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ENERGIE/094: Der Rahmen muss stimmen bei Agrogas (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 345 - Juni 2011,
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Der Rahmen muss stimmen bei Agrogas

Für eine nachhaltige, dezentrale und regionalverträgliche Biogaserzeugung in bäuerlichen Strukturen


Über Umfang, Ausgestaltung und Zukunft der Erzeugung von Agrogas gibt es eine heftige gesellschaftliche und auch inner-landwirtschaftliche Debatte. Sie bezieht sich vor allem auf den massiven Einsatz von Mais in den Anlagen und die Folgen des steigenden Maisanbaus auf Region, Landschaft, Boden und Grundwasser. Auf dem Prüfstand steht aber auch die Ausgestaltung der staatlichen Förderung im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) - vor allem hinsichtlich der Steuerungswirkungen durch die jeweiligen Höhen der Einspeisevergütung, der Begünstigung unterschiedlicher Größen von Agrogasanlagen und einer undifferenzierten Förderung Nachwachsender Rohstoffe (Nawaros), mit der Mais, Getreide-Ganzpflanzensilage oder Zuckerrüben begünstigt werden.

In Zusammenhang damit sehen sich in vielen Regionen Landwirte durch hohe Pachtpreis-Angebote von Agrogas-Produzenten auf dem Pachtmarkt bedroht. Schließlich gibt es auch Bedenken hinsichtlich der Konkurrenz bei der Nutzung von Flächen zwischen Energie- und Nahrungsmittelerzeugung und auch hinsichtlich möglicher Grünland-Umbrüche zum Anbau von Mais. Gentechnik-Lobbyisten versuchen, den Non-Food-Anbau von Mais für Agrogasanlagen als Einfallstor für Gentechnik-Sorten zu nutzen.


Variabel und speicherfähig

In der Energiewende, weg von nuklearen und fossilen Brennstoffen, kann eine klimafreundliche Erzeugung von Agrogas andererseits eine wichtige, wenn auch begrenzte Ergänzung von Energie-Einsparung und von solaren und anderen erneuerbaren Energiequellen sein: Die Agrogas-Erzeugung kann zeitlich variabel gesteuert werden, Agrogas kann mit seiner Speicherfähigkeit die saisonalen und wetterbedingten Schwankungen bei Wind und Sonne ausgleichen. Diese Fähigkeit, Biomasse als zusätzliche lastabhängige Regelenergie einzusetzen, wird bisher ungenügend genutzt. Eine dezentrale Agrogas-Erzeugung in bäuerlicher Hand kann die Ressourcen besonders effektiv nutzen und zudem die bislang marktbeherrschende Position monopolistischer Energiekonzerne hier deutlich einschränken. Agrogas kann insbesondere Reststoffe im Rahmen betrieblicher Kreisläufe umweltfreundlich verwerten. Agrogas-Erzeugung muss auf einer nachhaltigen Landbewirtschaftung und einer bäuerlichen Tierhaltung beruhen und die ländlichen Regionen stärken statt belasten.


Nachhaltigkeit und Bilanzierung

Voraussetzung für die Entwicklungsimpulse aus dem EEG für die Erzeugung von Agrogas sind positive Klima-, Energie-, Öko- und Kohlenstoff-Bilanzen für die angewendeten Rohstoffe und Verfahren, die deren Wirkungen auch auf Humusgehalt, Bodenstruktur und Bodenleben umfassend darstellen. Durch die Verbesserung der Techniken bei Anbau, Gas- und Stromerzeugung und der damit gekoppelten Wärmenutzung können und müssen diese Bilanzen kontinuierlich verbessert werden. Voraussetzung für erfolgreiche Bilanzen sind dezentrale, betrieblich der Fläche und dem Viehbestand angepasste Anlagen.


Reststoffe und ohne Gentechnik

Vor allem der Einsatz von Reststoffen wie Mist und Gülle in Agrogasanlagen mindert klimaschädliche Emissionen von Methan und Ammoniak sowie Geruchsbelästigungen. Impulse aus dem EEG für die Entwicklung und die Investition in kleinere Anlagen bis 50 kW, die Mist, Gülle und Reststoffe aus bäuerlicher Viehhaltung verwerten, sind deshalb dringend erforderlich. Nur mit diesen Anlagen kann zusätzliches Einkommen mobilisiert werden. Gentechnisch veränderte Pflanzen dürfen auch in Agrogasanlagen nicht, eingesetzt werden.


Dezentrale bäuerliche Strukturen

Eine dezentrale Strom- und Wärmeerzeugung ist besonders klima- und kosteneffektiv und zudem krisenfest. Sie sorgt dafür, dass die Wertschöpfung in den Regionen verbleibt und entlastet überregionale Stromnetze. Nachhaltig und gesellschaftlich akzeptiert sind nur dezentrale Agrogas-Anlagen von begrenzter Größe auf bäuerlichen Betrieben, die im Rahmen von Betriebskreisläufen und ohne energieaufwändige Ferntransporte der eingesetzten Substrate arbeiten. Zur Stützung dieser Strukturen sind gestaffelte Förderbedingungen unerlässlich, die eine deutlich höhere Grundförderung für kleinere Anlagen beinhalten.

Die AbL fordert insbesondere eine Staffel im EEG bei 50 KW. Sie sichert die Verwertung von Mist, Gülle und Reststoffen aus bäuerlicher Tierhaltung. Solche Anlagen sind besonders klimaeffektiv, nutzen die Wärme im Betrieb und schaffen keinen Flächenbedarf auf dem Bodenmarkt.

Die Privilegierung für Landwirte beim Bau von Agrogasanlagen bis 500 kW im Außenbereich ist zu erhalten, soweit die Flächen in Anlagennähe zur Verfügung stehen. Bei größeren Anlagen und bei Anlagen von Nichtlandwirten ist weiterhin eine Bauleitplanung erforderlich, hierbei ist die planungsrechtliche Position der Gemeinden zu stärken.


Kein agrarindustrielles Agrogas

Agrarindustrielle Großanlagen von gewerblichen Investoren und monopolistischen Energiekonzernen erfüllen die obigen Struktur- und Nachhaltigkeits-Anforderungen nicht, sind deshalb baurechtlich nicht zu privilegieren und nicht zu fördern. Dies gilt auch für Anlagen, bei denen Landwirte als Strohmänner eingeschaltet werden. Das rechtliche Splitting von Großanlagen in mehrere nur scheinbar kleinere Anlagen, das dem Unterlaufen des Anlagenbegriffs dient, darf bei Genehmigung und Förderung nicht anerkannt werden. Der Einsatz von Gülle und Trockenkot aus agrarindustriellen Anlagen ist aus strukturpolitischen, seuchenrechtlichen und tierschutzrechtlichen Gründen nicht zu begünstigen. Die Förderung der Einspeisung von gereinigtem Agrogas in die Gasnetze ist derzeit vor allem ein Instrument zur Begünstigung der großen Energiekonzerne. Durch ein Gas-Einspeisegesetz sind Modalitäten und Vergütungen so zu gestalten, dass dezentrale bäuerliche Anlagen gefördert werden.


Umweltverträgliche Rohstoffe

Der Anbau von nachwachsenden Rohstoffen für Agrogasanlagen muss nachhaltig sein und deshalb auf mindestens dreigliedrigen Fruchtfolgen und ressourcen-schonenden Produktionsverfahren beruhen. Agrogasanlagen sollen nur genehmigt und gefördert werden, wenn der Anteil eines pflanzlichen Substrats begrenzt ist, bspw. auf 50 Prozent Mais. Die Entwicklung des Einsatzes anderer Kulturpflanzen muss durch einen differenzierten Bonus im Wettbewerb gestärkt werden.

Investitionsförderungen und Bonuszahlungen nach dem Erneuerbar-Energien-Gesetz (EEG) sind so auszugestalten, dass keine "Vermaisung" von Regionen eintritt und dass auf dem Pachtmarkt keine Verdrängung anderer Betriebe stattfindet. In bestimmten Regionen mit hoher Dichte von Agrogasanlagen, Tieranlagen oder angespanntem Pachtmarkt sind raumordnerische Mittel sinnvoll.

Durch neue Techniken beim Gastransport zwischen Agrogasanlage und Verstromungs-Aggregat ist es möglich, Agrogasanlagen anwohnerfreundlich auch in deutlicher Entfernung vom Ort zu bauen und dennoch Verluste bei der Wärme-Versorgung der Orte zu vermeiden. Vorbehalte der Anwohner und kommunalen Gremien sind ernst zu nehmen und - auch im Interesse der Gesamt-Akzeptanz von Agrogas - zu berücksichtigen.   en


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 345 - Juni 2011, S. 10
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft -
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(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Juli 2011