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AGRARINDUSTRIE/148: Unkräuter trotzen Unkrautvernichtungsmitteln immer wirkungsvoller (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 1126 vom 04. April 2018, 37. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Unkräuter trotzen Unkrautvernichtungsmitteln immer wirkungsvoller


Eine "alarmierende" Entwicklung erkennt die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) bei der Zunahme von Resistenzen von Ackerunkräutern gegenüber den üblichen Unkrautvernichtungsmitteln (Herbizide). Viele Herbizide zeigen einen immer geringer werdenden Behandlungserfolg. Das Fatale an der Entwicklung aus der Sicht der konventionellen Landwirtschaft: Neue Herbizide, die die Resistenzausbildungen bei den Ackerunkräutern überwinden könnten, sind nicht in Sicht:

"Denn eines ist jetzt schon offensichtlich: es gibt nicht unendlich viele Wirkmechanismen, die als Ersatz genutzt werden können. In manchen Bereichen ist das Ende der Fahnenstange bereits erreicht",
schreibt die DLG in ihrem neuen Merkblatt 432 "Resistenzmanagement im Ackerbau: Herbizidresistenz". Denn "die Entwicklung der herbiziden Wirkmechanismen zeigt seit rund 30 Jahren keine neuen Zielorte", an denen die Herbizide vernichtend in den Stoffwechsel der Unkräuter eingreifen könnten.

"So beinhalten alle in den letzten Jahren eingeführten Produkte bekannte Wirkmechanismen oder bereits auf dem Markt verfügbare Wirkstoffe. Der nötige Wechsel von Wirkstoffen ist damit nicht gegeben."

Alles, was die Chemieindustrie noch in ihrem Werkzeugkasten hat, ist nach Einschätzung der DLG "wahrscheinlich nur (ein) kurzfristiger Lösungsansatz, der wieder zur Selektion multiresistenter Unkräuter führen wird". Denn "alarmierend" sei "vor allem die steigende Anzahl an Populationen mit multipler Resistenz bei der mehrere Wirkmechanismen gleichzeitig betroffen sind und nicht mehr ausreichend wirken". Und wenn - wie bei vielen superresistent gewordenen Unkräutern - nur noch ein Wirkstoff übrig bleibt, mit dem man diesen Unkräutern erfolgreich den Garaus machen kann, werde dies "zu einem unweigerlichen Verschleiß" auch noch des letzten verbliebenen Wirkstoffs führen.

Herbizidresistente Unkräuter kommen langsam, aber mächtig

In dem Merkblatt werden auch die unterschiedlichen Mechanismen erläutert, wie es den Unkräutern gelingt, Resistenzen aufzubauen, die sie gegen die Vernichtungsmittel immun machen. Bei der Ausbildung von Resistenzen gehen die Unkräuter so geschickt vor, dass viele Landwirte zunächst gar nicht mitbekommen, welches Unheil sich auf ihren Äckern breit macht:

"Leider werden Herbizidresistenzen oft erst erkannt, wenn sich die resistenten Populationen bereits auf den betroffenen Flächen etabliert haben. (...) Die Entwicklung von Resistenzen verläuft dabei nicht linear, sondern eher logarithmisch. Die Zahl resistenter Pflanzen im Bestand nehmen in den ersten Jahren nur gering, dann aber in sehr großen Sprüngen zu. So werden entstehende Resistenzen oft erst spät erkannt, wenn die entsprechenden resistenten Unkräuter schon die Fläche dominieren. Dies war auf vielen Flächen in Norddeutschland der Fall, wo sich der Acker-Fuchsschwanz heute oft nicht mehr bekämpfen lässt. Doch auch in den übrigen Regionen Deutschlands verschiebt sich auf vielen Flächen das Resistenzniveau der Unkrautpopulationen stetig, auch wenn dies bisher noch nicht überall sichtbar ist."

Das DLG-Merkblatt kommt deshalb zu folgendem Fazit:
"Sowohl die Dynamik dieser Entwicklung, als auch das Auftreten von hoch widerstandsfähigen, multiresistenten Populationen wird in der Anbaupraxis leider noch zu oft unterschätzt. Gleichzeitig ist es sehr problematisch bis aussichtslos erst zu reagieren, wenn die Bekämpfungsleistung der verfügbaren Herbizide bereits erheblich beeinträchtigt ist."

Landwirte im Gegensatz zu Unkräutern zu wenig einfallsreich

An der Entwicklung der Herbizidresistenzen seien die die Landwirte selbst schuld, ist zwischen den Zeilen des DLG-Merkblattes herauszulesen: Dass Ackerunkräuter immer widerstandsfähiger gegenüber den Herbiziden werden, liege am "Trend zu engen, getreidereichen Fruchtfolgen, einem geringen Anbau von Sommerungen und frühen Aussaatterminen bei Wintergetreide",
so die Einschätzung der DLG - und weiter:

"In Deutschland sind die Fruchtfolgen auf Grund von ökonomischen Rahmenbedingungen in den letzten Jahren immer weiter vereinfacht worden. Die Begrenzung auf wenige, möglichst gewinnbringende Kulturen und die damit verbundene häufige und abwechslungslose Anwendung von Herbiziden mit gleichen Wirkmechanismen haben die Entwicklung herbizidresistenter Unkräuter stark begünstigt."

In dem Merkblatt wird deshalb ausführlich erläutert, wie die Landwirte mit einer intelligenteren Ackerbaustrategie die Ausbreitung von Resistenzen zumindest verlangsamen können:
"Bei der Planung eines Resistenzmanagements steht die Fruchtfolge an erster Stelle. Für die konkrete Fruchtfolgegestaltung ist es wichtig, einen ausgewogenen Wechsel zwischen Winter-und Sommerkulturen zu gewährleisten. Sofern Ungrasarten durch bestimmte Kulturen stark gefördert werden (z. B. Acker-Fuchsschwanz und Gemeiner Windhalm in Wintergetreide; Hirse-Arten in Mais), muss der Anteil dieser Kulturen in der Fruchtfolge begrenzt werden. Fruchtfolgen mit einem regelmäßigen Wechsel von Winter- und Sommerkulturen, sowie einem Wechsel zwischen Blatt- und Halmfrüchten sind die günstigste Voraussetzung für eine Unkrautflora, die nicht von wenigen, schwer bekämpfbaren Arten dominiert wird."

Wer genauer wissen will, wie man noch retten kann, was zu retten ist, kann das DLG-Merkblatt unter
http://www.dlg.org/dlg-merkblatt_432.html kostenlos herunterladen.

Unwirksam gegen Unkräuter - aber wirksam im Wasser

Wenn die Unkrautvernichtungsmittel eh immer weniger Schlagkraft gegen die Unkrautflora zeigen, stellt sich die Frage, warum man diese Wirkstoffe in Bächen und Flüssen, im Grundwasser und manchmal sogar im Rohwasser der Wasserwerke in Kauf nehmen muss. Tauchen die herbiziden Wirkstoffe in den Entnahmebrunnen der Wasserwerke auf, sind sie bekanntlich nur noch mit großem Aufwand über Aktivkohle und/oder Ozonierung zu eliminieren. Was auf dem Acker nicht mehr wirkt, wirkt zumindest kostentreibend im Wasserwerk. Die Vorschläge der Neue Herbizid-Wirkstoffe? Fehlanzeige! Warum es immer schwieriger wird, neue Wirkmechanismen zu finden, die keine negativen Auswirkungen auf die entsprechenden Kulturpflanzen zeigen und über eine ausreichende Umweltverträglichkeit verfügen, ist nach Auffassung der DLG folgendermaßen zu erklären:

"Aufgrund der hohen anfallenden Kosten für Forschung und Zulassung lohnt sich die Entwicklung neuer Wirkmechanismen daher nur, wenn diese weltweit in den bedeutenden Kulturen eingesetzt werden können. Der globale Markt wird aber derzeit von gentechnisch-veränderten, Herbizid-toleranten Kulturen dominiert. Damit ist die Entwicklung neuer, selektiver Wirkmechanismen für den vergleichsweise "kleinen" europäischen Markt oft wenig attraktiv und wird durch steigende Anforderungen an die Registrierung verschärft. Daher ist in den letzten 30 Jahren kein neuer herbizider Wirkmechanismus mehr in den Markt eingeführt worden."

DLG zur Reduktion der Resistenzausbreitung - also insbesondere die Rückkehr zu deutlich breiteren Fruchtfolgen - sind Maßnahmen, wie sie im Ökoanbau längst übliche Praxis sind. Enge Fruchtfolgen waren bis jetzt für die konventionellen Ackerbauern gleichermaßen arbeitssparend und gewinnbringend. Angesichts der Forderung nach wieder breiter werdenden Fruchtfolgen kommt aus Bauernmund sofort die Frage: Wer entschädigt uns für den Mehraufwand? Der Kunde sei nicht bereit, für abwechslungsreichere Fruchtfolgen zu zahlen. Das ist bei einem Marktanteil für Ökoprodukte von unter 10 Prozent zwar leider richtig. Aber angesichts der rasanten Ausbreitung von herbizidresistenten Unkräutern, wird den Ackerbauern gar nichts anderes übrigbleiben, als ihre viel zu engen Fruchtfolgen wieder auszuweiten. In der von der GroKo versprochenen Ackerbaustrategie muss das zu einem wesentlichen Inhalt gemacht werden! -ng-

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1126
Herausgeber:
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Mai 2018

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