Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → LANDWIRTSCHAFT

FORSCHUNG/293: Entwicklung salzresistenter Maishybriden (Spiegel der Forschung)


Spiegel der Forschung Nr. 2/Dezember 2009
Wissenschaftsmagazin der Justus-Liebig-Universität Gießen

Entwicklung salzresistenter Maishybriden
Ein Lösungsansatz zur Überwindung des globalen Problems der Bodenversalzung

Von Sarah Hatzig, Christian Zörb und Sven Schubert


Bodenversalzung stellt für die pflanzenbauliche Nutzung weltweit ein großes Problem dar. Vor allem in ariden Gebieten, in denen die Verdunstung gegenüber dem Niederschlag überwiegt, führt eine mangelnde Auswaschung von Salzen zur Beeinträchtigung der Bodenfruchtbarkeit und -nutzbarkeit. Mit konventionellen Züchtungsmethoden gelang es dem Institut für Pflanzenernährung salzresistente Maishybriden zu entwickeln, die auch auf versalztem Kulturland eine gute Ertragsbildung aufweisen. Grundlage hierfür war ein besseres physiologisches Verständnis der begrenzenden Wachstumsprozesse in den Pflanzen.

Geschichtliche Verläufe lassen vermuten, dass Bodenversalzung nicht nur eine durch jüngere Prozesse geprägte Erscheinung ist. Historische Aufzeichnungen weisen darauf hin, dass Bodenversalzung und der damit verbundene wirtschaftliche Niedergang zum Verfall einer ganzen Kultur geführt haben: Mesopotamien, einst geprägt von fruchtbaren Schwemmböden, erfuhr bereits 2400 v. Chr. schwere landwirtschaftliche Ertragseinbußen infolge einer durch den Anstieg des Grund- und Meerwasserspiegels verursachten Bodenversalzung. Die unzureichende Nahrungsproduktion führte zu sozialen Unruhen und damit zur Destabilisierung des politischen Systems.


Bodenversalzung - ein Problem arider Klimate

Beim Prozess der natürlichen Versalzung gelangen gelöste Salze mit dem Verdunstungssog an die Bodenoberfläche und reichern sich im fruchtbaren Oberboden an. Dadurch ist der Anbau vieler salzempfindlicher Kulturpflanzen beträchtlich erschwert. Neben den natürlichen Versalzungsprozessen können unzureichende Bewirtschaftungsmaßnahmen, insbesondere falsche Bewässerungsmethoden, zu einer so genannten sekundären Versalzung des Bodens führen.

Um die Ernährung einer steigenden Weltbevölkerung sichern zu können, müssen Voraussetzungen geschaffen werden, die den Pflanzenanbau auf betroffenen Flächen wieder möglich machen. Durch Meliorationsmaßnahmen, wie einer Auswaschung von Salzen, kann die ursprüngliche Bodenfruchtbarkeit wieder hergestellt werden. Solche wasserintensiven Maßnahmen sind jedoch in Klimaten, in denen ohnehin schon Wasserknappheit herrscht, schwer zu realisieren. An einer anderen Stelle setzt der Gedanke an, Pflanzen typen zu schaffen, die auch auf salinen Böden ein gutes Ertragspotential aufweisen.


Die Salzresistenz von Maispflanzen

Umfangreiche Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass die Salzresistenz einer Pflanze das Ergebnis mehrerer zusammenwirkender physiologischer Mechanismen ist und daher polygen vererbt wird. Durch den Einsatz konventioneller und molekulargenetischer Methoden konnten bislang kaum Erfolge in der Züchtung salzresistenter Pflanzensorten erzielt werden. Unser Ansatz zielt daher darauf ab, die Salzresistenz einer Pflanze auf klassischem Züchtungsweg zu verbessern, indem Strategien definiert werden, die zwar auf dem Zusammenwirken mehrerer Mechanismen beruhen, jedoch im Gesamten durch nur einen oder wenige übergeordnete physiologische Parameter erfassbar sind. Auf den Erkenntnissen australischer Forscher aufbauend, welche die Wirkung von Salzstress auf Getreidepflanzen in zwei Phasen aufgliederten [2], konnte auch für Mais ein solches ZweiPhasenmodell bestätigt werden [1] und als Grundlage für die Züchtung salzresistenter Maisgenotypen verwendet werden.

In der ersten Stressphase unterliegen die Pflanzen einem osmotischen Stress. Je mehr Salze in der Bodenlösung gelöst vorliegen, desto niedriger ist das osmotische Potential der Lösung. Höhere Salzgehalte im Boden bewirken demnach eine stärkere Bindung des Wassers und erschweren die Wasseraufnahme der Wurzel. Pflanzen, die unter osmotischem Stress wachsen, sind bereits in der Ertragsbildung gehemmt. An die erste Stressphase knüpft die Ionentoxizität in der zweiten Phase an. Pflanzen zeigen zu diesem Zeitpunkt Toxizitätssymptome, die in Mais durch eine Natriumanreicherung im Gewebe verursacht werden. Um Pflanzen mit hoher Stressresistenz zu etablieren, muss sowohl die osmotische Resistenz als auch die Natriumexklusion, d. h. das Vermögen, Ionen von der Aufnahme in die Pflanze auszuschließen bzw. die Verlagerung von Ionen in den Spross zu minimieren, im selben Genotyp vereint vorliegen.

Für Mais konnten zwei hauptsächliche Strategien einer Natriumexklusion festgestellt werden: Die Verminderung der Natriumaufnahme an der Wurzel oberfläche und die reduzierte Translokation von Natrium in den Spross. Der Erfolg der Natriumexklusion an der Wurzeloberfläche ist abhängig von der Permeabilität der Zellmembran für Natrium-Ionen und der Fähigkeit, Natrium-Ionen aktiv aus der Zelle in den wurzelnahen Raum zu schleusen. In den meisten höheren Pflanzen sind so genannte membranständige Na+/H+Antiporter daran beteiligt, Natriumionen (Na+) im Austausch mit Protonen (H+) aus der Zelle zu pumpen, um toxische intrazelluläre Konzentrationen zu vermeiden. Ein solcher Auswärtstransport erfolgt aktiv und ist demnach an den Verbrauch von metabolischer Energie gekoppelt. Berechnungen zufolge sind in Maispflanzen ebenfalls solche Efflux-Mechanismen wirksam [4]. Bisher konnten die zugrundeliegenden Transportsysteme jedoch noch nicht identifiziert werden.

Im Gegensatz zum auswärtsgerichteten Transport kann der Eintritt von Natrium in die Zelle auf passivem Wege über unspezifische Ionenkanäle in der Membran erfolgen. Weiterhin sind die Pflanzen in der Lage, bereits aufgenommene Natriumionen in die Vakuolen der Wurzelzellen oder der den Leitgefäßen anliegenden Zellen zu schleusen und diese somit vom Aufwärtstransport in den Spross auszuschließen.


Die Züchtung salzresistenter Maishybriden

Zu Anfang einer Hybridentwicklung ist es erforderlich, genetische Variation im Bezug auf die Pflanzeneigenschaften zu schaffen. Hierzu wurden Pflanzen des Maishybriden Pioneer 3906 mit sich selbst gekreuzt, um eine heterogene Folgegeneration (F2) zu erzeugen. Pioneer 3906 selbst geht aus der Kreuzung der Inzuchtlinien P 605 und P 165 hervor und besitzt eine relativ effiziente Natriumexklusionsfähigkeit. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass Pioneer 3906 sowohl die Fähigkeit besitzt, Natrium an der Wurzeloberfläche zu exkludieren, als auch die Verlagerung in den Spross zu minimieren, während beide Elternlinien jeweils Überlegenheit nur in einer Strategie aufwiesen. In der F2-Generation wurden Pflanzen mit dem besten Na+-Exklusionsverhalten selektiert und über mehrere Generationen mit sich selbst gekreuzt, um eine ausreichende genetische Gleichheit bezüglich der erwünschten Merkmale zu erzielen. Dabei wurde in jeder Generation erneut auf das Exklusionsverhalten selektiert. Nach sieben Inzuchtgenerationen konnte eine ausreichend homozygote Inzuchtlinie (NaExIl) etabliert werden, welche die Natriumtoxizität in der zweiten Phase des Salzstresses erfolgreich umgehen konnte. Verglichen mit dem Ausgangselter Pioneer 3906 zeigte NaExIl jedoch keine verbesserte Salzresistenz. Um diese zu erhöhen, musste die Fähigkeit, dem osmotischen Stress der ersten Phase entgegenzuwirken, in die Pflanzen mit eingebracht werden. Welche Mechanismen zu einer osmotischen Resistenz beitragen ist noch weitgehend ungeklärt. Ein wesentlicher zukünftiger Forschungsschwerpunkt liegt in der Aufklärung dieser physiologischen Vorgänge. Für die Weiterbehandlung wurden aus 200 Maisinzuchtlinien der Firma Südwestsaat SWS-GbR (Rastatt) 16 Genotypen ausgewählt, welche sich am resistentesten gegenüber osmotischem Stress erwiesen. Der Resistenzgrad gegenüber dem Stress der ersten Phase äußert sich im Wachstumsverhalten der Pflanzen und lässt sich leicht anhand geeigneter Parameter überprüfen. Die Wachstumsverminderung, gemessen am unter salinen Anzuchtbedingungen gebildeten voll ausgewachsenen Blatt, ließ eine Selektion der osmotisch resistentesten Linien zu. Diese selektierten Inzuchtlinien wurden dann mit der entwickelten Na+-exkludierenden Inzuchtlinie NaExIl gekreuzt. In der Folgegeneration konnten salzresistente Maishybriden (SR-Hybriden) etabliert werden, die eine effiziente Natrium-Exklusionsfähigkeit mit einer osmotischen Resistenz kombinieren [5].


Aussichten

Durch die klassische Züchtung salzresistenter Maishybriden, aufbauend auf physiologischen Erkenntnissen, konnte ein bedeutender Beitrag zum Anbau von Kulturpflanzen in ariden Regionen geleistet werden. Um diesen Fortschritt weiter ausbauen zu können, knüpfen zahlreiche Forschungsarbeiten an, welche die Aufklärung einer osmotischen Resistenz zum Ziel haben. Salzempfindliche Genotypen zeigen sich unter Salinität bereits vor Eintritt der Ionentoxizität in der Ertragsbildung gehemmt. Unter gleichen Bedingungen weisen auch salzresistente Genotypen eine Wachstumsreduktion auf. Diese fällt im Vergleich jedoch deutlich geringer aus. Bisher konnte gezeigt werden, dass die Wachstumsreduktion der empfindlichen Genotypen auf eine Beeinträchtigung des Zellstreckungswachstums zurückzuführen ist. Eine mangelnde Auflockerung der begrenzenden Zellwände verhindert die Expansion der Zellen, wodurch auch das Gesamtpflanzenwachstum beeinträchtigt wird. Mechanismen, die eine Auflockerung der Zellwände bedingen, sind in den resistenten Maisgenotypen aber nicht beeinträchtigt [3]. Diese Ergebnisse lassen die Vermutung zu, dass weitere Mechanismen während der Phase des osmotischen Stresses in resistenten Genotypen wirksam sind. Die Aufklärung der an einer osmotischen Resistenz beteiligten physiologischen und biochemischen Vorgänge könnte das Verständnis der Salzresistenz und die Etablierung resistenter Pflanzen ein weiteres wesentliches Stück voran bringen. Interessante Forschungsansätze sind auch hier bereits gefunden worden.


Literatur:

[1] Fortmeier, R., und S. Schubert, 1995: Salt tolerance of maize (Zea mays L.): The role of sodium exclusion. Plant Cell Environ. 18: 1041-1047.
[2] Munns, R., 1993: Physiological processes limiting plant growth in saline soils: Some dogmas and hypotheses. Plant Cell Environ. 16: 15-24.
[3] Pitann, B., Schubert, S., und K. H. Mühling, 2009: Decline in leaf growth under salt stress is due to an inhibition of H+ pumping activity and increase in apoplastic pH of maize leaves. J. Plant Nutr. Soil Sci. 172: 535-543.
[4] Schubert, S., und A. Läuchli, 1988: Metabolic dependence of Na+ efflux from roots of intact maize seedlings. J. Plant Physiol. 133: 193-198.
[5] Schubert, S., Neubert, A., Schierholt, A., Sümer A., und C. Zörb, 2009: Development of salt-resistant maize hybrids: The combination of physiological strategies using conventional breeding methods. Plant Sci. 177: 196-202.


Prof. Dr. Sven Schubert
Sarah Hatzig, B. Sc.
Justus-Liebig-Universität Gießen
Institut für Pflanzenernährung
Heinrich-Buff-Ring 26-32, 35392 Gießen
E-Mail: sven.schubert@ernaehrung.uni-giessen.de

Sven Schubert, Jahrgang 1956, Studium der Agrarwissenschaften, Promotion (1985) und Habilitation für das Fach Pflanzenernährung (1991) an der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Postdoktoranden-Aufenthalt an der University of California in Davis (1985-1986) und Professor für Pflanzenernährung an der Universität Hohenheim in Stuttgart (1992- 1997). Seit 1997 Professor und Leiter des Instituts für Pflanzenernährung in Gießen. Arbeitsgebiete: Stressresistenz von Kulturpflanzen, Membranbiochemie, Bedeutung der Düngung für die Qualität pflanzlicher Nahrungsrohstoffe.

Sarah Hatzig, Jahrgang 1982, beendete im Oktober 2008 erfolgreich den Bachelor-Studiengang Agrarwissenschaften an der Justus-Liebig Universität Gießen. Im Oktober 2008 begann sie mit dem Master-Studium Pflanzenproduktion. Seit Februar 2009 ist sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Pflanzenernährung tätig.

rPiv.-Doz. Dr. Christian Zörb
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Institut für Pflanzenernährung und Bodenkunde
Hermann-Rodewald-Str. 2, 24118 Kiel
E-Mail: czoerb@plantnutrition.uni-kiel.de

Christian Zörb, Jahrgang 1966, Studium der Biologie, Promotion am Institut für Botanik (1998) und Habilitation im Fach Pflanzenernährung (2007) an der JustusLiebig-Universität in Gießen. Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel in Detmold und am Institut für Pflanzenernährung und Bodenkunde der Christian-Albrechts-Universität Kiel. Arbeitsgebiete: Stressphysiologie von Kulturpflanzen, molekulare Pflanzenernährung, Proteinbiochemie, Qualität pflanzlicher Nahrungsmittel.

Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb 1: Desertifikation von Kulturland infolge von Bodenversalzung in den USA.

Abb 2: Baumwollfeld in Südkalifornien: Durch Bodenbewässerung verursachte Schrumpfungsrisse und Salzkrusten auf der Bodenoberfläche.

Abb 3: Zwei-Phasenmodell nach Munns (1993): Während sich in der ersten Phase osmotische Probleme auf das Pflanzenwachstum auswirken, bedingt die in der zweiten Phase wirksame Ionentoxizität eine Reduktion der Wachstumsraten.

Abb. 4: Vergleich einer Kontrollpflanze und einer salzgestressten Pflanze des salzempfindlichen Genotyps Across 8023: In der ersten Phase des Salzstresses zeigen sich deutliche Wachstumsreduktionen.

Abb. 5: Nekrosen an älteren Maisblättern verursacht durch Natriumtoxizität in der zweiten Phase des Salzstresses.

Abb. 6: Mechanismen einer Natriumexklusion an der Wurzeloberfläche. Einem passiven Influx steht ein aktiver Auswärtstransport von Natriumionen gegenüber.

Abb. 7: Natriuminklusion in Vakuolen nach Aufnahme in die Cortexzellen verhindert den Weitertransport zum Spross. Ein apoplastischer Transport ist nur bis zur Barriere des Casparischen Streifens möglich.

Abb. 8: Natrium-Nettoaufnahme des Maishybriden Pioneer 3906 relativ zu seinen elterlichen Inzuchtlinien Pioneer 165 and Pioneer 605 während einer 23-stündigen Behandlung mit NaCl.

Abb. 9: Natriumverlagerung aus den Wurzeln in den Spross des Maishybriden Pioneer 3906 relativ zu seinen elterlichen Inzuchtlinien Pioneer 165 und Pioneer 605 nach 23-stündiger Behandlung mit NaCl.

Abb. 10: Züchtungsschema zur Entwicklung der Natrium exkludierenden Inzuchtlinie NaExIl.

Abb. 11: Kreuzung von NaExIl mit osmotisch resistenten Inzuchtlinien zur Erstellung salzresistenter F1-Hybriden.

Abb. 12: Ertragsrückgang verschiedener SR-Hybriden unter salinen Bedingungen relativ zur Kontrolle.


*


Quelle:
Spiegel der Forschung Nr. 2/Dezember 2009, 26. Jahrgang, S. 56-61
Wissenschaftsmagazin der Justus-Liebig-Universität Gießen
Herausgeber: Der Präsident der Justus-Liebig-Universität Gießen
Pressestelle der JLU Gießen
Ludwigstraße 23, 35390 Gießen
Tel.: 0641/99-120 40; Fax: 0641/99-120 49
E-Mail: pressestelle@uni-giessen.de
Internet: www.uni-giessen.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juni 2010