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FISCHEREI/156: BfN-Präsidentin fordert besseres Management der Fischerei in Nord- und Ostsee (BfN)


Bundesamt für Naturschutz (BfN)
Pressemitteilung - Bonn, 7. September 2009

BfN-Präsidentin fordert besseres Management für die Fischerei in Nord- und Ostsee

- Grundgeschleppte Fanggeräte zerstören Lebensgemeinschaften geschützter Sandbänke und Riffe
- Zustand der europäischen Fischbestände ist im Vergleich zu anderen Meeresgebieten besonders schlecht


Bonn, 7. September 2009: Die Fischerei in den Meeren kann global betrachtet nicht mehr als nachhaltig gelten. Besonders dramatisch stellt sich die Situation in den heimischen Gewässern der Nord- und Ostsee dar: Hier gelten der Europäischen Kommission zufolge mittlerweile 88 % der Bestände als überfischt, 30 % sogar unterhalb der kritischen biologischen Grenze. Gleichzeitig lassen Ergebnisse anderer Studien hoffen, dass durch geeignete Managementmaßnahmen, wie Fangbeschränkungen, selektive Fanggeräte und Schutzgebiete sich Ökosysteme und Fischerei wieder erholen können.

"Für die Fischbestände vor unserer Haustür ist es vielerorts bereits fünf vor zwölf, und es besteht dringender Handlungsbedarf, die Fischerei endlich effektiv zu regulieren. Zumal sich die intensive Befischung der Nord- und Ostsee nicht nur auf die Bestandsgröße, Altersstruktur und genetische Vielfalt kommerziell genutzter Fischbestände auswirkt, sondern gravierende Beeinträchtigungen des gesamten Meeresökosystems nach sich zieht. Zu nennen sind hier beispielsweise der Beifang und Rückwurf von Meerestieren, der etwa in der Plattfisch- und Krabbenfischerei der Nordsee bis zu 90 % der Gesamtfänge ausmachen kann, sowie zerstörerische Effekte auf die Arten und Lebensräume am Meeresboden durch die Grundschleppnetzfischerei", sagte Professor Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN). Insbesondere in den marinen Natura 2000 - Schutzgebieten in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der Nord- und Ostsee, für die der Bund zuständig ist, bestehe die Notwendigkeit die Fischerei durch entsprechende Maßnahmen so zu gestalten, dass negative Auswirkungen auf geschützte Arten und Lebensräume vermieden würden, so Jessel. "Aus Sicht des BfN ist es ein völlig unbefriedigender Zustand, dass die Fischerei in den marinen Natura 2000-Schutzgebieten in der deutschen AWZ der Nord- und Ostsee nach wie vor weitgehend unbeschränkt durchgeführt wird, obwohl hier die negativen Auswirkungen der Fischerei auf Arten und Lebensräume wissenschaftlich dokumentiert wurden", sagte die BfN Präsidentin Jessel unter Verweis auf Studien, die im BfN u.a. durch den Internationalen Rat für Meeresforschung (ICES) erstellt worden sind. Angesichts der bedrohlichen Situation der Fischbestände global und insbesondere in den europäischen Meeresgebieten, hat das BfN heute ein Positionspapier zur "Ökosystemgerechten nachhaltigen Fischerei" herausgegeben. Darin werden die negativen Auswirkungen der Fischerei auf kommerziell genutzte Fischbestände, und andere Arten und Lebensräume im Meer beschrieben. Das Positionspapier zeigt Handlungserfordernisse und Lösungsmöglichkeiten auf, wie die Fischerei ökosystemgerecht und nachhaltig gestaltet werden kann.

Wesentlicher Handlungsbedarf besteht aus Sicht des BfN
- in der Anpassung der viel zu hohen Fangmengen an die verfügbaren Fischressourcen,
- einer strikten Umsetzung der wissenschaftlichen Empfehlungen bei der Festlegung der Gesamtfangmengen,
- einer konsequente Umsetzung von Vorsorge- und Ökosystemansatz,
- sowie einer effektiveren Bekämpfung der illegalen, unregulierten Fischerei.

Das BfN setzt sich dabei für verschiedene Lösungsansätze ein, um die kommerzielle Fischerei ökosystemgerecht zu gestalten. Beispielsweise die Zertifizierung ökologisch nachhaltig gemanagter Fischereien, wie u.a. nach den Kriterien des Marine Stewardship Councils (MSC) und die Einrichtung eines Netzwerks "gut verwalteter" Meeresschutzgebiete. "Eine der möglichen Managementmaßnahmen, um die Fischerei a uch in Schutzgebieten nachhaltig zu gestalten ist der verpflichtende Einsatz von selektiven Fanggeräten wie Fischfallen, die keine negativen Auswirkungen auf Nichtzielarten und Lebensräume haben", fordert Beate Jessel. Eine gute Chance für den Meeresschutz bietet aus Sicht des BfN die bevorstehende Reform der Gemeinsamen Europäischen Fischereipolitik im Jahre 2012. Die Europäische Kommmission hat hierzu ein Grünbuch verfasst, in dem die wesentlichen Missstände der Europäischen Fischereipolitik fundiert und schonungslos analysiert sind. Bei der Präsentation des Hintergrundpapiers verwies die BfN Präsidentin Prof. Dr. Jessel darauf, dass die fischereiliche Nutzung nach wie vor eine der menschlichen Aktivitäten ist, die weltweit und "vor unserer Haustür" besonders negative Auswirkungen auf marine Ökosysteme hat. Wie der jüngste Bericht der Welternährungsorganisation FAO zeigt, sind mittlerweile weltweit 28 % der Fischbestände überfischt und 52 % bis an die Grenzen an ihrer biologischen Kapazität genutzt. Die Übernutzung der Fischbestände in flachen und produktiven Küstenmeeren hat dabei zu einer Verlagerung des Fischereiaufwands in größere Wassertiefen und in die Küstenmeere weniger entwickelter Staaten geführt, in denen die Menschen in besonders hohem Maße von wildlebenden Fischbeständen als Proteinquelle angewiesen sind. "Die Übernutzung der Fischressourcen" so Jessel "hat deshalb sowohl eine ökologische als auch eine soziale und ethische Komponente". "Es ist dringend erforderlich, dass Deutschland und die Europäische Kommission ihren Verpflichtungen gemäß den EU Naturschutzrichtlinien endlich nachkommen und durch entsprechende Managementmaßnahmen der günstige Erhaltungszustand von Arten und Lebensräumen auch im Meer gesichert bzw. wiederhergestellt wird." Um die Erarbeitung von Maßgaben für eine nachhaltig- ökosystemverträgliche Fischerei in den marinen Schutzgebieten weiter voran zu treiben, hat das BfN in dieser Woche ein weiteres Forschungs- und Entwicklungsvorhaben auf den Weg gebracht, das zusammen mit dem IFM-GEOMAR, Universität Kiel durchgeführt wird.

Hinweis: Das Positionspapier "Ökosystemgerechte nachhaltige Fischerei" können Sie unter http://www.bfn.de/positionspapiere.html herunterladen.

Weitere Informationen:
- ICES. (2008). Report of the Workshop on Fisheries Management in Marine Protected Areas (WKFMMPA), 2 - 4 June 2008,
  ICES Headquarters, Copenhagen, Denmark. ICES CM 2008/MHC:11. 160 pp. - http://www.bfn.de/habitatmare/de/downloads-berichte-der- forschungsvorhaben.php
- KOM (2009) Grünbuch: Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik
  http://eur- lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2009:0163:FIN:DE:PDF


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Quelle:
BfN-Pressemitteilung, 07.09.2009
Herausgeber: Bundesamt für Naturschutz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. September 2009