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ENERGIE/069: UN-Bericht zu Biokraftstoffen (DGVN)


DGVN Webseite - Den Klimawandel bekämpfen
Energiefragen und Treibhausgase | 20.10.2009

UN-Bericht zu Biokraftstoffen

Von Frank Kürschner-Pelkmann


Zuckerrohr wird immer häufiger für die Biokraftstoffproduktion genutzt

Die Debatte über die Auswirkungen des Biokraftstoffbooms auf Umwelt und Klima wird durch einen Bericht des UN-Umweltprogramms UNEP auf eine fundiertere Grundlage gestellt. Der Bericht unter dem Titel "Towards sustainable production and use of resources: Assessing Biofuels", der Mitte Oktober 2009 erschienen ist, wird vor allem die Skeptiker in ihren Vorbehalten gegen die gegenwärtigen Formen der Produktion bestärken und ihnen neue Argumente liefern. Achim Steiner, der UNEP-Exekutivdirektor, erklärte anlässlich der Präsentation der Publikation:

"Der Bericht macht deutlich, dass Biokraftstoffe eine Zukunft haben, unterstreicht aber auch, dass es andere Optionen im Kampf gegen den Klimawandel, für die Verbesserung der Lebensverhältnisse in ländlichen Gebieten und für die Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung gibt, zu denen sogar die Umwandlung von mehr Nutzpflanzen und Pflanzenresten in flüssigen Kraftstoff gehören könnte."

Entstanden ist der Bericht im Rahmen der Arbeit des "International Panel for Sustainable Resource Management", einem UNEP-Expertengremium unter Leitung von Professor Ernst Ulrich von Weizsäcker.


Ein Boom und seine Folgen

Die Ethanol- und Biodieselproduktion hat seit Anfang des Jahrhunderts einen Boom erlebt. Die Ethanolproduktion (vor allem aus Zucker und Mais) hat sich zwischen 2000 und 2007 verdreifacht, von 17 auf 52 Milliarden Liter. Die Biodieselproduktion (vor allem aus Raps, Soja und Palmöl) hat sich - von einem sehr viel niedrigeren Niveau - im gleichen Zeitraum sogar verelffacht, von weniger als einer Milliarde Liter auf 11 Milliarden Liter. Der Anteil der Biokraftstoffe an der gesamten Kraftstoffproduktion für Fahrzeuge ist auf 1,8% gestiegen, wobei es große regionale Unterschiede gibt. Entsprechend groß sind die Investitionen in diesen Sektor, im Jahre 2007 waren es weltweit mehr als vier Milliarden Dollar. Bisher werden nur geringe Mengen Biokraftstoffe exportiert, aber Länder wie Brasilien planen, die Exporte rasch zu steigern.

Bisher werden etwa zwei Prozent der Ackerbauflächen der Welt für den Anbau von Pflanzen für die Biokraftstoffproduktion verwendet, das sind etwa 36 Millionen Hektar. Um 10% des Kraftstoffs für Transportzwecke im Jahre 2030 mit den bisher verwendeten Biokraftstoff-Pflanzen zu erzeugen, wären 118 Millionen der verfügbaren 508 Millionen Hektar Ackerfläche erforderlich. Angesichts von einer Milliarde hungernder Menschen und einem rasch steigenden Nahrungsmittelbedarf wäre dies schwerlich zu verantworten. Im Bericht wird ausführlich dargestellt, wie prekär die Ernährungssicherheit in den kommenden Jahrzehnten sein wird, wobei auch die negativen Auswirkungen des Klimawandels auf die Ernteerträge zu berücksichtigen sind. Im Bericht heißt es: "Die Erhöhung der Ernteerträge wird vermutlich nicht den wachsenden und sich verändernden Nahrungsmittelbedarf ausgleichen. Deshalb wird die Ackerbaufläche ausgeweitet werden müssen, um die Weltbevölkerung zu ernähren ... Jegliche weiteren Anforderungen, zum Beispiel für Pflanzen für die Kraftstofferzeugung, müssen dann noch addiert werden."

Die Biokraftstoff-Verfechter argumentieren, es könnten brach liegende Flächen für den Anbau von Kraftstoff-Rohstoffen genutzt werden. Dr. Stefan Bringezu, Biokraftstoffexperte in der UNEP-Gruppe, betonte bei der Präsentation des Berichts aber: "Die Verwendung von aufgegebenem oder so genanntem Brachland für Biokraftstoffe könnte eine vernünftige Option sein, aber sie kann auch Auswirkungen auf die Biodiversität haben, und die Treibhausgasemissionen könnten besser durch Aufforstungsprojekte reduziert werden."


Uneinheitliche Klimabilanz der Biokraftstoffe

Eine wichtige Einsicht der Autorinnen und Autoren des UNEP-Berichtes lautet, dass die Öko- und Klimabilanz unterschiedlicher Verfahren zur Biokraftstoffgewinnung sehr unterschiedlich sind und dass es auch von Produktionsland zu Produktionsland große Unterschiede gibt. So wurde festgestellt, dass durch die Ethanolgewinnung aus Zucker in Brasilien eine Reduzierung der Emissionen von 70% und mehr im Vergleich zu herkömmlichem Kraftstoff erreicht werden kann, wozu auch beiträgt, dass Abfälle ad der Ethanolproduktion zur Stromerzeugung genutzt werden. Dies gilt allerdings nur, wenn für den Zuckeranbau keine Urwälder gerodet werden oder die bisherige landwirtschaftliche Produktion verdrängt wird und in Urwaldgebieten neue Landwirtschaftsflächen entstehen.

Besonders schlecht ist die Klimabilanz, wenn in Südostasien Palmöl in früheren Regenwaldgebieten und Hochmooren erzeugt wird. Hier kann der Umfang der klimaschädlichen Emissionen um bis zu 2.000% höher sein als bei fossilen Brennstoffen wie Benzin und Diesel. In diesem Zusammenhang wird im Bericht erwähnt, dass zwei Drittel der Ausweitung der Flächen von Palmöl-Plantagen auf der Umwandlung von tropischen Regenwald- und Anbauflächen beruhen. Außerdem ist häufig zu beobachten, dass der Anbau von Energiepflanzen die bisherige Nahrungsmittelproduktion verdrängt, wofür dann bisherige Regenwald- Wald- oder Savannengebiete genutzt werden. Die Biokraftstoffproduktion ist in solchen Fällen indirekt für die Zerstörung von intakten Ökosystemen verantwortlich. Dies sei, so der Bericht nicht zu umgehen, solange die Nachfrage nach Nahrungsmitteln und damit der Bedarf an Ackerbauflächen für den Nahrungsmittelanbau wachse.

Zu berücksichtigen sind außerdem andere ökologische Auswirkungen des großflächigen Anbaus von Pflanzen für die Biokraftstoffproduktion. Als ein Beispiel wird im Bericht die gestiegenen Einleitungen von Nitraten und Phosphaten aus dem US-Maisanbau in den Mississippi erwähnt, die nicht nur das ökologische Gleichgewicht des Flusses zerstören, sondern auch die Wasserqualität im nördlichen Teil des Golfs von Mexiko stark beeinträchtigen. Achim Steiner betont: "Es ist wichtig, dass wir in Zukunft klar zwischen Biotreibstoffen unterschieden, die das Klima und die Umwelt schützen, und solchen, die das nicht tun."


Die neue Generation der Biokraftstoffe

Nicht zuletzt angesichts der massiven Kritik an vielen Formen der Biokraftstoffgewinnung und der Zurückhaltung von Regierungen, die vorgeschriebenen Biokraftstoffbeimischungen zu erhöhen, werden intensive Bemühungen unternommen, neue Ausgangsstoffe zu verarbeiten. Vor allem Pflanzenreste könnten zu Biokraftstoff verarbeitet werden, wenn entsprechende Technologien erfolgreich eingeführt werden. Die Verwendung dieser Pflanzenreste ist auch nach Einschätzung der UNEP-Fachleute in der Regel klimafreundlicher als die Verwendung bisheriger Pflanzen der Biokraftstoffindustrie. Aber auch hier sind gründliche Forschungen der komplexen ökologischen Prozesse erforderlich. Achim Steiner schreibt in seinem Vorwort zum Bericht: "Vor allem macht der Bericht aufmerksam auf die Komplexität der Thematik und lässt erkennen, dass simplifizierende Ansätze wahrscheinlich ungeeignet sind, um eine nachhaltige Biokraftstoffindustrie hervorzubringen und auch keine Industrie, die dazu beitragen kann, die Herausforderungen durch den Klimawandel zu bestehen und die Lebenssituation der Bauern zu verbessern." Neue Generationen von Technologien zur Produktion von Biokraftstoffen müssten im Blick auf die Auswirkungen über längere Zeiträume überprüft werden. Außerdem wird im Bericht betont: "Die Autoindustrie ist herausgefordert, den Kraftstoffverbrauch der Fahrzeugflotten, die sie produzieren, drastisch zu vermindern."


Energie für den Süden der Welt

Vor allem in Indien und in Afrika hat Jatropha in den letzten Jahren als Energiepflanze an Bedeutung gewonnen und wird häufig für die lokale Energiegewinnung eingesetzt. Im Bericht wird darauf hingewiesen, dass Jatropha dann zu einer Verminderung von klimaschädlichen Emissionen beitragen kann, wenn der Anbau auf degradierten Ackerbauflächen erfolgt, während die Emissionen erhöht werden, wenn der Anbau auf bisherigem Buschland geschieht. Für Jatropha spricht aber, dass damit in armen Ländern in vielen Fällen eine besonders klimaschädliche Deckung des Energiebedarfs mit Holz ersetzt wird, wodurch Waldgebiete abgeholzt und so der Klimawandel weiter beschleunigt wird.

Im Bericht wird auch auf die Erfolge mit dem Einsatz von Biogasanlagen in Entwicklungsländern hingewiesen, denen ein besonders gutes Potenzial zur Erzeugung erneuerbarer Energie und eine gute Klimabilanz attestiert werden. Bereits 25 Millionen Haushalte in wirtschaftlich armen Ländern kochen und beleuchten ihre Häuser mit Biogas. Auch eine große Zahl von Landwirtschafts- und Gewerbebetrieben arbeiten mit Biogas. Weltweit wird etwa ein Prozent der Elektrizität aus Biomasse gewonnen, wobei es in den letzten Jahren vor allem in Europa und einigen Entwicklungsländern wie Brasilien große Steigerungen gegeben hat. Im Bericht heißt es: "Die Verwendung von Biomasse vor Ort - zur Erzeugung von Hitze oder Elektrizität - ist üblicherweise energieeffizienter als die Umwandlung von Biomasse in flüssigen Kraftstoff. Sie könnte auch höhere Kohlendioxideinsparungen zu niedrigen Kosten ermöglichen."

Weitere Informationen finden Sie hier [1]. Es besteht auch die Möglichkeit, den Bericht als pdf-Datei herunterzuladen [2]. (Frank Kürschner-Pelkmann)

[1] http://www.unep.fr/scp/rpanel/biofuels.htm
[2] http://www.unep.fr/scp/rpanel/pdf/Assessing_Biofuels_Full_Report.pdf


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Quelle:
DGVN Webseite - Den Klimawandel bekämpfen - 20.10.2009
http://www.klimawandel-bekaempfen.de
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Oktober 2009