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CHEMIE/323: Pro und contra Pestizidsteuer (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1078, vom 13. Dez. 2015 - 35. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)


Schleswig-Holstein fordert Einführung einer Pestizidsteuer

Mit zuletzt 35.000 Tonnen an Wirkstoffen nimmt der Verkauf an Pflanzenschutzmitteln (PSM) beständig zu. Anfang 2015 wurde das wichtigste PSM, Glyphosat, von der WHO als wahrscheinlich krebserregend eingestuft. PSM sind ubiquitär, sie finden sich in Böden und Gewässern und werden nicht zuletzt auch vom Menschen aufgenommen. Beispielsweise in Schleswig-Holstein sind, aufgrund der Belastung mit PSM, zehn Prozent der Wasserkörper nicht in dem "guten ökologischen Zustand", den die EU-Wasserrahmenrichtline fordert. Vor diesem Hintergrund wurde von ROBERT HABECK, Umweltminister von Schleswig-Holstein, eine Studie zur Einführung einer Pflanzenschutzsteuer (PSS) beim Helmholtz-Umweltforschungszentrum (UFZ) in Leipzig in Auftrag gegeben. Ziel der Studie war es herauszufinden, ob und wie eine PSS auf PSM deren Verbrauch reduzieren kann, ohne die Landwirtschaft unverhältnismäßig zu belasten. Nach Dr. STEFAN MÖCKEL, dem Leiter der Studie, seien ohne eine PSS die "europäischen und nationalen Ziele der Pflanzenschutzpolitik nicht zu erreichen". So soll für die maximal zulässige Aufwandmenge pro Hektar eines PSM eine Grundabgabe von 20 Euro eingeführt werden. Diese Grundabgabe wird durch einen humantoxikologischen sowie einen risikoorientieren Faktor ergänzt. Verteuern würden sich somit vor allem jene PSM, die besonders toxisch sind und/oder deren Gebrauch allgemein risikobehaftet ist. So soll sich eine Lenkungswirkung zu umweltverträglicheren PSM und geringeren Aufwandmengen ergeben. Die Preissteigerung für PSM liege nach Berechnungen des UFZ bei 40 Prozent. Prof. ERIK GAWEL, Chef-Ökonom des UFZ, hält diese Zusatzabgaben für "verhältnismäßig und im internationalen Wettbewerb tragbar". Durch die PSS könne der deutsche Fiskus mit etwa einer Milliarde an Mehreinnahmen rechnen. Dieses Geld solle nach Ansicht des UFZ zur Reduktion der Umweltauswirkungen der PSM sowie für Kompensationszahlungen für besonders belastete Landwirte verwendet werden. -am-


Reaktionen auf den Vorschlag für eine Pflanzenschutzmittelsteuer

BERNHARD KRÜSKEN, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands (DBV), kritisiert, dass die deutschen Landwirte hierdurch im internationalen Wettbewerb geschwächt werden und die ökonomische Analyse des UFZ demnach fehlerhaft sei. Die PSS sei zwecklos, da die Kontrollen und Grenzwerte für PSM bereits vorbildlich seien. Vielmehr würde die PSS die Gefahr von Resistenzen erhöhen, da dem Landwirt nicht mehr eine genügend große Auswahl an PSM zur Verfügung stünde. HENNING EHLERS vom deutschen Raiffeisenverband (DRV) warnt zudem vor einer Gesundheitsgefahr durch Pflanzenschädlinge, die sich bei verringerten Aufwandsmengen an PSM verbreiten könnten. Dahingegen lobt BIOLAND die Initiative des Umweltministers ROBERT HABECK. Durch die PSS könne eine gerechte Beteiligung der Verursacher an den Folgekosten der PSM erreicht werden. BIOLAND empfiehlt daher die Steuereinnahmen für die Kompensation der Pestizid-Folgekosten sowie für die Forschung zu umweltverträglichen Pflanzenschutzmethoden zuzuführen, um schließlich PSM wie Glyphosat vom Markt verbannen zu können. Auch der Bundesverband Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) befürwortet die PSS, da sich somit PSM-Einträge in die Gewässer reduzieren ließen. Der BDEW betont den hohen technischen sowie wirtschaftlichen Aufwand, um Rohwasser von PSM-Rückständen zu befreien. Weiterhin wird eine Standardisierung der "guten, fachlichen Praxis" bei dem Ausbringen von Pestiziden gefordert. -am-


Ein Kommentar zur vorgeschlagenen Pestizidsteuer

Bernhard Krüsken, Generalsekretär des DBV, nennt die Zulassungsverfahren für PSM in Deutschland vorbildlich. Glyphosat, das seit Mitte der 1970er angewendet wird, wurde erst Anfang des Jahres von der WHO (und keiner Kontrollbehörde) als wahrscheinlich krebserregend eingestuft. Es ist nicht vorbildlich, dass dieser Stoff über einen solchen Zeitraum frei erwerblich ist und in enormen Mengen in die Umwelt ausgebracht werden durfte und werden darf. Vielmehr ist es ein Beleg dafür, dass PSM ein nicht abzuschätzendes Gefahrenpotential bergen, zumal sie sich ungehindert in alle Umweltmedien ausbreiten können. Es ist folgerichtig, den Trend des steigenden Verbrauchs von PSM zu stoppen und umzukehren bevor Grenzwertüberschreitungen weiter zunehmen. Die Einführung einer PSS ist zu befürworten, kann sie doch Wegweiser sein und weitere EU-Mitgliedsstaaten motivieren. Je mehr EU-Staaten sich diesem Beispiel anschließen, desto geringer wird auch der Wettbewerbsnachteil für die deutschen Landwirte ausfallen. Bis dahin müssen jedoch in besonders konkurrenzbetonten, landwirtschaftlichen Betrieben Kompensationszahlungen getätigt werden, ohne die Lenkwirkung der Steuer aufzuweichen. Die weiteren Steuererträge sollten in die Forschung fließen, um umweltverträglichere PSM zu entwickeln. Bei geringerer Auswahl an PSM sowie deren verminderter Aufwandmenge stellt die Vermeidung von Resistenzen eine Herausforderung für die landwirtschaftliche Praxis dar. Entsprechend müssen die zur Resistenzvermeidung vorhandenen Methoden wie Bodenbearbeitung, Fruchtwechsel und Sortenwahl gefördert und verbessert werden. -am-

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1078
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Januar 2016

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