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MARKT/056: Flaschen mit Fußabdruck - Weinerzeuger wollen Klimabilanz verbessern (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 2/10
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Flaschen mit Fußabdruck
Weinerzeuger wollen ihre Klimabilanz verbessern

von Gundula Oertel


Kohlensäure sei Dank! Ohne sie gäbe es keinen Sekt. Und erst mit ihr prickelt der Champagner so schön! Im Schaumwein gelöst, macht Kohlendioxid Vergnügen. Anderswo im Weinbau ist das Gas mit der Summenformel CO2 als Killer berüchtigt: Bei Rebenzucht und Weinbergspflege, bei Lese, Weinbereitung, Abfüllung sowie diversen Transporten kommt einiges an klimaschädlichen Emissionen zusammen.

Wie Vieles, was wir täglich produzieren, nutzen oder genießen, hinterlässt auch die Herstellung des Genussmittels Wein ungesunde Spuren im Lebensraum-System Erde. Der Treibhauseffekt ist nicht die einzige, doch die global bedrohlichste Folge. Längst ist klar: Wir werden das Problem nur mit einem anderen Konsumstil lösen. Das stellt auch Winzer, Handel und Weinfreunde vor immer drängendere Fragen: Wie macht man das Konsumgut Wein klimaverträglich? Und welcher Wein ist gut für klimabewusste Konsumenten?


Je weiter, desto schädlicher?

In der Klimabilanz des globalisierten Weinhandels schlagen Transporte besonders üppig zu Buche. Weinflaschen tragen mit rund 500 Gramm Glasgewicht je Stück, Schaumwein sogar mit 900 Gramm erheblich zum CO2-Ausstoß der Branche bei. Das hat das Gebietskomitee der Champagne veranlasst, nun eine 65 Gramm leichtere, druckstabile Flasche vorzustellen. So könnte das Luxusprodukt Champagner klimafreundlicher werden. Ebenfalls kürzlich präsentierte Tesco, weltweit viertgrößter Einzelhändler und einer der größten Weinimporteure Großbritanniens, eine 40 Prozent leichtere Weinflasche. Im breiten Einsatz könnte sie die Klimabilanz der Branche deutlich verbessern.

Transportbedingte Emissionen einer Flasche Wein legen generell energieeffizienteren Transport, vor allem aber kurze Wege nahe. Tyler Coleman vom California Wine Institute bezweifelt allerdings, dass regionale Herkunft beim Wein immer die klimafreundlichste Wahl ist. In seiner Studie "Rot, weiß und grün: CO2-Kosten des Welt-Weinhandels" belegt Coleman, dass es an der Ostküste der USA, beispielsweise in New York, klimafreundlicher ist, aus Bordeaux verschifften Wein zu trinken, statt aus Kalifornien per LKW herangekarrten.


Vom Rebstock bis ins Glas

Verallgemeinern lässt sich diese Einschätzung kaum. Nicht zuletzt, weil Colemans Betrachtung erst mit dem Traubentransport zur Kelter beginnt. Der Stoff- und Energieeinsatz im Weinberg fehlt. Nur vom Gärtank bis ins Weinregal reicht auch die CO2-Bilanz, die die deutsche Weinkellerei Reh Kendermann 2009 für ihren Weinexport in den britischen Markt berechnen ließ. Das Unternehmen reagierte so auf das Interesse der Briten für den "carbon footprint". Tatsächlich taucht die bei uns CO2-Fußabdruck genannte Größe als Klimalabel bei immer mehr Produkten auf, nicht nur in Großbritannien.

Guter Ansatz, sagen Experten. Mangels international gültiger Standards bisher aber nur begrenzt nützlich. Die Berechnung soll den Beitrag eines einzelnen Konsumguts zum Treibhauseffekt dingfest machen. Und zwar als Gesamtgewicht ausgestoßener CO2-Äquivalente, das heißt, als Summe aller im Produkt-Lebenszyklus anfallenden Treibhausgase, umgerechnet in die Klimawirksamkeit des CO2.

Doch selbst, wenn man beiseite lässt, wie das Messergebnis zustande kommt oder wie verallgemeinerbar es ist: Zu mehr Klimaschutz führt die Neugier auf CO2-Bilanzen erst, wenn sie in Unternehmen Reduktionsprozesse in Gang setzt und die entsprechende Verbraucherinformation erlaubt, klar zwischen verschieden klimaverträglich hergestellten Produkten zu unterscheiden.


"Klimaneutral" - gibt es das?

Die Winzerin Birgit Braunstein hatte solche Ziele im Sinn, als sie auf ihrem Weingut im österreichischen Burgenland über Biodynamischen Anbau und Klimaschutz nachdachte. Wie viel größer das CO2-Sparpotential von Bioanbau gegenüber konventionellem ist, hat eine vergleichende Untersuchung der Universität Siena 2008 in der Toskana gezeigt. Auch für Braunstein war die Umstellung auf den Bioanbau entscheidender Faktor in der verbesserten Klimabilanz ihrer Produktion. Als erste Winzerin im deutschsprachigen Raum bot sie im Frühjahr 2009 Rotwein an, den sie als "klimaneutral" bezeichnet. Dabei hat sie sich von Experten beraten lassen. Die Firma Climate Partner verleiht das Prädikat Weinen oder Weingütern, wenn festgelegte Reduktionsziele erreicht und Restmengen im zertifizierten Emissionshandel ausgeglichen wurden.

Letzteres sorgt bei Jakob Bilabel für leichtes Unbehagen. Bilabel leitet in Berlin das Unternehmen Thema 1, das als unabhängiger "think-do-tank" den Dialog zwischen Klimaforschern, Umweltschützern und Unternehmen über erfolgversprechende Wege in die globale "low carbon society" organisiert. "Klimaneutralität kann es nicht geben", sagt er. "Auch mit Zahlungen kompensierte Emissionen sind ja nicht aus der Welt." Die Initiative von Biowinzerinnen wie Birgit Braunstein, die sich engagiert um den Klimaschutz kümmern, müsse man dennoch wertschätzen, findet Bilabel. Klimabewussten Weinfreunden rät er aber immer zum kritischen Blick hinter die Kulissen, auch wenn in Zukunft auf mehr Flaschenetiketten "klimaneutral" steht. Und vielleicht sogar gerade dann.


Tipps in Kürze
1. Regional ist erste Wahl, auch beim Wein.
2. Biowein ist besser fürs Klima.
3. Kaufen Sie Wein von Winzern Ihres Vertrauens.
4. Fragen Sie Ihren Fachhändler nach klimabewussten Anbietern oder informieren Sie sich im Internet.
5. Folgen Sie Qualitätssiegeln von Winzerverbänden, die sich nachvollziehbar um Klimaschutz kümmern.


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Quelle:
Naturschutz heute - Heft 2/10, S. 38-39
(Text in der Internet-Fassung)
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. August 2010