGO Global Exchange for Social Investment (GEXSI). JSL hat bislang Pilotpflanzungen im Umfang von 70 ha in der Region Boeny angelegt. Ursprünglich geplant war, eine Plantage im Umfang von 30.000 ha Jatropha anzulegen. Nutzungsrechte im entsprechenden Umfang wurden bereits mit den Kommunen verhandelt und mittels langfristiger Pachtverträge gesichert. Aufgrund der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise sowie der politischen Krise in Madagaskar ist es nicht gelungen, die notwendigen Investitionsmittel für den weiteren Anbau einzuwerben. Die Lage im Nordwesten Madagaskars ist für den Anbau von Jatropha gut geeignet, sowohl hinsichtlich Temperatur als auch Niederschlag (> 1.200 mm/Jahr).

Beim Aufbau seiner Pilotplantagen hat JSL Biofuels einen kostenintensiven Aufwand betrieben. Neben der Verwendung von in Baumschulen vorgezogenen Pflanzen wurden diverse Versuche mit unterschiedlichen Düngemethoden durchgeführt, unter anderem auch mit Biokohle [6].

Soeben hat JSL Biofuels die Finanzierung für weitere 500 ha Jatropha erhalten (aus dem niederländsichen Ouwens-Fund). Der Ölertrag soll vornehmlich der Versorgung der lokalen Bevölkerung dienen (Lampenöl, ländliche Elektrifizierung, Transport). Außerdem ist geplant, das Jatrophaöl in Pflanzenölkochern zu verwenden (Anm: Die entsprechenden BSH-Pflanzenölkocher sind zurzeit jedoch noch nicht praxisreif).

Fuelstock Madagascar
In der Region Boeny ist ebenfalls das britische Unternehmen Fuelstock tätig. Es hat in diesem Jahr mit der Anlage einer Baumschule für 100.000 Jatrophapflanzen begonnen. In dieser Saison sollen damit 50 ha bepflanzt werden. Langfristig wird der Anbau auf ca. 30.000 ha avisiert.

Delta Petroli
Im Rahmen einer PPP mit einem madagassischen katholischen Orden, den Kapuzinermönchen, ist die italienische Firma Delta Petroli Initiator des Aufbaus einer 50.000 ha Jatrophaplantage in der Region Sofia. Der aktuelle Stand ist nicht genau bekannt.


Unternehmen, die aktiv werden wollen

Zahlreiche Unternehmen wollen sich in Madagaskar im Jatrophaanbau engagieren. Ihnen fehlt aber entweder das Geld oder der Zugang zur Ressource Boden, der aufgrund der aktuellen politischen Rahmenbedingungen erschwert ist. Zu diesen Unternehmen zählen

J-Oils, ein französisches Unternehmen, welches in der Region Diana 10.000 ha Jatropha pflanzen will.
NEO, ein weiteres französisches Unternehmen tätig in der Region Bongolava. Geplant ist der Anbau von 30.000 ha Jatropha.
NOTS, ein niederländisches Unternehmen, tätig in der Region Betsiboka mit dem Ziel des Anbaus von 15.000 ha Jatropha.
Bio Energy Limited, ein britisches Unternehmen mit australischen Investoren verfolgt das Ziel, 120.000 ha Jatropha in der Region Sofia anzubauen.
Tozzi Renewable Energy, ein Italienisches Unternehmen; plant den Anbau von 100.000 ha Jatropha in der Region Atsimo Andrefana.
Global Biofuel, ein libanesisches Unternehmen, plant den Anbau von 100.000 ha Jatropha in den Regionen Boeny und Sofia.
Avana Group Madagascar, madagassisches Tochterunternehmen der britischen Avana Petroleum, will in Zusammenarbeit mit der Organisation "Projet des Jeunes Entrepreneurs" in der Region Bongolava 10.000 ha Jatropha anbauen.

2.2 Kleinbäuerlicher Anbau

Hier ist insbesondere das Engagement des USAID-geförderten Programmes EcoRegional Initiatives (ERI) in der Region Haute Matsiatra zu nennen, das jedoch im Jahre 2009 zu Ende ging. Im Rahmen eines ländlichen Entwicklungsprojektes wurden Bauern angeregt, Jatropha in ihr Anbauschema zu integrieren. Dadurch sollen Bauern ein zusätzliches Erwerbseinkommen erwirtschaften. Mit einem Abnahmepreis von 400 Ar/kg wurde ein finanzieller Anreiz zum Anbau gegeben. Langfristiges Ziel ist, das Öl vor Ort zu extrahieren und in Form von Seife oder als Lampenöl oder Dieselersatz zu nutzen.

Weiterhin unterstützt das Anti-Erosionsprogramm PLAE der deutschen Entwicklungszusammenarbeit (KfW) den Anbau von Jatropha, in erster Linie als Maßnahme zum Erosionsschutz. Die Idee ist jedoch, dass auch die Jatrophanüsse zur ländlichen Entwicklung valorisiert werden.


2.3 Contract-farming

Zwei Firmen haben das Vertragsmodell gewählt. Zum einen D1 BP Fuel Crops, deren Rechte und Pflichten aus den Verträgen mit den Bauern im Juni 2009 an die Firma "Madagascar Crop Development" übergeben wurden. Mittlerweile bauen ca. 1.500 Bauern in den Regionen Alaotra Mangoro und Vakinankaratra rund 1.200 ha Jatropha an, häufig in Form von Mischkultur. Zum anderen hat auch JSL in 2008 begonnen, ebenfalls in der Region Vakinankaratra, Verträge mit Bauern zwecks Anbaus von Jatropha zu schließen.


Herausforderungen

3.1 Herausforderungen für Investoren

Dem Investor, der das Ziel des erfolgreichen Jatrophaanbau in Madagaskar verfolgt, stellen sich zahlreiche Herausforderungen:

Die langfristige rechtliche Absicherung der Bodennutzungsrechte ist zwar durch die Gesetze zur Verbesserung des Investitionsklimas in Madagaskar erleichtert worden, doch aufgrund der aktuellen politischen Rahmenbedingungen zu einem großen Hindernis geworden [7].
Die natürlichen klimatischen Voraussetzungen zur wirtschaftlichen Produktion von Jatrophaöl sind nicht in allen Regionen gegeben (z.B. Süden und Südwesten), insbesondere wegen zu geringer Niederschläge.
Der wirtschaftliche Anbau von Jatropha erfordert profunde agronomische Kenntnisse und deren Anwendung, insbesondere auch ein gutes Management von Krankheiten und Schädlingen. Kenntnisse, die oft lokal nicht vorhanden sind.
Eine Wertschöpfungskette für Produktion, Verarbeitung und Vermarktung von Jatrophaprodukten wie auch ein Markt für Jatrophaprodukte sind in Madagaskar noch nicht vorhanden und müssen von Investoren aufgebaut werden, wenn sie von den günstigeren Preisrelationen auf dem madagassischen Markt profitieren wollen.
Fehlende Unterstützung seitens der staatlichen Strukturen für den Anbau und Nutzung von Agrotreibstoff erfordert ein hohes privatwirtschaftliches Engagement und bringt ein Investitionsrisiko mit sich. Die Bedingungen seitens des Gesetzgebers sowohl für den Export wie auch für die inländische Verwendung sind nicht klar geregelt und bergen ein Investitionsrisiko (z.B. Beimischungsregularien, steuerliche Behandlung, Möglichkeiten der Inlandsverwendung für Unternehmen der Zone Franche etc.). Bei zukünftiger ungünstiger Ausgestaltung des gesetzlichen Rahmens kann die Wirtschaftlichkeit der Jatrophaprojekte weiter gefährdet werden.
Aufgrund fehlender Forschung und Entwicklungsarbeit an Jatropha in Madagaskar gibt es kein züchterisch bearbeitetes Pflanzmaterial und Saatgut. Gleichzeitig ist der Import von verbessertem züchterischem Material aus anderen Ländern aufgrund phytosanitärer Auflagen schwierig. Das Ertragspotential von heimischen Jatrophapflanzen ist jedoch sehr variabel und dürfte nach bisherigen Erfahrungen im Durchschnitt auf sehr niedrigem Niveau liegen.

3.2 Herausforderungen für Kleinbauern

Für Kleinbauern bieten sich heute prinzipiell zwei Möglichkeiten des Jatrophaanbaus an. Zum einen im Rahmen des Contract-farming, ein Modell, welches vor allem von D1 BP Fuel Crops entwickelt wurde. Zum anderen im Rahmen ländlicher Entwicklungsprojekte, die den Anbau von Jatropha fördern. Die Herausforderungen sind für beide Modelle ähnlich:

Beherrschung der Anbautechnik von Jatropha. Insbesondere zu Beginn des kommerziellen Jatrophaanbaus war das Wissen um den richtigen Standort und optimale Anbau und Pflege von Jatropha noch sehr begrenzt, was zu einer hohen Ausfallquote führte. Auch heute noch ist das notwendige produktionstechnische Wissen lokal oft nicht vorhanden.
Falsche Standortentscheidungen und die fehlende Berücksichtigung der klimatischen Bedingungen haben zu vollkommenen Misserfolgen oder extrem langsamer Entwicklung der Jungpflanzen geführt. Die Ertragserwartungen müssen unter diesen Bedingungen drastisch reduziert werden.
Für die Wirtschaftlichkeit im Vertragsanbau(contract-farming) ist neben dem Ertrag der Preis für die Jatrophanüsse entscheidend. Zurzeit werden recht hohe Preise gezahlt, da ein großer Teil der Ernte für die Anlage der Plantagen genutzt wird. Doch für die Verwendung als Rohstoff im Energiesektor muss es mit anderen Energieträgern konkurrieren können. Daher sind die garantierten Erzeugerpreise für Jatrophanüsse oft sehr niedrig gehalten. Mit Versprechen über hohe Erträge werden Bauern Anreize zum Jatrophaanbau gegeben. Liegen die Erträge niedriger, lohnt der Anbau zu den ausgehandelten Mindestpreisen nicht.
Für Kleinbauernorganisationen, deren Mitglieder Jatropha in Eigenregie anbauen, liegt die Herausforderung vor allem in der Beschaffung der finanziellen Mittel, um das Öl pressen und verarbeiten zu können. Selbst eine Handpresse (wie die Bielenbergpresse) kostet ca. 500.000 MAG (ca. 200 EUR). Dabei gibt es bisher in Madagaskar nur sehr wenige Banken, die (Klein-)Kredite an den Agrarsektor vergeben.

Schlussfolgerungen

Zahlreiche Hoffnungen der ersten Jahre auf kurzfristig zu erzielende Gewinne sind verflogen, nachdem die Investoren mit den agronomischen Schwierigkeiten einerseits und den gefallenen Weltmarktpreisen für Pflanzenöle andererseits konfrontiert wurden. Darüber hinaus ist es seit der Finanz- und Wirtschaftskrise schwieriger geworden, Finanzmittel für Jatrophaplantagen zu akquirieren. Dies hat dazu geführt, dass eine Reihe von Investoren ihr Engagement in Jatropha aufgegeben haben. Vermutlich werden noch weitere Investoren aufgeben, wenn die Erträge die Erwartungen unterschreiten, und die Schwelle der Wirtschaftlichkeit nicht erreicht wird.


Langfristig werden nur die Investoren übrig bleiben, die

kurz- und mittelfristig vor allem den lokalen Markt bedienen, um so auch bei geringeren Erträgen rentabel zu bleiben,
in Forschung und Entwicklung investieren, um den Anbau zu optimieren sowie vor allem Sorten mit verbesserten Eigenschaften (höherer Ölertrag, Toleranz gegenüber Krankheiten etc.) zu züchten,
Finanzierungen erschließen, die ein langfristiges Engagement ermöglichen.

Um die mit dem Anbau von Jatropha verbundenen Risiken zu reduzieren und das Potential von Jatrophapflanzungen zu heben, bieten sich für Entwicklungsorganisationen wie die GTZ insbesondere folgende Themen an:

Unterstützung beim Aufbau einer Dokumentation von Landrechten, um Landkonflikte und dadurch bedingte negative Auswirkungen für Kleinbauern zu vermeiden;
Entwicklung und Implementierung eines Planungsmodells, um das Potential hinsichtlich der natürlichen Ressourcen (Land, Wasser, Boden, Klima etc.) zu bestimmen und dem Bedarf dieser Ressourcen (aufgrund von Ernährung, Energiebereitstellung und sonstige Verwendung) unter Berücksichtigung der Bevölkerungsentwicklung und des Klimawandels gegenüberstellen zu können.
Unterstützung für den Aufbau von Forschung- und Entwicklungseinrichtungen, insbesondere zur Verbesserung der Grundlagenforschung zu Produktion, zur Optimierung der Verwertungsmöglichkeiten (z.B. auch durch Pflanzenölkocher) und zur Verbesserung des genetischen Materials.
Unterstützung bei der Entwicklung gesetzlicher Rahmenbedingungen, die die Interessen aller verschiedenen beteiligten Personengruppen (Bauern, Industrie, Investoren, Konsumenten) angemessen berücksichtigen.
Ein weiterer nützlicher Bereich wäre die Durchführung von regionalen Wirtschaftlichkeitsstudien, auch als Grundlage für die Förderung von Anreizmechnismen (bis hin zur Vergabe von Kleinkrediten).

Eine direkte Unterstützung des Aufbaus von Jatrophapflanzungen bietet sich derzeit aufgrund der o.g. offenen Punkte hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit dieser Unternehmungen nicht an. Ausnahmen können Anlagen von Jatropha sein, deren primäres Ziel nicht in der Ölgewinnung liegt, sondern beispielsweise im Erosionsschutz oder diversifizierter landwirtschaftlicher Produktion.


[1] Die Recherchen für diesen Text wurden im Auftrag des Umweltprogramms PGM-E der GTZ in den Jahren 2008/09 in Madagaskar durchgeführt und finanziert.
[2] Dies soll durch die Einrichtung sogenannter "Guichet Fonciers" geändert werden, die zum Auftrag haben, Landrechte zu dokumentieren, und zwar gegenüber dem klassischen Instrument des Katasterwesens auf eine schnellere und preiswertere Art und Weise.
[3] Viehdiebstahl spielt in entlegenen Gebieten eine große Rolle. Durch eine verbesserte Infrastruktur wird diesem Phänomen entgegengewirkt.
[4] Üllenberg, Alfons: "L'état actuel du secteur Jatropha à Madagascar" erstellt im Auftrag der GTZ, Antananarivo im Juni 2009
[5] Stand 12/2009
[6] Die Verwendung von Biokohle, also "verkohlter" Biomasse, ist eine traditionelle Methode in der Landwirtschaft zur Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit, die lange in Vergessenheit geraten war. In der jüngeren Vergangenheit wird wieder vermehrt zu diesem Thema geforscht.
[7] Der geplante Pachtvertrag über 1,3 Millionen ha Land zwischen der madagassischen Regierung und dem südkoreanischen Konzern DAEWOO Logistics hat zu großer Aufruhr in der madagassischen Bevölkerung geführt und zum Sturz des damaligen Staatspräsidenten Marc Ravalomanana beigetragen. Die Übergangsregierung (HAT) hat angekündigt, keine langfristigen Landpachtverträge mit ausländischen Investoren abzuschließen.


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Quelle:
Jatropha - eine Perspektive für die ländliche Entwicklung in Madagaskar?
Schlussfolgerungen nach zwei Jahren der Beobachtung der Aktivitäten im
Jatrophasektor in Madagaskar - 27.03.2010
mit freundlicher Genehmigung des Autors
Alfons Üllenberg
- Consultant -
Antananarivo - Berlin - Lissabon - Luanda


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. April 2010