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FORSCHUNG/269: Wie Klimaveränderungen die Verwendung von Pestiziden ansteigen lassen (UFZ-Spezial)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Spezial Dezember 2009: In Sachen Klimawandel

Giftige Aussichten

Wie Klimaveränderungen die Verwendung von Pestiziden in der Landwirtschaft ansteigen lassen.


Die gute Nachricht zuerst: Mit ansteigenden Temperaturen werden weltweit immer mehr Flächen für die Landwirtschaft genutzt werden können. Interessant für den Anbau von Getreide oder Gemüse werden dann auch Regionen, in denen es bisher zu kalt war. Doch das wärmere Klima lässt auch die Populationen von Pflanzenschädlingen wachsen und führt so zu vermehrtem Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln (Pestiziden). Besonders gravierende Folgen hat der Anstieg der Durchschnittstemperaturen im nördlichen Europa: In Ländern wie Schweden, Dänemark oder Finnland ist die Vermehrung von Insekten durch den Temperaturanstieg bereits deutlich spürbar. "Das ist deswegen der Fall, weil in den nördlichen Ländern die Temperatur für viele Insektenarten limitierend ist", erklärt Dr. Matthias Liess vom UFZ. Das trifft nicht nur auf Pflanzenschädlinge zu. So gab es u. a. Anfang August 2009 zahlreiche Medienberichte über eine Mückenplage in Schweden, die bedrohliche Ausmaße angenommen hatte.

Für die Landwirtschaft ist die Formel einfach: Je höher die Durchschnittstemperatur, desto größer wird die Belastung durch Pflanzenschädlinge und dementsprechend höher der erforderliche Einsatz von Pestiziden. "Wenn es also in Finnland im Jahresdurchschnitt so warm wird wie in Deutschland, werden dort in etwa so viel Pestizide benötigt, wie heute hierzulande", fasst Liess zusammen. Doch Pestizide bekämpfen nicht nur Pflanzenschädlinge, sondern töten auch andere, teilweise nützliche Insekten. Weil nur extrem unempfindliche Insekten überleben, kann durch Einsatz von Pestiziden das natürliche Gleichgewicht auch nicht landwirtschaftlich genutzter Flächen schnell gestört werden. Darüber hinaus reichern sich Pestizide in der Umwelt an, schädigen andere Organismen und sorgen besonders in Gewässern für eine erhöhte Konzentration der giftigen Substanzen. Für die dort angesiedelte Flora und Fauna entsteht eine Mehrfachbelastung durch größere Schadstoffmengen und steigende Wassertemperaturen.

Matthias Liess und seine Kollegen am UFZ untersuchen diese Zusammenhänge und entwerfen Zukunftsszenarien zu Ökosystemeffekten von Pestiziden in der Landwirtschaft. "Ziel des Forschungsprojektes ist, zukünftige Belastung und ökologisches Risiko der Fließgewässerfauna in Europa vorherzusagen", so Liess. Auf Basis aktueller Klimaszenarien werden Exposition und ökologisches Risiko von Pestiziden auf den Naturhaushalt modelliert und als Risikokarte für Mittel- bis Nordeuropa dargestellt. Daraus geht hervor, wie mit steigenden Temperaturen und damit steigendem Schädlingsdruck der Einsatz von Insektiziden und Fungiziden anwachsen wird. Der Oberflächenabfluss durch mehr Starkniederschläge wird ebenso den Eintrag von Pestiziden in die Umwelt verstärken. Die Landwirtschaft muss sich den veränderten Klimabedingungen stellen. Alternative Wege sind nötig, um die ökologischen und gesundheitlichen Belastungen gering zu halten und wirtschaftliche Interessen in Einklang mit einer nachhaltigen landwirtschaftlichen Nutzung zu bringen. Um das u. a. in der EU-Wasserrahmenrichtlinie formulierte Ziel, eine "gute" chemische und ökologische Wasserqualität zu erreichen, bedarf es umsichtiger Managementmaßnahmen nicht nur in der Wasserbewirtschaftung, sondern auch in der Landwirtschaft.   Gundula Lasch


UFZ-Ansprechpartner:
Dr. Matthias Liess
Dept. System-Ökotoxikologie
Telefon: 0341 /235-157ß
e-mail: matthias.liess@ufz.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Wärmeres Klima wird zu wachsenden Populationen von Pflanzenschädlingen und vermehrtem Einsatz von Insektiziden führen. Das wird Folgen für die Umwelt haben für Gewässer, Grundwasser, den Boden und die darin lebenden Organismen.

Vergleich 1990 - 2090
Die Risikokarte Mittel- und Nordeuropa zeigt die Veränderung des ökologischen Risikos aufgrund von Insektiziden von 1990 auf 2090. Es ist deutlich zu erkennen, dass vor allem im nördlichen Teil Europas - in Skandinavien und im Baltikum - mit einer Verschlechterung der Umweltqualität aufgrund wachsenden Einsatzes von Insektiziden in der Landwirtschaft zu rechnen ist.


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Quelle:
UFZ-Spezial Dezember 2009: In Sachen Klimawandel, S. 18
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Dezember 2009